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    Gesetzliche Rente

    Auf Generationen gebaut: So zahlen die Jungen für die Alten.

    Gesetzliche Rente | 12.6.2018 Drucken

    Rentenpolitik in falscher Reihenfolge

    Johannes Vogel, arbeitsmarkt- und rentenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, kritisiert die Reihenfolge der Großen Koalition in der Rentenpolitik. Sie verhalte sich wie ein Gast, der in einem Restaurant ein sündhaft teures Menü bestellt und beim Dessert darüber nachdenkt, ob und wie er das Essen bezahlen kann.

    Die Bundesregierung hat unlängst eine Kommission eingesetzt, die Vorschläge für die Rente nach 2025 entwickeln soll. Was erwarten Sie von dieser Kommission?

    Johannes Vogel MdBDer Altersdurchschnitt hat mich schon ein wenig verwundert. Bei der Rente gebietet es sich, alle Generationen in die Diskussion einzubinden. Daher ist es enttäuschend, dass Vertreter der jüngeren Generation fehlen. Positiv überrascht hat mich die wissenschaftliche Expertise, die mit Prof. Axel Börsch-Supan in die Kommission geholt wurde. Er ist einer der anerkanntesten Rentenexperten, der sich zudem kritisch zu den Entscheidungen der Regierung geäußert hat – übrigens zu Recht. Zwei spannende Fragen bleiben: Wie unabhängig ist die Kommission? Was folgt aus ihren Ergebnissen? Die Kommission wird hoffentlich notwendige Reformschritte aufzeigen, die aber wahrscheinlich dann leider erst von der nächsten Regierungskoalition umgesetzt werden.

    Sie fürchten also, dass Reformen auf die lange Bank geschoben werden?

    Vor allem die Reihenfolge kritisiere ich. Zunächst werden teure Maßnahmen zur Rente verbindlich ins Gesetz geschrieben, die weit über die laufende Legislaturperiode hinaus wirken. Danach beruft die Regierung eine Kommission, die sich Gedanken machen soll, wie das Ganze künftig bezahlt werden kann. Die Regierung verhält sich wie ein Gast, der in einem Restaurant ein sündhaft teures Menü bestellt und beim Dessert darüber nachdenkt, ob und wie er das Essen bezahlen kann.

    „Keine Rückabwicklung von Reformen“

    Welchen Ratschlag geben Sie der Kommission mit auf den Weg?

    Ich rate vor allem der Regierung: Lasst die Finger von weiterer Rückabwicklung der Konsolidierungsschritte aus der vorangegangenen Dekade. Diese wurden im Konsens zwischen damaliger Regierung und Opposition beschlossen und hatten die langfristige Finanzierbarkeit der Rentenversicherung zum Ziel. Also keine Rückabwicklung von Reformen. Stattdessen sollte sich die Kommission auf die Fragen der Zukunft konzentrieren.

    Wie lauten diese Fragen?

    Erstens: Die kapitalgedeckte Altersvorsorge muss besser werden. Daran führt angesichts der demografischen Entwicklung kein Weg vorbei. Es bringt gar nichts, sie schlecht zu reden. Wenn wir zum Beispiel mit der Verbreitung nicht zufrieden sind, müssen wir die Angebote besser machen. Zweitens sollte die Kommission über einen vollständig flexiblen Renteneintritt nachdenken. Das machen uns die skandinavischen Länder erfolgreich vor und sind damit auch erfolgreicher in der Reaktion auf die demographische Entwicklung. Wir müssen endlich wegkommen von der immer wieder neu entfachten Debatte über das „richtige“ Renteneintrittsalter – es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, dass Politiker entscheiden, wann die Menschen in Rente zu gehen haben.

    Drittens: Wie nutzen wir die Chancen der Digitalisierung und machen die Sozialsysteme fit für vielfältigere Lebensläufe, bei denen sich zum Beispiel auch Phasen als Arbeitnehmer mit Phasen der Selbstständigkeit abwechseln. Wir brauchen eine Altersvorsorge als Baukasten. Mehrere Bausteine, die sich je nach Lebensweg auch stark unterscheiden können, ergeben in Summe das Alterseinkommen. Heute kann man stattdessen noch nicht einmal seine Riester-Förderung in die Selbstständigkeit mitnehmen.

