Respekt oder Pfusch – Grundrente im Streit
Die SPD wärmt sich an der von ihrem Arbeitsminister Hubertus Heil entwickelten Grundrente, die es ohne Bedürftigkeitsprüfung geben soll.
Eine Mehrheit der Deutschen findet eine solche staatliche Leistung gut. Schon scheint sich der kleinere Koalitionspartner in der Großen Koalition langsam zu erholen. Beim Umfrageinstitut Emnid ging es zwei Punkte auf Kosten der Grünen nach oben, die man damit wieder überholte. Beim Umfrageinstitut forsa gab es auch ein Plus, allerdings zulasten der Linkspartei. Dort verbesserten sich die Grünen und liegen weit vor der SPD in Front.
Pfusch nennt der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm das beschönigend „Respekt-Rente“ genannte Heilsche Modell. Auch der Koalitionspartner CDU lehnt es scharf ab. Der ehemalige Minister aus den Kabinetten von Helmut Kohl spricht von „fatalen Ergebnissen“ der geplanten Regelung. Wer 34 Jahre Beiträge oder weniger bezahlt hat, geht leer aus. Ein Monat Beitrag entscheidet möglicherweise über 500 Euro mehr oder weniger Rente. Die dabei Leerausgehenden seien überproportional Frauen. Viele weibliche Erwerbstätige erreichen nämlich keine 35 Beitragsjahre, was die Voraussetzung für die Gewährung dieser neuen Leistung ist. Wörtlich fügte Blüm hinzu: „35 Jahre Teilzeitbeschäftigung ergeben weniger Arbeitsstunden als zum Beispiel 30 Jahre Vollzeitbeschäftigung. Doch die Teilzeit wird rentenpolitisch belohnt. Die Vollzeitbeschäftigte geht in diesem Falle leer aus.“
Heils Rente – ein System voller Ungerechtigkeit
Scharfe Kritik übt Blüm auch am vorgesehenen Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung. So wird die Rente aufgestockt, auch wenn der Betroffene noch ein zweites oder drittes Alterseinkommen hat. Der Rentner, der nur von seiner Minirente lebt, geht hingegen leer aus. Blüm glaubt, dass dieses Rentensystem neue Gräben zwischen geförderten und nicht geförderten Rentnern aufreißt. Die „Respekt-Rente“ bringt Fürsorgeprinzip und Versicherungsprinzip durcheinander und schafft so ein System voller Ungerechtigkeit.
Kritisch sieht Blüm auch die Finanzierung durch den weiteren Griff in die Steuerkasse. Die Freude über erhöhte Steuerfinanzierung der Rente sei ein „sozialpolitischer Pyrrhussieg“. Es bringt die Rente in immer stärkere Abhängigkeit von der staatlichen Haushaltslage. Sie vermindert so den eigentumsrechtlichen Schutz, der auf eigenen Beitragsleistungen beruht. Der streitbare Blüm, in aller Erinnerung durch den legendären Satz „Die Rente ist sicher“, ist seit Langem ein scharfer Kritiker der sozialdemokratischen Rentenpolitik. Vor allem die Riester-Rente hielt und hält er für einen sozialpolitischen Irrweg.
CDU will Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung
Mit der Union in der Koalition wird eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung nicht machbar sein. Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder hält diese Regelung für nicht finanzierbar. Ansonsten sind die Unionsparteien bereit, möglichst rasch, noch vor den Europawahlen und den Landtagswahlen im Osten der Republik die in der Koalitionsvereinbarung enthaltene Grundrente zu verabschieden. Einen interessanten eigenen Vorschlag zur Zukunft der Rente legte der badische Abgeordnete Kai Whittaker vor. Eine zukunftsfeste Rente muss seiner Ansicht nach Leistung belohnen und vor Altersarmut schützen. Sein Modell setzt auf drei Elemente:
- Bei der gesetzlichen Rente gibt es einen Freibetrag von mindestens 100 Euro, der nicht auf die Grundrente angerechnet wird.
- Rentenansprüche von Geringverdienern sollen aufgewertet werden. Wer auf weniger als drei Viertel eines Durchschnittswertes der Rente kommt, soll einen Aufschlag von 50 Prozent erhalten, wenn er Vollzeit gearbeitet hat und 25 Prozent, wenn er in Teilzeit war. Die Aufwertung ist allerdings bei maximal drei Viertel des durchschnittlichen Anspruches gedeckelt.
- Mittel- und langfristig muss ein Systemumstieg vorgenommen werden. Jeder, der mindestens 35 Jahre in Deutschland lebt, erhält eine steuerfinanzierte Basisrente. Die umlagefinanzierte Rente käme dann noch oben drauf. Dafür würden die Rentenbeiträge im Vergleich zu heute sinken.
Union findet Vorschlag der Linken verfassungswidrig
Auch der Bundestag beschäftigte sich in der vergangenen Woche wieder mit Themen der Altersvorsorge. So forderte die Bundestagsfraktion der LINKEN die Bundesregierung auf, unverzüglich einen Finanzausgleich zwischen der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung, die über Rücklagen von 34,5 Milliarden Euro verfügt, herzustellen. Die private soll dann in die soziale Pflegeversicherung integriert werden. Ein Vorschlag, den die Union für verfassungswidrig hält. Auch die Freien Demokraten nahmen sich mit einem Antrag dieses Themas an. Um auch die soziale Pflegeversicherung zukunftsfest zu machen, bedarf es einer verstärkten privaten Vorsorge sowie dem Aus- und Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der Pflegeversicherung.
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