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    Gesetzliche Rente

    Auf Generationen gebaut: So zahlen die Jungen für die Alten.

    Gesetzliche Rente | 15.6.2014 Drucken

    Das Umlageverfahren der Rente ist ungerecht

    Die Frührente mit 63 und die erweiterte Anerkennung von Erziehungszeiten begründen Politiker der Großen Koalition mit mehr Gerechtigkeit für die ältere Generation.

    Die Kritiker haben dieses Argument längst widerlegt. Es entstehen dadurch sogar neue Ungerechtigkeiten. Doch nicht nur das: Im Umlagesystem der Rentenversicherung steckt ein generelles Gerechtigkeitsdefizit. Ein Gespräch darüber mit Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.

    Reiner Klingenholz - Das Umlageverfahren der Rente ist ungerechtIm jüngsten Diskussionspapier Ihres Instituts, das sich mit der Zukunft des Generationenvertrages der Rentenversicherung beschäftigt, gehen Sie der Frage nach, wie sich die Lasten des demografischen Wandels gerechter verteilen lassen. Wie ungerecht ist das deutsche Rentensystem?

    Im Umlagesystem der Rentenversicherung ist a priori eine Ungerechtigkeit eingebaut. Es benachteiligt Menschen mit Kindern. Zum einen, weil Eltern weniger arbeiten können als Kinderlose und damit auch niedrigere Rentenansprüche erwirtschaften. Zum anderen, weil sie für die Erziehung und Ausbildung ihres Nachwuchses teilweise tief in die eigenen Taschen greifen müssen. Kinder sind jedoch eine zwingende Voraussetzung für den Fortbestand des Generationenvertrages.

    Diesen Konstruktionsfehler hat das deutsche Rentensystem seit seiner Implementierung im Jahr 1957, weil man damals von einer falschen Annahme ausging. Warum bringen Sie ausgerechnet jetzt dieses Thema aufs Tapet?

    Die Große Koalition ist bei ihren aktuellen Beschlüssen zur Rente gerade einem Trugschluss erlegen, denn eine sinkende Kinderzahl wirkt sich erst mit großer zeitlicher Verzögerung negativ auf die Rentenkassen aus. Obwohl die Kinderzahlen schon in den 1970er Jahren stark gesunken sind, sorgen bis heute die zahlreichen Babyboomer, die zurzeit noch berufstätig sind, für gute Einnahmen in den Kassen der Sozialversicherungen. Gleichzeitig hatten Staat und Gesellschaft aufgrund der gesunkenen Kinderzahlen weniger Ausgaben. Mit Beginn des nächsten Jahrzehnts wird es zu einer beachtlichen Verrentungswelle kommen. Die ersten stark besetzten Jahrgänge der Babyboomer erreichen dann das gesetzliche Renteneintrittsalter. Die Bundesregierung verhält sich heute jedoch so, als gäbe es kein Morgen. Die vorangegangenen Regierungen hatten da schon andere Antworten zum demografischen Wandel parat.

    Was schlagen Sie vor, um die Benachteiligung von Familien zu verringern?

    Grundsätzlich gibt es zwei Strategien: Zum einen könnten über familienpolitische Leistungen mehr finanzielle Mittel zu den Familien umgeleitet werden. Zum anderen wäre es denkbar, den Generationenvertrag in der Sozialversicherung zu „vervollständigen“, um die Bedeutung von Nachwuchs für die Tragfähigkeit der Umlagesysteme stärker zu berücksichtigen. Mit der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung ist schließlich für den Einzelnen die ökonomische Notwendigkeit entfallen, Kinder zu bekommen und so in die nächste Generation zu investieren. Kinder sind damit aus rein finanzieller Sicht von einem Beitrag zur eigenen Altersvorsorge zu einem Kostenfaktor geworden.

    „Die Bundesregierung verhält sich so, als gäbe es kein Morgen.“

    Bleiben wir zunächst bei der zweiten, strukturellen Lösung, die übrigens keineswegs neu ist.

    Ja, bereits in den 1950er Jahren wurde über eine Kinderkasse analog zur gesetzlichen Rentenversicherung diskutiert, die bis zu einem bestimmten Alter allen Kindern eine Grundsicherung gewährleisten sollte. Die Alternative dazu ist die sogenannte „Kinderrente“. Der jüngste Vorschlag dazu stammt vom Sozialökonom Martin Werding. Die Kinderrente gewährt allen Eltern im Rentenalter je nach Kinderzahl Leistungen.

    Der Vorschlag von Professor Werding löste im vergangenen Jahr eine heftige Diskussion und teilweise starke Ablehnung aus. Wie realistisch sind solche gut begründeten Reformkonzepte?
    Aus heutiger Sicht scheinen so weitreichende Vorschläge kaum umsetzbar.

    Mangelt es nur an politischem Willen?

    Nein, es gibt durchaus auch sachliche Widerstände. Sowohl für die Kinderrente als auch für die Kinderkasse müsste ein zusätzliches Umlagesystem eingeführt werden. Auch das geforderte stärkere Absenken des Rentenniveaus bei der Kinderrente ist kritisch zu sehen, da es Geringverdienern ohne Kinder kaum möglich sein dürfte, die entstehende Lücke durch eine ergänzende private Vorsorge zu schließen.

    „Staatlich geförderte Kinderbetreuung finanziert sich zum Teil selbst.“

    Also kommt derzeit nur ein besserer Ausgleich für Familien über die Familienpolitik außerhalb des Rentensystems in Frage.

