Zoff um Rente in Großer Koalition
In der Großen Koalition gibt es wieder Zoff um die Rente. Genauer gesagt um die Grundrente, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil semantisch aufgehübscht „Respekt-Rente“ nennt.
Vor dem Hintergrund nahender Landtagswahlen im Osten Deutschlands, bei denen die AfD nach Umfragen mit den Volksparteien auf Augenhöhe ist, zieht Heil erneut die Spendierhosen an. Unbeeindruckt von den Wahlpleiten der Vergangenheit geben die Sozialdemokraten den Glauben nicht auf, die Probleme im Osten seien mit Geld zu lösen.
Am kommenden Sonntag hat die SPD eine zweitägige Klausur, um ihr Erneuerungskonzept zu definieren. Die Ziele der Genossen sind ebenso teuer wie schlicht: Rauf mit der Rente, weg mit Hartz IV, weitere Milliarden für den Sozialstaat. Die Steuerzahler sollen dann die Ausplünderung bejubeln und der SPD für die Großzügigkeit danken. Es ist mehr als fraglich, ob diese Rechnung aufgeht.
Was will Heil genau? Er fordert eine Grundrente von rund 1.000 Euro. Das entspricht in manchen Fällen einer Aufstockung der bisher durch ein Leben im Mindestlohnsektor erreichbaren Rente um fast 100 Prozent. Die neue Leistung soll nicht daran geknüpft werden, ob ein Empfänger sie wirklich benötigt oder nicht. Außen vor bleiben soll auch das Einkommen des Ehepartners, denn „eine Bedürftigkeitsprüfung gibt es nicht“, versichert Heil.
Leidtragende sind die Steuerzahler
Die Kosten im einstelligen Milliardenbereich sollen dann wieder einmal ab 2021 die Steuerzahler übernehmen. Mit Bundesfinanzminister Scholz sei der ehrgeizige Plan abgesprochen. Heils Vorstoß erfolgte präzise zu einem Zeitpunkt, wo Scholz angesichts hoher Ausgabensteigerungen und schwächerer Steuereinnahmen über ein riesiges Loch im Etat lamentierte. Scholz selbst hatte sich allerdings schon zuvor für milliardenschwere Zusatzausgaben durch eine Festlegung des Mindestniveaus von Renten für mehr als zwei Jahrzehnte ausgesprochen. Da passte es gut, dass sich der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder per Interview erneut zu Wort meldete. Eine Chance habe die SPD nur, wenn es ihr gelinge, in ihrer Führung Wirtschaftskompetenz zu mobilisieren. Dass die Oppositionsführerin Andrea Nahles darüber verfüge, behaupte sie noch nicht einmal selbst von sich.
Gelder nicht mit der Gießkanne verteilen
Die Scholz-Initiative dürfte die Große Koalition im ersten Halbjahr erneut entzweien. Die SPD will nach dem Mindestlohn und der Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren ihr sozialpolitisches Profil weiter schärfen. Ob ein lang anhaltender Streit im Kampf gegen die Altersarmut einer der beiden Regierungsparteien wirklich hilft, darf bezweifelt werden. Heil überschreitet kühl kalkulierend die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag, denn die Union will – so ihr Sprecher Peter Weiß – ein differenziertes System, das am tatsächlichen Bedarf ansetzt und dann die Rente aufstockt. „Wir verteilen Geld nicht mit der Gießkanne, sondern helfen gezielt demjenigen, der zu wenig Rente hat“, erklärte Weiß.
Unbestritten ist bei den Unionsparteien, dass die Idee einer Grundrente im Grundsatz richtig ist. Wer sein Leben lang arbeitete und Kinder erzog, soll im Alter mehr haben als die Grundsicherung. Der linke Arbeitnehmerflügel der Union, die Sozialausschüsse Christlich Demokratischer Arbeitnehmerschaft, ist allerdings weniger ablehnend als die CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ihr Vorsitzender, der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Laumann nennt den Heil-Vorstoß eine „vernünftige Diskussionsgrundlage“.
Wo bleibt der Respekt gegenüber den Jüngeren?
Auf die Tücken neuer Gerechtigkeitslücken machen die Freien Demokraten aufmerksam. Sie verweisen auf Heils Aussage, die Rentenansprüche von drei bis vier Millionen Geringverdienern um bis zu 447 Euro im Monat aufzustocken, wenn sie mindestens 35 Jahre in die Rentenversicherung zahlten. Dazu meint der liberale Rentenexperte Johannes Vogel: „Wer zum Beispiel stolze 34 Jahre eingezahlt hat, soll zukünftig also erheblich weniger aus der Rente bekommen als jemand, der nur geringfügig länger, dafür aber in Summe weniger eingezahlt hat.“
Lob und Tadel verteilen sich im Übrigen nach der gesellschaftspolitischen Interessenlage. Die Arbeitgeber warnen vor einem „rentenpolitischen Betriebsunfall“. Linkspartei und Grüne stimmen dem Entwurf ebenso zu wie die Gewerkschaften. Von der jungen Generation und ihren künftigen Bedürfnissen ist in der Rentenpolitik der GroKo nie die Rede. FAZ-Herausgeber Holger Steltzner stellt deshalb in einem Kommentar zu Recht die Frage: „Wo bleibt der Respekt gegenüber den Jungen?“
Wer denkt noch an die junge Generation?
Soll die Nachhaltigkeit ins Grundgesetz? Diese Frage stellt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag am 20. Februar. Angesichts der immer stärker werdenden Belastungen von Beiträgen in der Rentenversicherung und der Inanspruchnahme der Bundeskasse für die Rentenpolitik ist diese Frage hochaktuell. Man fragt sich bei den immer neuen Belastungen, wer noch an die junge Generation denkt und wie es um die Zukunftsfähigkeit der Republik bestellt ist. Hauptredner bei der Tagung der Union, die von Kai Whittaker geleitet und vom Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus eröffnet wird, ist der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Professor Papier, ein Befürworter der Ergänzung des Grundgesetzes durch die Nachhaltigkeit.
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