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    Einkommen & Vermögen

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    Einkommen & Vermögen | 27.1.2016 Drucken

    Der Mindestlohn ist das falsche Werkzeug

    Ein Jahr nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns räumt Prof. Dr. Oliver Holtemöller von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Gespräch mit den optimistischen Zwischenbilanzen der Mindestlohn-Befürworter auf.

    Der Mindestlohn verbessere weder die Chancengleichheit noch die Prävention gegen Altersarmut. Statt der ständigen verteilungspolitischen Eingriffe sollte die Politik an den wahren Ursachen niedriger Einkommen ansetzen.

    Oliver Holtemöller - Der Mindestlohn ist das falsche WerkzeugVom Einkommen im Erwerbsleben hängt maßgeblich die spätere Altersversorgung ab. Hat Deutschland mit dem Mindestlohn, der nunmehr vor einem Jahr eingeführt worden ist, die Prävention gegen Altersarmut erkennbar gestärkt?

    Armut im Alter ist eine Folge von Armut im Erwerbsleben beziehungsweise geringen Einkommen und Zeiten ohne Beschäftigung. Diese Gründe werden durch den Mindestlohn nicht beseitigt. Menschen, die den Mindestlohn erhalten, beziehen immer noch ein sehr niedriges Einkommen. Viele, die im Alter von Armut betroffen sind, waren nur wenige Stunden pro Tag oder zeitweise gar nicht beschäftigt. Mit dem Mindestlohn lässt sich Altersarmut insgesamt nicht bekämpfen.

    Arbeitnehmer in den unteren Einkommensschichten erhalten zwangsläufig im Alter auch nur eine niedrige gesetzliche Rente. Hat sich die finanzielle Situation dieser Erwerbsgruppe und damit ihre Fähigkeit, Altersvorsorge zu betreiben, durch den Mindestlohn zumindest verbessert?

    Es gibt ohne Frage Arbeitnehmer, die durch den Mindestlohn nun auf einen höheren Stundenlohn kommen. So lange sich die Arbeitszeit nicht verändert hat, resultiert daraus ein positiver Effekt für das persönliche Einkommen. Wie sich dies jedoch auf das Haushaltseinkommen insgesamt auswirkt, hängt von der Konstellation im jeweiligen Haushalt ab. Vielfach entfallen im Gegenzug Aufstockungsleistungen. So besitzen zum Beispiel Singles, die in Vollzeit arbeiten, auch bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro immer noch einen geringen Anspruch auf einen Aufstockungsbeitrag. Für diese Gruppe entsteht also gar kein nennenswerter Einkommenseffekt. Daher verbessert sich auch ihre Situation für den Aufbau der Altersvorsorge nicht nennenswert.

    „Es ist zu früh für eine Bilanz der Beschäftigungseffekte.“

    Die Protagonisten des Mindestlohns verweisen auf den Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen, weil aus Minijobs reguläre Arbeitsplätze wurden. Dadurch fließen doch zumindest mehr Beiträge in die Kasse der gesetzlichen Rentenversicherung.

    Es gibt natürlich Fälle, in denen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt worden sind. Dort tritt eine Verbesserung der sozialen Absicherung ein. Wir wissen aber bislang noch gar nicht, in welchem Umfang das stattgefunden hat. So lange keine aussagekräftigen Untersuchungen dazu vorliegen, bleibe ich skeptisch. Die Branchen- und Regionalverteilung dieser neuen Stellen passt nicht eins zu eins zu den weggefallenen Minijobs bzw. zur Mindestlohnbetroffenheit. Die meisten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse sind in Bayern und Baden-Württemberg entstanden. Dort waren aber vergleichsweise wenige Menschen vom Mindestlohn betroffen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Branchen. Wir sehen beispielsweise einen Aufbau von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung im Gastgewerbe. Dieser Trend existiert allerdings schon seit längere Zeit. Das dürfte kein Effekt des Mindestlohns sein. In dieser Branche hat im vergangenen Jahr gleichzeitig die Anzahl der Minijobs zugenommen.  Insgesamt ist es zu früh, eine Bilanz zu den Beschäftigungseffekten des Mindestlohns zu ziehen.

    „Die Daten geben Anlass, am positiven Effekt des Mindestlohns zu zweifeln.“

    Sie zweifeln also erheblich am positiven Effekt des Mindestlohns, den viele Politiker ins Schaufenster stellen?

    Dazu geben die Daten Anlass. Wir sehen zum Beispiel durch die Erhebungen des Statistischen Bundesamts, dass die durchschnittliche Wochenarbeitszeit Ungelernter in vielen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, zurückgegangen ist. Diese Arbeitnehmer haben nun zwar einen höheren Bruttostundenlohn, arbeiten aber weniger Stunden. Allein aus dem höheren Bruttostundenlohn und aus der Tatsache, dass die Betroffenen nicht arbeitslos geworden sind, lässt sich nicht automatisch ableiten, dass sie wirklich ein höheres Einkommen haben. Hinzukommt, dass Aufstockungsleistungen weggefallen sind.

