Rentenalter steckt fest im Parallelogramm der Kräfte
Die Bundesbank brachte unlängst das Rentenalter mal wieder in die öffentliche Diskussion. Doch wie fest diese Stellschraube des Rentensystems im Parallelogramm der gesellschaftlichen Kräfte eingeklemmt ist, zeigte eine Blitzumfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge zum Bundesbankvorschlag, der eine Kopplung des Renteneintritts an die Entwicklung der Lebenserwartung vorsieht.
Ausgangspunkt für den Vorschlag waren Berechnungen der Bundesbanker, wie sich der Rentenbeitragssatz bis 2070 entwickelt. Sie nahmen dafür ein Update einer vergleichbaren Prognose von 2016 vor. Es berücksichtigt neben der demografischen Entwicklung auch die seither beschlossenen rentenrechtlichen Veränderungen. Ergebnis: Bis 2070 steigt der Beitragssatz auf 26 Prozent, sofern es bei den bisherigen Regeln der gesetzlichen Rente bleibt.
Die künftigen Beitragszahler müssten also allein die Lasten der Demografie schultern. Um diese Kosten besser zu verteilen, legte die Bundesbank ihre schon vor drei Jahren präferierte Option wieder auf den Tisch, die Regelaltersgrenze so anzuheben, dass die Relation zwischen Erwerbszeit und Rentenzeit stabil bleibt. Nach den vorliegenden Daten würde das zu einem Renteneintrittsalter von 69 Jahren und vier Monaten bis 2070 führen. Der mediale Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. Wie aber denken die davon Betroffenen darüber, die letztendlich einen deutlich höheren Rentenbeitrag schultern müssen, wenn es keine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters gibt?
Große Mehrheit lehnt den Vorschlag ab
Nahezu drei Viertel der Deutschen (73 Prozent) lehnen eine weitere Anhebung des Rentenalters ab. Das ergab die DIA-Umfrage, die wenige Tage nach der Veröffentlichung der Bundesbankprognose stattfand. Nur 14 Prozent der Befragten stimmten dem Bundesbankvorschlag zu. Dabei sind Ablehnung und Zustimmung in den verschiedenen Altersgruppen ähnlich. Die Zustimmung bewegt sich zwischen zehn und 19 Prozent und ist in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen am höchsten. Die Ablehnung steigt tendenziell mit dem Alter von 62 auf 82 Prozent und fällt dann wieder leicht auf 77 Prozent. Obwohl gerade die älteren Jahrgänge viel weniger von einer solchen Anhebung betroffen wären, da sie früher in Rente gehen und die Anhebung bis auf über 69 Jahre für sie gar nicht wirkt.
Mit steigendem Einkommen nimmt die Zustimmung zu einer Erhöhung des Renteneintrittsalters zu. Während sich lediglich neun Prozent der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1.000 Euro dafür aussprechen, steigt dieser Anteil kontinuierlich bis auf 23 Prozent der Befragten mit einem Einkommen von 4.000 Euro und mehr. Auch keine Wählergruppe ist mehrheitlich für eine Erhöhung. Die größte Zustimmung kommt von den Wählern der FDP (29 Prozent). Es folgen die Grünen-Wähler (22 Prozent) und Unions-Wähler (19 Prozent).
Politiker tun sich mit einer weiteren Anhebung schwer
Diese Stimmungslage zeigt ein Dilemma auf: Einerseits ist das Renteneintrittsalter eine der wirksamsten Stellschrauben des umlagefinanzierten Rentensystems. Andererseits ist es eine politische Entscheidung, selbst wenn ökonomische Faktoren dieser Entscheidung zugrunde liegen. Politische Entscheidungen bewegen sich aber immer in etwa entlang der Diagonale im Parallelogramm der gesellschaftlichen Kräfte. Angesichts der Stimmung unter den Wählern und in Erinnerung der politischen Turbulenzen, die aus der Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre bis 2030 resultierten, werden sich Politiker mit der Umsetzung des Bundesbankvorstandes sehr schwer tun. So ist kaum zu erwarten, dass die Rentenkommission der Bundesregierung im kommenden Jahr eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters präsentieren wird, obwohl viele Experten dies für geboten sehen, nicht nur in der Bundesbank.
Die komplette Umfrage zum Vorschlag der Bundesbank finden Sie hier.
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