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    Gesetzliche Rente

    Auf Generationen gebaut: So zahlen die Jungen für die Alten.

    Gesetzliche Rente | 1.8.2016 Drucken

    Mindestrentenniveau auch für die Zeit nach 2030

    „Rente 4.0 – Das Konzept der dynamischen Rente für die Arbeitswelt der Zukunft“ – unter diesem Titel haben Peter Weiß, rentenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und Eva M. Welskop-Deffaa, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Rente im Bundesfachausschuss der CDU sowie Mitglied im Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi, am Rande des Katholikentags in Leipzig ein zwölfseitiges Papier zur Weiterentwicklung der Alterssicherung in Deutschland vorgelegt. Im Zentrum des Vorschlagpakets steht die gesetzliche Rentenversicherung in der Zeit nach 2030. DIA-Sprecher Klaus Morgenstern diskutierte mit den beiden Autoren.

    Sie schlagen vor, auch für die Zeit nach 2030 ein Mindestniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung zu garantieren. Nach den vorliegenden Prognosen wird das Rentenniveau aber weiter sinken, sofern es bei der jetzigen Rentenformel bleibt. Wie wollen Sie das verhindern?

    Mindestrentenniveau auch für die Zeit nach 2030Peter Weiß: Wir haben bis 2030 ein Sicherungsziel im Gesetz. Für die Zeit nach 2030 gibt es ein solches Ziel nicht. Wenn das Rentenniveau nach 2030 aber weiter sinkt, dann kehrt sich der Grundgedanke der Rentenreform von 2001/2002 um. Sie war auf den Weg gebracht worden, um einen Ausgleich zwischen Alten und Jungen zu finden. Aber wenn für die Jungen, obwohl sie einen höheren Beitrag als die heutigen Arbeitnehmer zahlen müssen, das Rentenniveau irgendwann unter 40 Prozent landet, dann fragen diese sich, was die gesetzliche Rente überhaupt noch wert ist. Daher halten wir es für geboten, ein Mindestrentenniveau zu definieren, das auf jeden Fall zu halten ist.

    Eva M. Welskop-Deffaa: Die gesetzliche Rente ist in Deutschland der Spiegel des Erwerbslebens. Sie finanziert sich aus Beiträgen, die vom Erwerbseinkommen abgezogen werden. Aus diesem Grund wollen wir ein weiteres Absinken der Rente ohne jegliche Untergrenze nicht akzeptieren. Das würde die Legitimität des Rentensystems zerstören. Wer ein Erwerbsleben lang einzahlt, muss eine Leistung erhalten, die über dem Niveau der Grundsicherung liegt.

    „Klar ist, es kostet Geld. Daher unser Vorschlag, das Gleiche zu machen wie in der Pflegeversicherung.“

    Bleibt die Frage: Wie soll das finanziert werden? Die bisherige Regelung im Sozialgesetzbuch sieht schließlich nicht nur Untergrenzen für das Rentenniveau vor, sondern ebenso Obergrenzen für die Beiträge. Sind Letztere obsolet?

    Peter Weiß: Klar ist, es kostet Geld. Daher unser Vorschlag, das Gleiche zu machen wie in der Pflegeversicherung. Dort ist ohne größere Einwände beschlossen worden, dass 0,1 Prozentpunkte des Beitrages in einen Fonds fließen. In der guten Zeit, in der wir für die Rentenversicherung den Beitragssatz von 18,7 Prozent senken konnten, können wir einen etwas höheren Beitrag festlegen. Bedingung dafür: Die Beitragserhöhung wird für die Zukunft angespart. Dazu wird die Obergrenze der Nachhaltigkeitsrücklage der gesetzlichen Rentenversicherung, bei deren Überschreiten der Beitragssatz bislang automatisch abgesenkt werden muss, sofort abgeschafft. Dadurch kann die Rentenversicherung Geld auf die hohe Kante legen, das später der Minderung des Beitragssatzes dient.

    „Die undurchschaubare Finanzstruktur des Bundeszuschusses muss weg.“

    Ein solcher Vorschlag ist nicht gänzlich neu, die Gewerkschaften hatten ihn in ähnlicher Form in der jüngeren Vergangenheit schon unterbreitet. Kritiker zweifeln aber dessen Wirksamkeit an: Eine Kapitalreserve in der gesetzlichen Rentenversicherung sei so sicher wie ein Wurstvorrat unter der Obhut eines Mopses. Schon zu oft hätten Politiker in die Rentenkasse gegriffen, um neugeschaffene Leistungen zu finanzieren.

