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    Demographie

    In die Zukunft geschaut: So altert und schrumpft unser Land.

    Demographie | 9.9.2014 Drucken

    Nachwuchs ohne Trauschein

    Die Frage taugt fürs TV-Quiz: Wie viele Kinder in den neuen Bundesländern werden nichtehelich geboren? Instinktive Antwort: Auf jeden Fall mehr als im Westen.

    Die tatsächlichen Zahlen werden wohl nur die Fachleute annähernd treffen, denn diese überraschen schon ein wenig.

    Nachwuchs ohne TrauscheinIn den neuen Ländern machen die Geburten ohne Trauschein einen Anteil von 59 Prozent aus und sind damit klar in der Überzahl. In den alten Bundesländern liegt ihr Anteil mit 28 Prozent dagegen noch nicht einmal halb so hoch. Diese Zahlen stammen aus dem Jahr 2012, jüngere Daten gibt es noch nicht. Aber das macht auch nichts, weil sich daran so schnell nichts ändern wird. Darauf machte das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock (MPIDR) kürzlich aufmerksam. Die deutsche Teilung im Geburtengeschehen ist nämlich kein DDR-Phänomen, das 25 Jahre nach dem Fall der Mauer verblasst, sondern besitzt historische Wurzeln, weit vor 1945.

    Entwicklung reicht bis in das 18. Jahrhundert zurück

    Das belegt Sebastian Klüsener, Wissenschaftler am MPIDR, mit einer Untersuchung, deren Ergebnisse im Wissenschaftsjournal „Population, Space and Place“ veröffentlicht wurden. Klüsener hat dafür die Daten zu den nichtehelichen Geburten in Deutschland in den zurückliegenden 350 Jahren ausgewertet. Damit kann er belegen, dass erste Unterschiede bereits im 18. Jahrhundert auftraten. Sie weiteten sich dann in den folgenden Jahrhunderten deutlich aus. Im späten 19. Jahrhundert lag in weiten Teilen Westdeutschlands der Anteil der nichtehelichen Geburten zwischen zwei und acht Prozent. Im Gebiet des heutigen Ostdeutschlands hingegen erblickten zwölf Prozent aller Kinder ohne vorherige Hochzeit ihrer Eltern das Licht der Welt.

    Ab 1945 nahmen die Unterschiede deutlich zu

    Diese Quote stieg dann in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Bereich der künftigen DDR auf bis zu 18 Prozent an. Im Westen hingegen erhöhte sie sich lediglich auf neun Prozent. Während der Zeit des Hitler-Regimes gab es zwar wieder einen Rückgang, weil die nationalsozialistische Familienpolitik verheiratete Paare bevorzugte, die Differenz zwischen Ost und West blieb aber auch in dieser Phase bestehen. 1937 betrug der Anteil nichtehelicher Geburten im Westen durchschnittlich sechs Prozent, im Osten dagegen zehn Prozent. Nur Bayern machte beim Ost-West-Gefälle eine Ausnahme. Zwischen 1945 und 1990 verstärkte sich der Unterschied dann noch einmal erheblich wegen der abweichenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen.

    „Die lange Geschichte dieser Unterschiede lässt vermuten, dass sie nicht innerhalb der nächsten Jahrzehnte verschwinden werden“, prognostiziert Sebastian Klüsener. Ungeachtet dessen bleibt natürlich die Frage: Warum entwickelten sich Ost und West in der Vergangenheit so verschieden? Demograf Klüsener liefert dafür eine Erklärung. Während die ostdeutsche Landwirtschaft durch verstreute Gutshöfe mit vielen landlosen Saisonarbeitern geprägt war, dominierten im Westen bäuerliche Dorfstrukturen und kleine Familienbetriebe. Letzteres war ein natürliches Hemmnis für nichteheliche Kinder, damit bei der Vererbung der Höfe kein Streit ausbricht.

