Wenn die Psyche ein Schnippchen schlägt
Viele Menschen wissen eigentlich, dass sie Geld fürs Alter zurücklegen sollten. Aber nur ein Teil von ihnen spart tatsächlich für die Rente. Mitunter fehlt das Geld dafür. Häufig schlägt ihnen aber einfach die eigene Psyche ein Schnippchen. Das zeigt ein Ausflug in die Welt der Verhaltensweisen.
Umfragen belegen eines immer wieder: Die Einsicht, dass die Rente nicht reichen wird, führt keineswegs folgerichtig zu ergänzender Altersvorsorge. Das scheitert häufig nicht zuallererst am Portemonnaie, sondern im Kopf.
Die Absicherung des Alters reicht in eine ferne Zeit. Mit Zeit und Geld gehen Menschen aber mitunter recht eigenartig um. Das zeigen Experimente. Eine Gruppe von Personen wird vor folgende Wahl gestellt: Nach zwölf Monaten Wartezeit bekommen sie 100 Euro. Warten sie dagegen 13 Monate, gibt es 150 Euro. Die meisten werden sich dann, so die Erfahrung, für den größeren Betrag nach 13 Monaten entscheiden.
Ganz anders fällt der Entschluss dagegen aus, wenn sie vor die Alternative gestellt werden, 100 Euro sofort oder 150 Euro in einem Monat. Dann wählt die Mehrheit die 100 Euro, die es sofort auf die Hand gibt. Der zeitliche Unterschied ist bei beiden Experimenten der gleiche. Für einen Monat mehr Wartezeit erhöht sich der Betrag um 50 Prozent. Dennoch verhalten sich die meisten Menschen in diesen vergleichbaren Situationen entgegengesetzt. Sie verhalten sich, so die Bezeichnung der Fachleute, zeitinkonsistent.
Heutiger Konsum erscheint attraktiver
Genau dieses Phänomen wirkt auch bei der Altersvorsorge. Der heutige Konsum wird als viel attraktiver angesehen als der Konsum im Alter. Daher wird das Sparen fürs Alter als weniger wichtig eingeschätzt, obwohl die jeweiligen Personen eigentlich wissen, dass sie das Geld im Alter benötigen und diese Entscheidung wahrscheinlich bereuen werden. Der künftige Konsum wird dennoch „diskontiert“, mit einem Faktor kleiner als eins gewichtet. Daher gibt es für dieses Verhalten auch den Fachbegriff „zeitinkonsistente“ oder „hyberbolische Diskontierung“. In einfachen Worten ausgedrückt: Auf kurze Sicht verhalten sich Menschen sehr ungeduldig. Sie nehmen dann auch ein schlechteres Ergebnis in Kauf (Verzicht auf 50 Euro im geschilderten Beispiel). Je länger der Zeitraum hingegen, desto größer ist ihr Langmut. Dann wird auch eine geringere Kompensation für längeres Warten akzeptiert.
Mit einer Immobilie das Sparen lernen
Dieses Verhalten kollidiert mit dem Vorsatz, Altersvorsorge zu betreiben. Schließlich muss der Konsumverzicht heute geübt werden. Deswegen funktioniert zum Beispiel Altersvorsorge mit Immobilien deutlich besser als zum Beispiel die Bildung von reinem Geldvermögen. Beim Sparen oder Tilgen für eine Immobilie erhalten die auf die Gegenwart Fokussierten bereits eine erlebbare Belohnung. Sie können heute schon in das eigene Haus oder die eigene Wohnung einziehen. Damit ist die Verpflichtung, über Jahre, ja sogar Jahrzehnte hinweg Geld statt in den Konsum in die Immobilienfinanzierung zu stecken, leichter zu „ertragen“. Untersuchungen haben zudem ergeben, dass Immobilienbesitzer im Alter trotz der Tilgungsleistungen für das Haus oder die Wohnung im Vergleich zu Menschen ohne eigenes Heim über mehr Geldvermögen verfügen. Sie haben mehr und besser gespart.
Prämie für den Verzicht auf die naheliegende Präferenz
Aber es gibt auch andere Wege, das zeitinkonsistente Verhalten in der Altersvorsorge zu überwinden oder auszuschalten. Die extremste Form ist eine verpflichtende Absicherung. Das geschieht zum Beispiel bei der gesetzlichen Rente oder bei berufsständischen Versorgungswerken. Der entsprechende Personenkreis wird automatisch Mitglied und hat gar keine Wahl. Die zeitinkonsistente Diskontierung kann aber auch durch eine ausreichend hohe Prämie für den Verzicht auf die „naheliegende“ Präferenz, also auf den heutigen Konsum, überwunden werden. Nach dieser Idee ist die staatliche Förderung zum Beispiel bei der Riester-Rente konzipiert. Zwischen den beiden Polen Pflicht und Prämie liegen sogenannte Opting-out-Konzepte in der betrieblichen Altersversorgung. Dabei erfolgt zunächst eine automatische Aufnahme in einen Sparvertrag. Diesem kann widersprochen werden. Der Widerspruch fällt allerdings häufig wegen der Trägheit der Betroffenen aus.
Nachricht an die Redaktion
Senden Sie Hinweise, Lob oder Tadel zu diesem Artikel an die DIA Redaktion.
Ausgewählte Artikel zum Thema
Finanzverhalten: Früh übt sich
Die vermeintlich oder tatsächlich geringe Finanzbildung von Kindern und Jugendlichen, sprich von Schülern, ist immer wieder ein kontrovers diskutiertes Thema. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat nun untersucht, inwieweit Eltern und Schule Einfluss darauf haben, wie Kinder später als Erwachsene mit Geld umgehen können. Frühe Bildung hilft, später besser mit seinen persönlichen Finanzen zurechtzukommen […]
Artikel lesen„Mit sanftem Zwang“ zur Altersvorsorge?
Die Idee einer „Deutschland-Rente“ hat die Debatte zur Alterssicherung hierzulande sichtlich beflügelt. Doch wie weit kann das neue Rentenkonzept tragen und letztlich Altersarmut entgegenwirken und das womöglich schon als Teil der nächsten Rentenreform? „Altersvorsorge – kein Durchbruch ohne sanften Zwang?“ Darüber diskutierte am 5. Juli in der DIA-Lounge in Berlin der hessische Finanzminister Dr. Thomas […]
Artikel lesenSparmotive ändern sich mit der Zeit
Alles im Leben hat seine Zeit. Deshalb ist es wenig überraschend, dass sich hierzulande auch in punkto Sparen, Vorsorge oder Vermögen der Stellenwert unterschiedlicher Sparmotive zwischen den einzelnen Altersgruppen verändert. So zeigt die im März 2013 von der Deutschen Bundesbank präsentierte Studie „Panel on household finances“ (PHF) zwischen den alterstypischen Referenzgruppen deutliche Verschiebungen der Sparmotive. […]
Artikel lesenAltersvorsorge: Motive gibt es genug
Für viele Menschen ist Altersvorsorge ein wichtiges Thema. Bereits seit Jahren verbreitet sich die Erkenntnis immer weiter, dass ohne eigene Sparbemühungen bei der Lebensqualität im Alter deutliche Einschränkungen drohen. Dennoch stellt sich die Frage, welche Aspekte die Deutschen am ehesten dazu bewegen, für ihre Altersvorsorge zu sparen. Eine aktuelle Studie gibt Antworten. Sparer brauchen einen […]
Artikel lesen