    „Transparenz kann in der Altersvorsorge ein Game-Changer sein“

    Außerdem lohnt es sich anzuschauen, über welche einfachen digitalen Hilfsmittel andere Länder wie zum Beispiel Dänemark für eine transparente Darstellung der künftigen Alterseinkünfte verfügen. Transparenz kann für die Alterssicherung ein Game-Changer sein. Heute kennt die Mehrheit der Deutschen ihr späteres Einkommen in der Rentenzeit nicht. In Dänemark nutzt eine Mehrheit das neue Angebot. Wir brauchen daher ein Online-Vorsorgekonto wie in Dänemark oder anderen Ländern, das schafft Klarheit über die Absicherung und etwaige Lücken und macht auch den Gedanken einer Altersvorsorge aus mehreren Bausteinen eingängiger.

    Bleiben wir bei der Flexibilisierung des Renteneintritts. In den Verhandlungen zu einer schwarz-gelb-grünen Koalition haben Sie einen Vorschlag dazu unterbreitet. Wie reagierten die Kollegen aus den anderen Parteien darauf? Gibt es berechtigte Hoffnungen, dass sich die Kommission ernsthaft diesem Thema widmet?

    Da bin ich skeptisch. Schon in den Jamaika-Gesprächen waren wir der einsame Rufer. Zu unserem Vorschlag, einen vollständig flexiblen Renteneintritt nach skandinavischem Vorbild einzuführen, gab es große Zurückhaltung bei den anderen beiden Parteien. In der SPD ist es nicht viel anders. Es besteht einfach zu wenig Bereitschaft für völlig neues Denken. Unser Vorschlag, das schwedische Modell zu übernehmen, wurde zwar mit Interesse zur Kenntnis genommen, aber sofort mit dem Argument abgewiesen, das sei ja eine wirklich grundlegende Veränderung. Das könne man nicht jetzt machen.

    „Rentenpolitik muss in Jahrzehnten denken, nicht in Legislaturperioden“

    Frühere Rentenreformen sind in der Regel im informellen Konsens zwischen Regierung und Opposition ausgehandelt worden. Muss man nicht befürchten, dass die Große Koalition dieses Mal die Oppositionsparteien bei der Gestaltung der Reform außen vor lässt?

    Ich verlange ja gar nicht, dass wir als Opposition in die Kommission eingebunden werden. Wenn sie vernünftige Vorschläge unterbreitet, bin ich schon zufrieden. Leider hat die Regierung, übrigens schon in der vorangegangenen Koalition, langfristiges Denken aufgegeben und verteilt stattdessen kurzfristige Wahlgeschenke. Rentenpolitik muss aber den Anspruch haben, dass sie eine langfristige Perspektive hat, während Regierungen unterschiedlicher Couleur kommen und gehen. Hier sollte der Leitsatz gelten: Politik muss in Jahrzehnten denken, nicht in Legislaturperioden.

    „Sozialpolitik, die Selbstbestimmung über den Lebenslauf zulässt.“

    Sie plädieren für die Abschaffung des fixen Renteneintrittsalters. Dafür müssten Sie allerdings auch die Arbeitgeberseite gewinnen. Sie gehört neben den Gewerkschaften gewöhnlich zu den Bremsern bei solch einem Vorschlag.

    Wir müssen Systeme modernisieren und neu denken. Das fordert mitunter den Gewerkschaften etwas ab. Aber ich habe ebenso wenig Hemmungen, den Arbeitgebern etwas abzuverlangen. Dazu gehört eine Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, die Aufstiegschancen schafft und Selbstbestimmung über den eigenen Lebenslauf zulässt. Dazu trägt ein flexibler Renteneintritt eindeutig bei. Das mag in Umstellungsphasen erstmal mehr Aufwand bescheren, weil individuelle Verhandlungen zu führen und Ausstiegsszenarien zu entwerfen sind. Aber wir sehen doch in Schweden und in Norwegen, dass ein solches System gut funktioniert. Es handelt sich also nicht um eine unlösbare Aufgabe. Im Durchschnitt steigt das effektive Renteneintrittsalter sogar an, obwohl es keine bindende Altersgrenze gibt.

    „Wir sollten schon den großen Wurf anstreben.“

    Sollte sich die Abschaffung des gesetzlichen Renteneintrittsalter nicht durchsetzen lassen, wäre dann die Kopplung des Rentenbeginns an die Entwicklung der Lebenserwartung ein Kompromiss?