    Preußisches Recht stellte nichteheliche Kinder besser

    Auch die Religion spielte eine Rolle. Bereits im 19. Jahrhundert wandten sich größere Bevölkerungsteile Ostdeutschlands von religiösen Riten ab. Dadurch schwand der Einfluss der Kirche, um die von ihr bevorzugte eheliche Geburt zu fordern. Außerdem stellte die Gesetzgebung, darauf verweist das Max-Planck-Institut ebenfalls, bis 1900 nichteheliche Kinder ostdeutscher Mütter besser. Wenn zum Beispiel im Rheinland der Vater eines nichtehelich geborenen Kindes die Vaterschaft nicht anerkennen wollte, war es der Mutter verboten, eine gerichtliche Feststellung zu erreichen. Das preußische Recht, das in weiten Teilen Ostdeutschlands galt, räumte der Mutter dagegen die Möglichkeit ein, vor Gericht materielle Unterstützung für das Kind einzufordern.

    Eher wird der Westen zum Sonderfall

    Derartige Unterschiede in der Rechtslage gibt es nicht mehr, aber einiges im Osten ist dennoch weiterhin anders: die Mütter sind jünger, häufiger arbeits- und konfessionslos. Sebastian Klüsener hat diese und noch weitere Unterschiede herausgerechnet. Aber auch dann blieb die Neigung zum nichtehelichen Kind in den neuen Ländern deutlich höher als in den alten. Daher seine Schlussfolgerung: Selbst wenn sich die wirtschaftliche Situation und der Anteil der Konfessionslosen angleichen, bleiben die Unterschiede im Geburtenverhalten bestehen. Stattdessen werde eher der Westen als der Osten zu einem Sonderfall. „Ein niedriger Anteil nichtehelicher Geburten wie in den alten Bundesländern wird im europäischen Vergleich immer mehr die Ausnahme“, stellt Klüsener fest.

    Zwar sei die Quote auch im Westen in den letzten Jahrzehnten gestiegen, weil rechtliche Benachteiligungen für nichtehelich geborene Kinder abgebaut wurden. „Die nichtehelichen Geburten dürften in den alten Bundesländern aber auch in Zukunft hinter dem Europatrend zurückbleiben, solange die Ehe als Strategie zur materiellen Absicherung für Frauen wichtig bleibt“, schätzt Klüsener. Schließlich gebe es in Westdeutschland besonders hohe Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen. Das deutsche Steuersystem verfestige diese über den Hebel des Ehegattensplittings, das gleichzeitig die Ehe subventioniere.

    Bayern machte früher eine Ausnahme

    Kein Trend ohne Ausnahme. Ein Blick auf die Karte von 1937 zeigt: Bayern spielt wieder einmal eine Sonderrolle. Den Auswertungen des Max-Planck-Instituts für demografische Forschungen zufolge gab es bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts auch in Bayern einen ziemlich hohen Anteil nichtehelicher Geburten. Mitunter fielen sie sogar höher aus als in einigen Gebieten des heutigen Ostdeutschlands. Sebastian Klüsener macht als Ursache dafür eine spezielle Erbtradition im Freistaat aus. Danach sollte ein bäuerlicher Erbe erst dann heiraten, nachdem er im Alter von 34 Jahren den Hof seines Vaters übernommen hat. So lange wollten viele Paare aber mit dem Nachwuchs nicht warten. Daher bekamen sie häufig schon vor der Ehe Kinder.

    Für das Erbe erwuchsen daraus keine Komplikationen, denn diese Kinder waren im bayerischen Erbrecht den ehelichen Kindern gleichgestellt. Was in den Reihen der vermögenden Bauern akzeptiert war, fand auch in den unteren Schichten Verbreitung, auch dort war der Anteil nichtehelicher Geburten groß. Inzwischen fällt Bayern aber nicht mehr aus dem (westdeutschen) Rahmen. Heute rangiert der Anteil nichtehelicher Geburten mit 27 Prozent nur knapp unter dem Durchschnitt der übrigen alten Bundesländer (28 Prozent).

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