Inflation verdient wieder Augenmerk
Trotz der aktuellen Pandemie, verbunden mit Lockdown und Ausgangssperren, ist weltweit die wirtschaftliche Prosperität in der Exportgüterindustrie ungebrochen stark.
Wenn man sich das dazugehörige Umfeld, auch mit Blick auf die Entwicklung der Inflation, etwas genauer ansieht, kommt man zu folgenden fünf Punkten, die von besonderem Interesse sind.
Erstens: China ist gegenwärtig die Lokomotive für die Weltwirtschaft. Zweitens: Die Erwartung eines sich verbessernden wirtschaftlichen Umfeldes hat dazu geführt, dass die Frachtraten für Container im vergangenen halben bis dreiviertel Jahr sich nahezu verdreifacht haben. Drittens: Für den Übersee-Warenverkehr sind alle verfügbaren Container ausgebucht. Viertens: Der Ölpreis hat sich pro Barrel gegenüber März vergangenen Jahres ebenfalls nahezu verdreifacht. Fünftens: Der Nachfrageüberhang im Konsumbereich wird dazu führen, dass Preisüberwälzungsspielräume entstehen.
Inflationsrate stieg überraschend stark
Aufgrund dieses Umfeldes sollten wir dem Thema Inflation wieder einmal ein etwas größeres Augenmerk schenken. In Deutschland ist im Januar dieses Jahres die Inflationsrate überraschend stark von minus 0,3 auf plus ein Prozent angestiegen. Ursächlich hierfür waren die Wiedererhöhung der Umsatzsteuer sowie die Einführung einer CO2-Abgabe. Hinzu kommt, dass viele Komponenten des Warenkorbs gegenwärtig nur geschätzt werden können, da aufgrund des Lockdowns der stationäre Handel (Textil, Kleidung usw.) zum Erliegen gekommen ist.
In den USA herrscht eine ähnliche Situation
An den Kapitalmärkten lässt sich bereits eine höhere Inflationserwartung erkennen. So ist schon jetzt absehbar, dass im März dieses Jahres die Inflationsraten nochmals kräftig ansteigen werden. Aufgrund der bereits stark angestiegenen Rohölpreise und anderer fossiler Energierohstoffe werden sich die Komponenten im Warenkorb, wie beispielsweise Verkehr oder Wohnen (Heizung) erheblich verteuern. Diese Komponenten machen ca. zehn Prozent des Warenkorbs aus. Die Situation in den USA sieht ähnlich aus. Auch dort muss mit einem kräftigen Auftrieb der Inflation gerechnet werden.
Unternehmen geben erhöhte Kosten weiter
Weitere Preisüberwälzungsspielräume ergeben sich zum einen aus der weltweit vorhandenen Dynamik in der Industrieproduktion und den geringer werdenden Kapazitäten bei den Logistik- und Transportunternehmen. Auch bei Vorleistungsgütern entstanden bereits Lieferengpässe. So musste bei VW, Mercedes und General Motors die Produktion gekürzt werden, da wichtige elektronische Bauteile nicht geliefert werden können. Bereits heute geben viele Unternehmen an, dass die erhöhten Kosten der Vorprodukte auf die Endprodukte aufgeschlagen werden. Verstärkt wird diese Entwicklung noch dadurch, dass aufgrund der Corona-Entwicklung die Konsumnachfrage zum Erliegen gekommen ist und diese mit dem Ende des Lockdowns sich wieder deutlich beleben und in steigenden Verbraucherpreisen ihren Niederschlag finden wird.
Reale Verzinsung seit 2011 im Minus
Die reale Verzinsung in Deutschland ist seit 2011, mit wenigen Ausnahmen, in den negativen Bereich gerutscht. Zu diesem Ergebnis gelangt man, wenn von der Rendite 10-jähriger Bundesanleihen die Inflationsrate abgezogen wird. Mit anderen Worten: Wer sein Geld 2011 in Bundesanleihen angelegt hatte, hat real jedes Jahr ca. ein Prozent seines Kapitals verloren. Natürlich muss man sich die Frage stellen, ob es sich hier um ein kurzes Inflations-Strohfeuer oder um eine nachhaltige Entwicklung handelt.