    Wir sollten schon den großen Wurf anstreben. Die Umsetzung könnte über sehr breite Korridore erfolgen. Wir müssen das quälende Ringen um die Höhe des starren Renteineintrittsalters endlich beenden. Da ist doch ohnehin kein gesellschaftlicher Konsens erreichbar. Also weg von der politisch vorgegebenen Entscheidung hin zur selbst verantworteten.

    Deutschland hinkt beim Online-Rentenkonto hinterher. Andere Länder sind uns da deutlich voraus. Wie können wir endlich aufholen?

    Als Freier Demokrat plädiere ich gewöhnlich nicht für mehr Staat. Aber beim Online-Rentenkonto mache ich eine Ausnahme. Hier muss der Staat handeln. Die immer wieder vorgeschlagenen privatwirtschaftlichen Initiativen werden nicht funktionieren, weil in der Psychologie der Menschen darauf der Stempel „offiziell“ fehlt. Bei der Rente für Transparenz zu sorgen, das ist eine Kernaufgabe. Ob der Staat dieses Konto selbst führt oder es nur in Gang setzt, das ist eine ganz andere Frage. In Dänemark führt ein gemeinnütziger Verein das Rentenkonto, getragen von den privaten Akteuren. Der Staat muss aber den Fortschritt erzwingen und für einheitliche Schnittstellen und Formate sorgen.

    „Freibeträge bei der Anrechnung auf Grundsicherung erweitern.“

    An der Frage, wie Armut im Alter verhindert werden soll, scheiden sich die Geister. Die einen wollen eine Mindestrente, die anderen verweisen auf die Grundsicherung außerhalb des Rentensystems. Wofür plädieren Sie?

    Da haben wir in der Tat ein Dilemma. Alle sind sich einig: Wir brauchen für jene, die lange in die Rentenkasse eingezahlt haben, eine Lösung. Wenn nach mehreren Jahrzehnten Arbeitsleistung in Summe nicht mehr als Grundsicherung herauskommt, gerät unsere Gesellschaft in eine Zerreißprobe. Im Augenblick ist das Problem, gemessen an der Anzahl Altersarmer, zum Glück nur ein kleines. Aber um langfristig die Akzeptanz des Rentensystems zu erhalten, müssen wir etwas unternehmen. Ein Kompromissvorschlag: Die seit Beginn dieses Jahres geltenden Freibeträge für die betriebliche und private Altersvorsorge bei der Anrechnung auf die Grundsicherung im Alter werden auf die gesetzliche Rente erweitert.

    Damit bekäme ein Versicherter mit längerer Erwerbsbiografie schon mal materiell mehr als die Grundsicherung. Damit bliebe auch die Finanzierung ordnungspolitisch sauber, denn die Grundsicherung ist komplett steuerfinanziert und niemand mit großen Vermögen profitiert versehentlich. Bleibt noch das Problem, dass viele Ältere den Gang aufs Sozialamt scheuen. Das ist eine nicht zu unterschätzende psychologische Hürde. Warum gehen wir daher nicht den Weg einer Behördenkooperation? Die Rentenversicherung übernimmt die Beantragung der Grundsicherung für jene Bürger, die Rentenansprüche haben. Die Rentenversicherung weist also nicht nur auf mögliche Ansprüche in der Grundsicherung hin, wie es heute der Fall ist, sondern wird zum Ansprechpartner für die Grundsicherung und zahlt diese auch zusammen mit der Rente aus.

    „Riester für alle – auch für Selbstständige und Zick-Zack-Lebensläufe.“

    Welche Verbesserungen halten Sie in der dritten Säule der Alterssicherung für geboten?

    Drei konkrete erste Schritte. Erstens: mehr Transparenz. Trotz der Produktinformationsblätter wissen nach wie vor die wenigsten Sparer so richtig, welche Kosten die Altersvorsorge verursacht. Außerdem leuchtet mir nicht ein, warum das Zulagensystem bei der Riester-Rente nicht einfacher sein kann. Zweitens: Riester für alle – auch für Selbstständige und Zick-Zack-Lebensläufe. Drittens: höhere Renditen in der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Die Aktienquoten sind in Deutschland einfach zu niedrig. Der Staat muss die Sparer ja nicht zur Aktienanlage zwingen, aber er muss diese zumindest auch in der geförderten Vorsorge möglich machen.

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