    Der Mindestlohn ist Ihrer Meinung nach also ein ungeeignetes Werkzeug, um die Chancengleichheit zu verbessern.

    Niedrige Einkommen sind vor allem auf drei Ursachen zurückzuführen: geringe Bildung und Qualifikation, gesundheitliche Beeinträchtigungen und unzureichende Kinderbetreuung für Alleinerziehende. Das sind statistisch gesehen die wichtigsten Gründe. Dort muss man ansetzen. Die geringe Qualifizierung hängt häufig schon mit Defiziten in der frühen Kindheit zusammen: mit dem Spracherwerb und der Entwicklung der Selbstkontrolle. Dafür werden bis zum vierten Lebensjahr die Grundlagen gelegt. Deutschland ist bei der frühkindlichen Bildung aber noch nicht weit genug. Es existieren zwar einzelne Projekte, insgesamt mangelt es aber an einer Systematik im großen Stil. Außerdem liegt in einigen Regionen, zum Beispiel in Ostdeutschland, die Schulabbrecherquote sehr hoch. Schulabbrecher haben denkbar ungünstige Voraussetzungen für ein Erwerbsleben, in dem ausreichend Einkommen generiert und fürs Alter vorgesorgt werden kann.

    „Langfristig angelegte Projekte bleiben in der Politik auf der Strecke.“

    Gute Bildung ist die wirksamste Altersvorsorge, da sind wir vollkommen einer Meinung. Hier ist sowohl die Bildungspolitik als auch jeder einzelne gefordert. Aber Sie nannten noch zwei weitere Faktoren.

    Bei den gesundheitlichen Problemen muss man unterscheiden zwischen vermeidbaren und unvermeidbaren. Die vermeidbaren sind durchaus auch auf mangelndes Lebensbewusstsein zurückzuführen, zum Beispiel in der Ernährung. Durch mehr Prävention im Zusammenhang mit Verbesserungen in der Bildung könnten auch hier Veränderungen erreicht werden. Für die Kinderbetreuung besteht zwar ein Rechtsanspruch, besonders die neuen Bundesländer leisten eine gute quantitative Versorgung, die Frage ist nur, ob die angebotene Versorgung auch mit den Bedürfnissen der Eltern übereinstimmt. Alleinerziehenden nutzt es wenig, wenn der Kindergarten von 7 bis 16 Uhr geöffnet ist, sie aber im Krankenhaus im Schichtdienst arbeiten.

    Die Folgen unzureichender Bildung streitet kaum jemand ab. Dennoch setzen die Parteien vor allem auf Instrumente aus dem verteilungspolitischen Werkzeugkasten. Warum spielt der Zusammenhang zwischen Investitionen in eine gute Bildung und einer ausreichenden Altersvorsorge in der Politik nach wie vor eine solch untergeordnete Rolle?

    Es gibt einfach Themen, mit denen man im politischen Tagesgeschäft leichter Gehör findet. Langfristig angelegte Projekte bleiben daher eher auf der Strecke. Kinder und Jugendliche, die von einer verbesserten Bildung profitieren, sind noch nicht wahlberechtigt. Die politische Rendite zeigt sich erst viel später. Wenn wir heute mehr Geld für die frühkindliche Bildung ausgeben, schlägt sich das frühestens in 20 Jahren im Volkseinkommen nieder. Solche Zeithorizonte liegen außerhalb des Betrachtungszeitraums gewählter Verantwortungsträger. Von denen ist in 20 Jahren niemand mehr im Amt. Ihr Augenmerk richtet sich auf die nächste Wahl. Da sind andere Gruppen wichtiger. Schon bei der letzten Bundestagswahl stammte fast jede zweite Wählerstimme von den über 60-Jährigen. Deren Interessen bekommen dann auch ein höheres Gewicht in der Politik. Das Rentenpaket der Großen Koalition ist das beste Beispiel dafür.

    Die Fragen stellte Klaus Morgenstern.


    Oliver Holtemöller hat Volkswirtschaftslehre, Angewandte Mathematik und Praktische Informatik an der Justus-Liebig-Universität Gießen studiert. Die Promotion erfolgte 2001 an der Freien Universität Berlin. Von 2003 bis 2009 war er Juniorprofessor für Allgemeine Volkswirtschaftslehre an der RWTH Aachen. Seit August 2009 ist er Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Makroökonomik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Leiter der Abteilung Makroökonomik am Institut für Wirtschaftsforschung Halle  (IWH).


     

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