Expansive Politik der Staaten und Notenbanken
Dabei ist zu konstatieren, dass von Seiten der Industriestaaten und ihren Notenbanken derzeit nicht nur eine monetär, sondern gleichzeitig fiskalisch eine extrem expansive Politik betrieben wird. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich an, dass wir ein strukturell geändertes Inflationsumfeld bekommen. Nicht übersehen werden sollte auch die Tatsache, dass mit der De-Globalisierung und damit verbunden mit dem Lieferkettengesetz nicht nur in den Emerging-Staaten die Entwicklung bei Dumping-Löhnen zu Ende geht. Da die Digitalisierung erst allmählich anläuft, dürften preissenkende Impulse noch nicht zum Tragen kommen. Einige Analysten in den USA gehen davon aus, dass 2023 oder 2024 Inflationsraten bei sechs Prozent liegen könnten.
Staatsschulden sollen „weginflationiert“ werden
Die jüngsten Anstiege bei den Inflationsraten beiderseits des Atlantiks haben dazu geführt, dass die Renditen bei europäischen und amerikanischen Staatsanleihen leicht angestiegen sind. Die Notenbanken werden jedoch alles versuchen, den Zinsanstieg in Grenzen zu halten. Die Refinanzierung der hohen Staatsschulden muss gewährleistet bleiben. Im Gegensatz zur Inflationsentwicklung. Diese soll endlich weiter ansteigen, damit die reale Verzinsung bei den Anlegern weiter im Negativbereich verharrt. Die überbordenden Staatsschulden müssen „weginflationiert“ werden. Das Nachsehen hat wie so häufig der Sparer.
An den Aktienbörsen sind negative Einflüsse bislang ausgeblieben. Liquidität ist genügend vorhanden und sucht Anlagemöglichkeiten. Die erwarteten Preisüberwälzungsspielräume tragen zudem dazu bei, dass sich die Unternehmensgewinne zum Positiven verändern und Aktienwerte gemessen an ihren Bewertungsniveaus wieder etwas billiger werden. Es ist Zeit, sich auf höhere Inflation einzustellen.
Gastautor Gerhard Rosenbauer ist Portfoliomanager bei der Credo Vermögensmanagement GmbH in Nürnberg. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.
Nachricht an die Redaktion
Senden Sie Hinweise, Lob oder Tadel zu diesem Artikel an die DIA Redaktion.
Ausgewählte Artikel zum Thema
Machen Frauen Unternehmen erfolgreicher?
Die Frage, ob divers geführte Unternehmen erfolgreicher sind, wird von Befürwortern und Gegnern der Frauenquote kontrovers diskutiert. Eine Vielzahl von Studien weist jedoch mittlerweile auf eine Korrelation zwischen dem Anteil von Frauen im Top-Management und einer positiven Performance am Kapitalmarkt hin. Die Boston Consulting Group fand im vergangenen Jahr heraus, dass divers geführte Unternehmen an […]
Artikel lesenGewinne von Aktien realisieren oder laufen lassen?
Die anhaltende positive Entwicklung an den Kapitalmärkten, insbesondere bei Aktien, macht manchen Anlegern schon fast wieder Angst vor einem plötzlichen Einbruch. So ergibt sich die Frage, ob man den Anteil der Aktien im eigenen Portfolio reduzieren soll oder weiter mit höherer Aktienquote investiert bleibt. Zunächst sollte jeder für sich abklären, ob es sich um eine […]
Artikel lesenAktienanlage: Sparen nach Plan
Angesichts des Nullzinsumfeldes sind Aktien alternativlos. Doch sie gelten als riskant. Ein Sparplan könnte Anlegern die Angst vor der Anlageklasse nehmen. Laut einer Umfrage der Finanzaufsicht BaFin vom April vergangenen Jahres gaben 88 Prozent der Nichtsparer hierzulande an, nicht genug Geld zu haben, um etwas davon zurückzulegen. Gleichzeitig meinte rund die Hälfte der Befragten, dass […]
Artikel lesen