Die Crux mit dem ersparten SV-Beitrag
In knapp vier Monaten tritt das Betriebsrentenstärkungsgesetz in Kraft. Es bringt mehrere zu Recht gelobte Verbesserungen, aber auch einen Sack offener Fragen. Beispielsweise zur Weitergabe der ersparten SV-Beiträge des Arbeitgebers in der Entgeltumwandlung.
Der Arbeitgeber darf nicht davon profitieren, wenn seine Beschäftigten aus eigenem Verdienst für eine Betriebsrente sparen. So lautete vor allem das Argument der Gewerkschaften während der Diskussion des Entwurfs zum Betriebsrentenstärkungsgesetz. Wenn bei der Wandlung von Entgelt weniger Sozialversicherungsbeiträge anfallen, solle das Unternehmen diese Ersparnis zusätzlich in den Betriebsrentenvertrag einzahlen.
Am Ende verständigten sich die Regierungsparteien auf einen Kompromiss: Bei der Entgeltumwandlung wird der Arbeitgeber verpflichtet, pauschal 15 Prozent des sozialabgabenfrei gewandelten Betrags zuzuschießen. Ab 2019 für alle Neuverträge, ab 2022 dann auch für alle schon bestehenden Verträge. Für eine Pauschalisierung entschied sich der Gesetzgeber aus Gründen der Vereinfachung. Kompliziert bleibt es dennoch, zumindest nach der jetzigen Rechtslage.
Was passiert, wenn die Vier-Prozent-Grenze gerissen wird?
So sind einige Fragen weiterhin unbeantwortet. Zum Beispiel für den Fall, dass mit der Entgeltumwandlung bereits vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze ausgeschöpft werden. Nur in diesem Umfang kann ein Arbeitnehmer Entgelt ohne Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen in einen Betriebsrentenvertrag stecken. Was passiert, wenn mit dem neuen gesetzlich vorgeschriebenen Zuschuss bei einem bestehenden Vertrag diese Grenze überschritten wird?
Gesetzgeber versäumte Privilegierung des Zuschusses
„Der Gesetzgeber hat es leider versäumt, den Zuschuss des Arbeitgebers aus den ersparten SV-Beiträgen zu privilegieren“, moniert Dr. Dirk Kruip, Bereichsleiter Legal bei Willis Towers Watson in Wiesbaden. „Es wäre ein Leichtes gewesen festzulegen, dass die Grenze zur Befreiung von SV-Beiträgen nach oben geschoben wird, wenn vier Prozent bereits mit den Zahlungen des Arbeitnehmers ausgeschöpft sind.“ Nach Kruips Beschreibungen bleiben für diese Konstellation drei Reaktionsmöglichkeiten. Erstens: Auf den Zuschuss fallen wegen der Grenzüberschreitung SV-Beiträge an.
Zweitens: Der Zuschuss wird in einen anderen Durchführungsweg eingezahlt, bei dem keine SV-Pflicht besteht. Zum Beispiel in eine rückgedeckte Direktzusage. „Das ist aber nicht gesetzeskonform, weil nur der gleiche Durchführungsweg vorgesehen ist“, wendet Dr. Kruip zu dieser Variante ein. Dritte Möglichkeit: Mit dem Mitarbeiter wird eine Absenkung des bisherigen Beitrages vereinbart, damit der Arbeitgeberzuschuss sozialabgabenfrei bleibt. „Das wiederum widerspräche aber der Intension des Gesetzgebers“, gibt der bAV-Rechtsexperte zu bedenken. Schließlich sei mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eine Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung beabsichtigt. Bei einer Absenkung des Arbeitnehmerbeitrags bliebe unter dem Strich aber alles beim Alten.
Kuriose Beträge auf dem Gehaltszettel
Außerdem würde die Absenkung zu kuriosen Beträgen führen, weil nicht so einfach 15 Prozent vom bisherigen Betrag abgezogen werden können. Beispiel gefällig? Der Einfachheit halber mit 100 Euro Monatsbetrag (Bei den betroffenen Verträgen ist die monatliche Einzahlung höher, weil die Beitragsfreigrenze ausgeschöpft wird.) Um auf den vorherigen Betrag zu kommen, müsste die neue Einzahlung des Arbeitnehmers dann 86,96 Euro betragen. Spätestens wenn diese Zahl auf der Gehaltsabrechnung steht, beginnt die Grübelei.
Eine Veränderung bestehender Entgeltumwandlungsvereinbarungen wäre zudem mit erheblichem Aufwand verbunden. Dr. Dirk Kruip wählt als Beispiel einen typischen Fall: „Es liegt eine Betriebsvereinbarung über Entgeltumwandlung vor. Auf dieser Grundlage wurden dann individuelle Vereinbarungen über Entgeltumwandlung getroffen. Wenn ein Arbeitnehmer eine solche Vereinbarung über vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze abgeschlossen hat, kann nicht einfach mit einer ergänzenden Betriebsvereinbarung festgelegt werden, dass alle Entgeltumwandlungsbeträge so gekürzt werden, dass die Beitragsfreigrenze nicht überschritten wird. In diesem Fall geht die individuelle Vereinbarung vor.“
Viel Kommunikation mit den Mitarbeitern erforderlich
Folge: Jede einzelne Entgeltumwandlungsvereinbarung muss geändert werden. Auf jeden Fall werde viel Kommunikation mit den Mitarbeitern erforderlich sein, mit der geklärt wird, welche Lösung in Betracht kommt. Gegebenenfalls nimmt der Arbeitnehmer auch hin, dass auf den Arbeitgeberzuschuss SV-Beiträge anfallen. Dann muss ihm allerdings klar sein, dass bei gleichbleibendem Verdienst das Nettogehalt sinkt.
