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    Demographie

    In die Zukunft geschaut: So altert und schrumpft unser Land.

    Demographie | 9.11.2016 Drucken

    Persönlichkeitwandel im hohen Alter

    Jung und dynamisch. Alt und …? Auflösung im folgenden Interview mit der Psychologin und Altersforscherin Professorin Jule Specht von der Universität zu Lübeck. Sie hat untersucht, wie sich die Persönlichkeit im Alter verändert und wie auch das Altern selbst davon beeinflusst wird.

    Woher rührt eigentlich die Meinung oder sollte man besser sagen das Vorurteil, dass man sich im Alter kaum noch ändert?

    In der Persönlichkeitspsychologie ging man lange Zeit davon aus, dass die Entwicklung der Persönlichkeit bis zum Alter von etwa 30 Jahren abgeschlossen, dann weitgehend stabil ist und sich mit zunehmendem Alter immer mehr verfestigt. Das war unter anderem ein wesentlicher Grund, sich nicht mehr mit dem hohen Alter auseinanderzusetzen. Ein Trugschluss, wie man heute weiß.

    Jule Specht Erfolgreich alternMan hat also an diesem Punkt zunächst nicht weiter geforscht. Wissenschaftler wie Sie nahmen den Faden neu auf. Was fanden Sie dabei heraus?

    Persönlichkeit ändert sich im hohen Alter noch einmal ähnlich stark wie schon im jungen Erwachsenenalter, wo sich alles neu sortiert. Ab einem Alter von 60 oder 70 Jahren, das heißt im typischen Alter des Rentenübertritts, beobachten wir noch einmal erstaunlich viele Veränderungen.

    Wie zeigt sich dieser Wandel der Persönlichkeit im Alter? Was hat es mit den Big-Five-Persönlichkeitseigenschaften auf sich, auf die sich die Wissenschaft und auch Sie in Ihren Forschungen beziehen?

    Die Persönlichkeit ist hochkomplex. Man versucht sie handhabbar zu machen, indem man sie auf fünf grundlegende Persönlichkeitseigenschaften reduziert. Vor allem zwei davon zeigen im Alter deutliche Veränderungen. Das eine ist die Offenheit für neue Erfahrungen, die dann im Durchschnitt sinkt. Man denkt konservativer, will sich weniger auf andere Meinungen oder Kulturen oder auch neue Sprachen einlassen als das noch im jungen Erwachsenenalter der Fall war. Die Verträglichkeit ist die zweite Persönlichkeitseigenschaft, die starke Alterseffekte zeigt. Sie ist im Durchschnitt umso höher ausgeprägt, je älter die Betreffenden sind.

    Da wird Ihnen der eine oder andere aus eigenem Erleben vermutlich widersprechen.

    Ganz sicher sogar! Wichtig ist, dass hier Durchschnittswerte gemeint sind. Das muss so natürlich nicht für jeden zutreffen. Menschen verändern sich in unterschiedlichem Tempo und auch in verschiedene Richtungen. Gerade diese höchst unterschiedlichen Entwicklungsverläufe in der Persönlichkeit finden wir besonders im jungen Erwachsenenalter und vermehrt eben wieder auch im hohen Alter. Dass die Persönlichkeit in diesem Lebensabschnitt so variabel ist, hat uns doch sehr überrascht.

    „Im hohen Alter herrscht der Tenor vor: Das Leben ist endlich.“

    Der Eintritt in den Ruhestand markiert einen entscheidenden Einschnitt – mit Einfluss auch auf die Persönlichkeit?

    Es gibt bis jetzt nur wenige theoretische Ansätze, die die Veränderlichkeit der Persönlichkeit im hohen Alter umfassend erklären. Hier stehen wir in der Forschung erst am Anfang. Der Rentenübergang allein führt zwar im Mittel zu einer Verringerung der Gewissenhaftigkeit, kann aber nicht die weiteren diversen beobachteten Veränderungen erklären.

    Reden wir über die Überlegungen, die Altersforscher derzeit diskutieren.

    Eine Annahme ist: Menschen verändern sich je nachdem, wie sie ihre Perspektive wahrnehmen und davon ausgehend ihre Prioritäten setzen. Kurz: Wenn sie das Gefühl haben, ihnen steht noch das ganze Leben offen, konzentrieren sie sich eher darauf, möglichst viel Wissen anzusammeln, vieles kennenzulernen und auszuprobieren. Diese Offenheit für Erfahrungen steigt besonders im jungen Erwachsenenalter, wo man seinen Platz und seine Rolle im Leben in der Regel noch nicht gefunden hat. Im hohen Alter herrscht der Tenor vor: „Das Leben ist endlich.“ Insofern besinnt man sich eher auf das, was man hat und schätzen gelernt hat. Dazu gehören insbesondere auch soziale Bindungen.