    Peter Weiß: Daher schlagen wir zusätzlich vor, dass die Selbstverwaltung der Rentenversicherung über die Verwendung entscheidet. Darüber hinaus streben wir einen höheren Bundeszuschuss an. Die Beiträge des Bundes zur gesetzlichen Rentenversicherung gliedern sich heute in verschiedene Einzeltitel des Bundeshaushaltes auf, die historisch entstanden sind. So wurde mal bei der Ökosteuer etwas für die Rente abgezweigt. Diese undurchschaubare Finanzstruktur muss weg. Wir plädieren daher für einen einzigen Titel: Der Bund finanziert immer ein Drittel. All das schließt aber nicht aus, dass der Beitragssatz in Zukunft auch über 22 Prozent steigen könnte.

    Eva M. Welskop-Deffaa: Und bei der Stellschraube Beitrag schauen wir nicht nur auf den Beitragssatz, sondern auch auf die Beitragsbemessungsgrenze. Wir schlagen eine Ausweitung des beitragspflichtigen Einkommens vor – über eine Splittung der Beitragsbemessungsgrenze. Auch durch Veränderungen bei der Beitragsbemessungsgrenze kann zusätzliches Finanzierungsvolumen generiert werden. Außerdem wollen wir den Versichertenkreis erweitern, indem auch die Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Wir möchten die Reformen nicht nur mit Blick auf die Demografie, sondern auch auf die sich verändernde Arbeitswelt gestalten und die zunehmenden hybriden Erwerbsformen berücksichtigen. Wir liefern mit unserem Papier also nicht nur eine einzelne Antwort, sondern ein ganzes Setting an Vorschlägen.

    „Maßvolle Beitragssatzsteigerungen sind in den nächsten Jahren wohl unvermeidbar.“

    Selbst wenn der Beitragssatz in Ihrem Konzept nur eine Stellschraube unter vielen ist, bleibt die Frage nach dessen Höhe im Raum stehen. Soll die Deckelung, wie wir sie heute im Sozialgesetzbuch finden, aufgegeben werden?

    Eva M. Welskop-Deffaa: Maßvolle Beitragssatzsteigerungen sind in den nächsten Jahren wohl unvermeidbar. Mit unserem Papier wollten wir aber die Debatte wegführen von der Fixierung auf die Stellschraube Beitragssatz. Wir glauben, dass unser Bündel von Maßnahmen so viele positive Effekte auslöst, dass ein Streit über eine neue Obergrenze des Beitragssatzes, zum Beispiel bei 25 Prozent, eigentlich überflüssig wird. Wir haben uns ja auch bei der Untergrenze des Rentenniveaus nicht auf 43, 45 oder 48 Prozent festgelegt.

    Die zweite Beitragsbemessungsgrenze bewirkt für die Finanzierung der Rentenversicherung lediglich einen zeitlichen Aufschub, weil gleichzeitig höhere Rentenanwartschaften entstehen.

    Peter Weiß: Wir werden zehn schwierige Jahre haben mit ausgesprochen stark besetzten Jahrgängen im Rentenneuzugang. Jeder zusätzliche Euro, der in diesen Jahren in die Rentenversicherung fließt, entlastet das System. Die gesplittete Beitragsbemessungsgrenze schenkt uns ein wenig Zeit. Wenn die geburtenstarken Jahrgänge, die heute Anfang 50 sind, durch das Rentensystem durch sind, wird es doch wieder einfacher.

    Rentenexperten wenden ein, dass man mit einem temporären Kapitalstock zwar einen Berg untertunneln kann, aber nicht das Hochplateau, vor dem die Rentenversicherung der demografischen Entwicklung wegen steht.

    Eva M. Welskop-Deffaa: Daher haben wir ja auch nicht nur einen solchen Kapitalstock vorgeschlagen, sondern ein ganzes Paket von Maßnahmen. Es wird tragen, da sind wir zuversichtlich.

    „Die Rentenformel muss dringend vereinfacht werden.“

    Sie wollen die Rentenformel verändern und die Anpassung an die demografischen Belastungen nur noch durch einen dynamischen Generationenfaktor erreichen. Wird er weniger dämpfend auf das Rentenniveau wirken als heute Beitragsfaktor und Nachhaltigkeitsfaktor im Zusammenspiel?