Teilweise sozialversicherungspflichtige Umwandlung ist im Grunde nichts Neues. So gibt es Unternehmen, die Entgeltumwandlung bis zu vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze plus 1.800 Euro zulassen. In diesem Falle wandeln Mitarbeiter heute schon, sofern sie die zweite Komponente mit nutzen, einen Teil der Einzahlungen sozialversicherungspflichtig um.
„Das ist auch dann der Fall, wenn Arbeitnehmer- und Arbeitgebereinzahlungen zusammen die Beitragsfreigrenze überschreiten. Dann geht die Einzahlung des Arbeitgebers vor und der Arbeitnehmer läuft zumindest teilweise in die Sozialversicherungspflicht“, fügt Uwe Kettler, Director Pension Brokerage bei Willis Towers Watson, hinzu.
Nimmt die Pensionskasse das zusätzliche Geld überhaupt an?
Wenn die Beitragsfreigrenze durch den Arbeitgeberzuschuss nicht überschritten wird, ist es einfacher. „Dann kann der Arbeitgeber einfach 15 Prozent drauflegen. Die Frage ist nur, nimmt die Direktversicherung oder Pensionskasse das Geld überhaupt an?“ Damit macht Kettler auf ein weiteres Problem aufmerksam. Viele alte Verträge in der betrieblichen Altersversorgung haben einen höheren Garantiezins, zum Beispiel noch vier Prozent. Bei solchen Tarifen tun sich Versicherer erfahrungsgemäß sehr schwer, höhere Beiträge, als ursprünglich vereinbart, zuzulassen.
Erste Gespräche mit Versicherern haben gezeigt, so Uwe Kettler, dass in der Versicherungswirtschaft noch keine abschließende Meinung zum Umgang mit den höherverzinsten Altverträgen besteht. „Es könnte aber durchaus sein, dass die Versicherer eine Sonderregelung einführen, die sich ausdrücklich auf den Zuschuss bezieht, der mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz neu eingeführt worden ist“, versucht der bAV-Experte einen Ausblick.
Miniverträge werden am Ende abgefunden
Derzeit sei ohnehin noch unklar, ob diese Einzahlung unbedingt in denselben Vertrag erfolgen muss. Im Gesetz ist nur vom gleichen Durchführungsweg die Rede. Ein Versicherer, der sich gegen eine Erhöhung bestehender Verträge sträubt, setzt sich natürlich der Gefahr aus, dass sich der Arbeitgeber für die Anlage des Zuschusses einen anderen Anbieter sucht. „Zum Teil sehen die Versicherungsbedingungen auch begrenzte Möglichkeiten zur Erhöhung in bestehenden Verträgen vor“, fügt Kettler hinzu. Üblich seien mitunter 360 Euro zusätzlicher Jahresbeitrag. Damit wäre der Zuschuss für 100 oder 150 Euro monatliche Entgeltumwandlung – solche Verträge sind weit verbreitet – gedeckt.
Allerdings haben einige Versicherer ihr klassisches Versicherungsgeschäft komplett geschlossen und nehmen dafür auch keine weiteren Erhöhungen an, aus welchem Anlass auch immer. Unter diesen Bedingungen führt also gar kein Weg daran vorbei, beim gleichen oder einem anderen Versicherer für den neuen Arbeitgeberzuschuss einen neuen Vertrag einzurichten. Der Nachteil der neuen Verträge: Vergleichsweise niedrige Einzahlungen, hohe Fixkosten relativ zu den Beiträgen, geringe Leistungen. „Am Ende werden solche Miniverträge dann abgefunden und führen nicht zu einer Erhöhung der betrieblichen Altersversorgung“, nennt Uwe Kettler die misslichen Folgen.
Kommt es zur Kürzung bisheriger Zahlungen des Arbeitgebers?
Außerdem wird sich in Zukunft erst noch zeigen, welche Auswirkungen der gesetzlich vorgeschriebene Zuschuss auf schon vorhandene Arbeitgeberzahlungen hat. „Kommt es hier möglicherweise zu Kürzungen?“, fragt Dr. Kruip. Bei einer Arbeitgeberzahlung, die schon an die Entgeltumwandlung gebunden ist, kann sich der Rechtsexperte das ohne weiteres vorstellen. So legen Unternehmen noch einmal den gleichen Betrag, den der Arbeitnehmer aus seinem Gehalt aufbringt, dazu. Dieser Beitrag könnte dann um den Zuschuss aus den ersparten SV-Abgaben gekürzt werden. Bei einer reinen Arbeitgeberleistung ohne Anknüpfung an die Entgeltumwandlung hält Kruip eine Verrechnung dagegen für schwieriger.
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