Stimmt der Fokus bei weltweiten Indexfonds?
Viele Anleger nutzen ETFs auf die großen Indizes wie den MSCI World. Das Risiko: Die USA sind das mit Abstand wichtigste Land im Index mit einem Anteil von mehr als 65 Prozent. Das führt zu einer möglicherweise nicht gewollten US-Konzentration.
Exchange Traded Funds (ETFs) erfreuen sich als passive, in der Regel sehr simpel und kostengünstig strukturierte Investments wachsender Beliebtheit. So geht beispielsweise Salim Ramji, beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock verantwortlich für den Bereich Indexfonds, der 4,6 Billionen Euro verwaltet, davon aus, dass sich das Wachstum im ETF-Geschäft deutlich fortsetzt.
Weltweit rechnet er mit einer Verdopplung des Kapitals auf zwölf Billionen Dollar. Eine Verdopplung erwartet Ramji ebenfalls in Europa und hält hier ein Volumen von rund zwei Billionen Euro für möglich. Zum Vergleich: In Deutschland belief sich das Vermögen der in Deutschland verwalteten ETFs zum Ende des Jahres 2019 auf eine Summe von rund 152 Milliarden Euro, eine Verdopplung seit 2012.
US-Aktien mit Übergewicht
Bei den beliebten großen Indizes versprechen sich Anleger die beste Streuung und eine optimale Allokation ihres Vermögens in weltweit operierende Topunternehmen aus verschiedenen Branchen. Das Argument leuchtet ein. Der MSCI World Index besteht aus rund 1.600 Einzelwerten aus 23 Industriestaaten und gewichtet streng nach Marktkapitalisierung. Die größten Werte sind, man kann es sich denken, die großen US-Technologiekonzerne Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook. Sie gehören zu den sechs größten Unternehmen der Welt mit einer Marktkapitalisierung von 5,5 Billionen Euro. Zum Vergleich: Alle Unternehmen im deutschen Leitindex DAX zusammen haben eine Marktkapitalisierung von etwas mehr als 1,1 Billionen Euro – also rund 200 Milliarden Euro mehr als Alphabet, aber auch rund 200 Milliarden Euro weniger als Amazon.
Deutschland spielt nur eine untergeordnete Rolle
Derzeit werden 55 deutsche Unternehmen als Teil des MSCI World geführt. Bei der Indexgewichtung spielt Deutschland aber nur eine eher untergeordnete Rolle. Deutsche Unternehmen machen gerade einmal 2,79 Prozent der Indexzusammensetzung aus. Wegen ihres hohen Anteils an der weltweiten Marktkapitalisierung sind die Vereinigten Staaten das mit Abstand wichtigste Land im Index. Allein die „Big Five“ Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Facebook machen gut zwölf Prozent der Gewichtung des Weltindex aus.
Passt der große Anteil von Technologiewerten?
Das mag sich zunächst gut für ETF-Anleger anhören, da sie durch die Nachbildung der Wertentwicklung natürlich stark von der Rallye der Technologiewerte profitiert haben und dies auch so weitergehen kann. Die Digitalisierung und Veränderung der Arbeitswelt unter Nutzung neuer Technologien lassen grüßen. Auf der anderen Seite setzen sich Investoren aber auch einigen Risiken aus, denn zwangsläufig konzentrieren sie sich, um beim Beispiel des Indexfonds auf den MSCI World zu bleiben, weit überdurchschnittlich auf Technologiewerte. Das ist auch dann der Fall, wenn Technologiewerte im Allgemeinen als Growth-Aktien und diese Unternehmen im Speziellen vielleicht gar nicht zu den Wünschen beziehungsweise zur Strategie des Anlegers passen. Sei es, weil Wachstumsaktien keinen Anlageschwerpunkt darstellen oder Amazon, Apple und Co. schon durch andere Instrumente im Depot vorhanden sind und sich damit eine ungewollte Übergewichtung ergibt.
Das Dollar-Risiko kommt noch hinzu
Außerdem setzen sich Anleger gegebenenfalls einem entsprechenden US-Dollar-Risiko aus. Das kann durchaus Relevanz besitzen. Der Dollar schwächelt während der Corona-Krise. In Kombination mit den wirtschaftlichen und politischen Risiken in den USA (Stichwort Präsidentschaftswahl) sprechen Experten schon von einer Crash-Gefahr bei der wichtigsten Währung der Welt. 2020 hat der US-Dollar allein gegen den Euro schon um ca. 5,6 Prozent abgewertet.
Strategische Planung darf nicht zu kurz kommen
Investoren sollten daher ihre ETF-Positionen im Rahmen ihrer Anlageallokation genau überdenken und die USA- und US-Dollar-Konzentration kritisch betrachten. Stimmen diese mit dem eigenen Rendite-Risikoprofil überein? Ist der US-Bias in einer globalisierten Welt mit stark wachsenden neuen Playern im asiatisch-pazifischen Raum dauerhaft sinnvoll? Können US-Unternehmen im Sinne der individuellen Ausrichtung (beispielsweise bei einem ESG-Fokus) überhaupt den Schwerpunkt bilden oder schließen sie sich bei genauerer Prüfung aus? Auch wenn es einfach erscheint, in einen Indexfonds zu investieren, sollte die strategische Planung nicht zu kurz kommen. Der Anlageentscheidung sollte genügend Raum gegeben werden. Schließlich unterscheiden sich ETF nicht von anderen Instrumenten. Ein Indexfonds ist zwar ein passives Investment, aber die persönliche Allokation setzt immer eine aktive Entscheidung des Anlegers voraus.
Gastautor Dyrk Vieten ist Sprecher der Geschäftsführung der unabhängigen Vermögensverwaltung ficon Vermögensmanagement GmbH in Düsseldorf. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
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