    Eva M. Welskop-Deffaa: Die Rentenformel muss dringend vereinfacht werden. Die Akzeptanz eines Rentensystems hängt auch davon ab, dass die Berechnungslogik zumindest ansatzweise verstanden wird. Der Beitrags- und der Nachhaltigkeitsfaktor beruhen auf den gleichen Einflussgrößen, allerdings in anderer mathematischer Zusammensetzung, so dass sie durchaus entgegengesetzt wirken können. Das ist womöglich sogar mit dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Verständlichkeit und Folgerichtigkeit nicht vereinbar. Das angestrebte Ziel, die Rentnergeneration an den demografischen Lasten mit zu beteiligen, lässt sich auch mit einer einfacheren Formel umsetzen. Wie diese im Einzelnen wirkt, wird festzulegen sein, wenn wir uns politisch auf ein Mindestrentenniveau verständigt haben. In unserem Papier finden Sie ja keine Zahl dazu.

    Aber Sie haben die Untergrenze von 43 Prozent im Kopf, die heute im Sozialgesetzbuch steht?

    Eva M. Welskop-Deffaa: Wir tendieren eher zu einer Zahl oberhalb von 45 Prozent. Nach der politischen Entscheidung über das Niveau wird es dann Aufgabe der Mathematiker sein, die Formel so zu gestalten, dass dieses Ziel erreicht wird.

    „Wir werden uns mit den Abschlägen bei Erwerbsminderung befassen müssen.“

    Also muss die Dämpfung des Rentenanstiegs geringer ausfallen als mit der heutigen Rentenformel, nach der heute schon eine weitere Absenkung des Rentenniveaus abzusehen ist.

    Peter Weiß: Ja, sonst müsste der Gesetzgeber sofort wieder justierend eingreifen.

    Stichwort Erwerbsminderungsrente: Sie schlagen vor, die Zurechnungszeiten bis zum Alter von 65 Jahren zu verlängern. Reicht das wirklich aus, um die Erwerbsgeminderten aus der Gefahr der Altersarmut, die ihnen besonders droht, herauszuholen?

    Peter Weiß: Die Eingrenzung des Altersarmuts-Risikos muss bei den am meisten gefährdeten Gruppen ansetzen. Dazu gehören ohne Frage die Erwerbsgeminderten. Ihr Schutz ist daher so zu gestalten, dass sie in der Regel von der Erwerbsminderungsrente leben können. Die Verlängerung der Zurechnungszeiten lag auf der Hand. Schwieriger wird es mit der Minderung oder Abschaffung der Abschläge wegen des frühzeitigen Renteneintritts. Wir müssen dabei darauf achten, dass die Erwerbsminderungsrente nicht dazu genutzt wird, die Abschläge in der Altersrente zu umgehen. Aber wir werden uns mit den Abschlägen bei Erwerbsminderung befassen müssen.

    „Wir plädieren für eine Versicherungspflicht für die Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung.“

    Zu den besonders gefährdeten Gruppen gehören auch die Selbständigen…

    Peter Weiß: Zweifelsohne. Beim Zugang zur Grundsicherung im Alter haben 50 Prozent überhaupt keine Rentenansprüche. Daher plädieren wir für eine Versicherungspflicht für die Selbständigen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Alternative wäre eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Formen der Altersvorsorge. Aber eines muss klar sein: Jeder Selbständige hat für das Alter vorzusorgen so wie der Arbeitnehmer auch. In diesem Punkt gibt es über alle Parteien hinweg weitgehend Konsens.

    Eva M. Welskop-Deffaa: Die dritte Gruppe sind die Frauen, die deutlich niedrigere Altersrenten beziehen als Männer. Wenn wir über die Arbeitswelt 4.0 reden, dann sprechen wir auch über veränderte Erwerbsbiografien von Frauen und Männern. Die Erwartung, dass die Hinterbliebenenrente Frauen im Alter absichert, gründete sich auf die Annahme, dass diese nicht erwerbstätig sind und die Ehen ein Leben lang halten. Früher wurden den Frauen ja bei Heirat sogar die vorher gezahlten Rentenbeiträge erstattet.

    Heute haben wir ein völlig verändertes Bild: die Frauen sind erwerbstätig und die Ehen halten oft nicht mehr ein Leben lang. Dennoch sind die Erwerbsbiografien der Frauen viel stärker durch die Familiensituation geprägt. Sie haben typische Lücken. Der Versorgungsausgleich und die Hinterbliebenenrente füllen diese Lücken nicht auf. Daher unsere Idee des permanenten Rentenanwartschaftssplittings. So wird sofort – für beide – sichtbar, wie sich gemeinsam getroffene Entscheidungen, etwa für eine familienbedingte Teilzeitbeschäftigung der Frau, in den späteren Renten beider Partner niederschlagen. Dann gibt es in der Scheidungssituation kein böses Erwachen. Dieses Splitting wird verbunden mit der Möglichkeit, Rentenansprüche aufzustocken, und flankiert mit Anreizen, wie zum Beispiel einem Kinderzuschlag.

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