    Zum Beispiel über Geldleistungen, einen umfangreicheren steuerlichen Ausgleich oder andere Zuwendungen. Mehr Leistungen für Familien haben allerdings den Nachteil, dass die Mittel dafür zusätzlich aufgebracht werden müssen. Will der Staat dafür nicht die Steuern oder Abgaben erhöhen, müsste er die Familienpolitik effizienter gestalten. Denkbar wäre eine Kürzung oder Streichung ehebezogener Leistungen zu Gunsten kinderbezogener, also beispielsweise eine Abkehr vom Ehegattensplitting, das ja auch kinderlosen Verheirateten zugutekommt. Statt einer zusätzlichen finanziellen Unterstützung für Familien ließen sich die Realleistungen ausweiten, etwa durch Ausbau einer kostengünstigen, hochwertigen Betreuung von der Kinderkrippe bis zur Ganztagsschule.

    Die Wirkungen von Kindergelderhöhungen sind in der öffentlichen Diskussion nicht unumstritten, für den Einzelnen bringen sie im Monat meist nur ein paar Euro mehr, für die Gesellschaft kostet es in der Summe hingegen viel. Wären Realleistungen nicht der bessere Weg?

    Sie wirken zumindest auf mehreren Ebenen. Familien werden damit entlastet, weil sie leichter Erwerbsarbeit und Fürsorgepflichten vereinen können. Wenn beide Partner erwerbstätig sind, erhöhen sich die Familieneinkommen, aber auch die Einnahmen des Staates durch Steuern und Abgaben. Berechnungen zeigen, dass sich staatlich geförderte Kinderbetreuung durch eine höhere Erwerbsbeteiligung vor allem der Mütter zu einem großen Teil selbst finanziert. Langfristige Auswirkungen, beispielsweise verbesserte Karrierechancen bei kürzeren Unterbrechungen der Erwerbsphase, sind dabei noch nicht einmal mitgerechnet.

    „Last der Pensionen für Beamte wird auf künftige Generationen geschoben.“

    Welche weiteren Stellschrauben bieten sich an, um für mehr Gerechtigkeit im System zu sorgen?

    Wir schlagen vor, den Kreis der gesetzlich Versicherten auszuweiten. Obwohl in den letzten Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse angestiegen ist, sank ihr Anteil an allen Erwerbstätigen seit 1992 von 77 auf 70 Prozent. Um den Generationenvertrag einzuhalten, müssen sich aber möglichst viele daran beteiligen. Daher sollten zum einen Personen, die neu ins Beamtenverhältnis kommen, in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Die Last der Pensionen für die Beamten wird bisher auf künftige Generationen geschoben. Die bereits zugesagten Zahlungsverpflichtungen der öffentlichen Arbeitgeber belaufen sich auf fast eine Billion Euro bis 2050. Dafür sind keine ausreichenden Rücklagen gebildet worden. Sinnvoll wäre es zum anderen auch, Selbständige in die gesetzliche Rentenversicherung aufzunehmen. Gerade unter ihnen befinden sich viele, die Gefahr laufen, im Alter auf eine Grundsicherung angewiesen zu sein.

    Eine solche Erweiterung des Kreises der Versicherten ändert langfristig aber nichts an der demografischen Belastung des Rentensystems.

    Das ist richtig, es kommt nur zu einer zeitlichen Verschiebung. Aber es entstünden zunächst positive Auswirkungen, weil neue zahlende Mitglieder ins System aufgenommen werden, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Rentenansprüche geltend machen. Das würde den Einfluss des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel beseitigen, der das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentnern berücksichtigt. Dadurch könnte das Rentenniveau sogar wieder leicht ansteigen und sich bis 2060 bei rund 50 Prozent einpendeln. Mittelfristig würde durch die zusätzlichen Einzahler auch der Beitragssatz absinken.

    „Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung erspart Diskussionen.“

    Der dann aber wieder steigt, wenn die zusätzlichen Versicherten ins Rentenalter kommen.

    Auch das ist richtig. Bleibt es dann bei dem erhöhten Rentenniveau, steigt er sogar stärker als ohne die neuen Mitglieder aus dem Kreis der Selbständigen und Beamten. Dem könnte die Rentenversicherung aber entgegenwirken, indem sie die zusätzlichen Einnahmen nicht sofort an die aktuellen Rentner weitergibt, sondern daraus Rücklagen für spätere Rentenansprüche bildet. Dann fällt allerdings die beschriebene Entlastung durch die zusätzlichen Einzahler weg und außerdem käme es zu einer Abkehr vom reinen Umlagesystem hin zu einem Mischsystem aus Umlage und Kapitaldeckung.

    Die beschriebenen Vorschläge zielen auf mehr Gerechtigkeit innerhalb einer Generation. Müsste sie aber nicht auch zwischen den Generationen verbessert werden?

    Eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung würde dazu beitragen, die Lasten, die von einer steigenden Lebenserwartung ausgehen, gerecht zwischen der jeweiligen Ruhestands- und Erwerbsgeneration zu verteilen. Bislang wurde die gewonnene Lebenszeit einzig und allein dem Ruhestand zugeschlagen. Mit der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre erfolgte inzwischen eine angemessene Reaktion auf das längere Leben. Eine Kopplung des Rentenbeginns an die Lebenserwartung würde endlose politische Diskussionen um künftige Anpassungen ersparen: Mit jedem hinzugewonnenen Jahr sollten acht Monate der Erwerbszeit und vier Monate der Rentenphase zugeschlagen werden.

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