    „Ältere investieren lieber in die Festigung bestehender sozialer Beziehungen.“

    Die Pflege sozialer Kontakte ist ja nicht das Schlechteste.

    Viele Ältere investieren dann lieber in die Festigung bereits bestehender sozialer Beziehungen als in die Erweiterung eines großen Freundeskreises, wie das bekanntlich gerade für junge Erwachsene typisch ist. Das heißt, sie haben seltener das Bedürfnis nach sozialen Netzen mit vielen losen Freundschaften, wo man sich in größeren Gruppen austauscht. Das wiederum spricht dafür, dass sie weniger offen für neue Erfahrungen sind. Zugleich wissen wir aus der Persönlichkeitsforschung: Wer sich entgegen diesem Trend im Alter möglichst lange ein hohes Maß an Offenheit bewahrt oder das sogar noch forciert, kann sein Leben häufig selbstständiger, glücklicher, gesünder und länger weiterführen. Man könnte sagen: Er oder sie altert erfolgreicher.

    Das hat schon fast etwas von einer Glücksformel, die aber gesundheitliche Fitness voraussetzt. Auch wenn heutige Rentnergenerationen da in einer deutlich besseren Position sind, Alterseinschränkungen bremsen doch augenscheinlich Aktivitäten aus?

    Was Sie ansprechen, hört man oft: Im hohen Alter passiert nichts mehr. Man baut ab und muss mit den Verlusten klarkommen. Die Offenheit für neue Erfahrungen sinkt, weil einfach die Ressourcen dafür nicht mehr da sind. Das erscheint zunächst plausibel. Andererseits sieht man: Ältere sind überraschend verträglich. Verträglichkeit ist auch etwas, was Ressourcen kostet und im Grunde schon im jungen und mittleren Alter hilfreich wäre. Wenn man eine Familie gründet oder eine feste Partnerschaft eingeht, Kinder bekommt, im Beruf erfolgreich sein will. Trotzdem gelingt es da im Durchschnitt nicht, verträglicher zu werden. Das bleibt dem Alter vorbehalten.

    „Es gibt noch vieles, was wir genauer verstehen müssen.“

    Womit könnte diese allgemeine „Spätzündung“ zusammenhängen?

    Wie die Forschung zeigt, ist es gerade älteren Menschen offenbar besonders wichtig, in einem kleinen Kreis enge soziale Kontakte zu haben. Da ist es sicherlich von Vorteil ist, wenn man verträglich ist. Es gibt noch vieles, was wir genauer verstehen müssen. Aber ich glaube, es greift zu kurz, die Persönlichkeitsänderungen im hohen Alter nur als Abbauprozess oder Reaktion auf gesundheitliche Reduktion zu betrachten. Es sind auch weiterhin Ressourcen vorhanden, um Persönlichkeitseigenschaften aufzubauen.

    Derzeit arbeiten Sie an zwei Büchern zur Persönlichkeit im Alter. Warum gleich im Doppelpack?

    Ich beschäftige mich gern mit mehreren Dingen parallel. In dem einen Buch möchte ich den Stand der Forschungsergebnisse zur Entwicklung der Persönlichkeit im Alter der Fachwelt zugänglich machen, es handelt sich dabei um die Herausgeberschaft eines englischsprachigen Fachbuchs. Bisher fehlte eine wissenschaftlich fundierte Abhandlung, die die gewachsene Forschungsbewegung insbesondere der letzten Jahre hierzu adäquat widerspiegelt. Ergänzend dazu schreibe ich an einem populärwissenschaftlichen Buch, denn das Thema ist auch für die Allgemeinheit von Interesse und Relevanz. Dort geht es auch um solche Fragen wie: Bin das noch ich? Was verändert uns eigentlich? Wie verändert sich welcher Aspekt von uns?


    Prof. Dr. Jule Specht lehrt und forscht an der Universität zu Lübeck, Institut für Psychologie, und ist Forschungsprofessorin/Research Fellow am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Forschungsbereich, Sozio-oekonomisches Panel. Die Psychologin und Altersforscherin untersucht die Entwicklung der Persönlichkeit über die Lebensspanne, insbesondere im hohen Alter. Zu diesem Thema promovierte sie auch mit „summa cum laude“. Von 2012 bis 2016 leitete die Wissenschaftlerin das DFG-Netzwerk Persönlichkeitsentwicklung im Erwachsenenalter. 2014 wurde sie mit dem Berliner Wissenschaftspreis für Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet.

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