Neuer Schub für Betriebsrenten
Noch bis zum 24. November können Verbände, Gewerkschaften und Einrichtungen im Anhörungsverfahrens ihre Stellungnahmen zum Betriebsrentenstärkungsgesetz abgeben.
Sie hatten damit drei Wochen Zeit zur Prüfung. Anschließend geht der Gesetzentwurf ins Kabinett. Das Gesetz sieht eine Reihe von Neuregelungen für Betriebsrenten vor und wird von Experten mit den Reformen verglichen, die 2002 in Kraft traten.
Auffälligste Neuerung ist die Einführung einer reinen Beitragszusage im Rahmen des sogenannten Sozialpartnermodells als neue Zusageform in der betrieblichen Altersversorgung. Die Beitragszusage muss entweder durch einen Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages geregelt werden. Mit Letzterem erhalten auch nicht tarifgebundene Unternehmen die Möglichkeit, eine reine Beitragszusage anzubieten. Die Beiträge können an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung geleistet werden.
Per Tarifvertrag müssen bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehört die Beteiligung der Tarifparteien an der Einführung, Implementierung und Durchführung der Betriebsrente auf Basis einer reinen Beitragszusage. Dies kann entweder im Rahmen gemeinsamer Einrichtungen oder in einer anderen vom Tarifvertrag vorgeschriebenen Art und Weise erfolgen. Denkbar ist zum Beispiel die Vertretung der Sozialpartner im Aufsichtsrat der durchführenden Versorgungseinrichtung.
Zur Absicherung der reinen Beitragszusage soll im Tarifvertrag ein zusätzlicher Sicherungsbeitrag vorgesehen werden, der Schwankungen der Leistungen abfedert. Erfolgt die Finanzierung durch Entgeltumwandlung, muss der Arbeitgeber mindestens 15 Prozentpunkte der ersparten Sozialabgaben an die Versorgungseinrichtung weiterleiten. Im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sind ergänzende Vorschriften für die reine Beitragszusage vorgesehen. Der neue Teil 4a des VAG und eine Verordnung definieren die Mindestanforderungen für diese Zusage. So dürfen darin keine Garantien enthalten sein und nur lebenslange Zahlungen gewährt werden. Das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital darf ausschließlich für Rentenzahlungen eingesetzt werden. Einmalige Kapitalabfindungen sind damit nicht erlaubt.
Weitere Details soll eine folgende Rechtsverordnung regeln: Wie muss die lebenslange Zahlung ermittelt und angepasst werden? Wie muss das Risikomanagement gestaltet sein? Welche Informationspflichten sind gegenüber den Anwärtern und Rentnern zu erfüllen? Welche Daten sind an die Aufsichtsbehörde zu übermitteln? Die darüber hinausgehenden Details der Ausgestaltung legen die Tarifpartner selbst fest.
Betriebsrenten ohne Garantie
Bei der reinen Beitragszusage ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, die vereinbarten Finanzierungsbeiträge an den Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Lebensversicherung zu zahlen, die mit der Durchführung beauftragt wurde. Er muss keine Garantien über die künftige Leistungshöhe übernehmen, allerdings bestimmte Informationspflichten erfüllen. Der Arbeitnehmer hat daher nur Anspruch auf Zahlung dieser Finanzierungsbeiträge. Die daraus entstehende Anwartschaft ist sofort unverfallbar. Nach Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer die Versorgung mit eigenen Beiträgen fortsetzen oder das angesammelte Versorgungskapital zu einem neuen Arbeitgeber übertragen.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz schafft zudem die Grundlagen für die rechtssichere Einführung von betrieblichen Systemen automatischer Entgeltumwandlung mit einer Opting-out-Klausel für die Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tarifverträgen. Die Tarifparteien können die Arbeitgeber in ihrem Zuständigkeitsbereich zur Einführung solcher Systeme verpflichten oder ihnen zumindest dafür die Möglichkeit einräumen. Das Gesetz enthält nur wenige Vorgaben zur Ausgestaltung von Opting-out-Systemen. Die Tarifparteien erhalten somit großen Gestaltungsspielraum. Lediglich Vorgaben zu den Mindestfristen, die den Arbeitnehmern ausreichend Zeit zur Prüfung und Entscheidung lassen sollen, und zu Mindestanforderungen für Form sowie Inhalte werden gemacht.
Förderung für Geringverdiener
Neben dem neuen Sozialpartnermodell sieht das Betriebsrentenstärkungsgesetz Verbesserungen bei den steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen vor. So soll es ab 2018 einen bAV-Förderbeitrag für Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen geben. Sofern ein Arbeitgeber zusätzlich zum Entgelt und zu anderen bisherigen Arbeitgeberbeiträgen pro Jahr mindestens 240 Euro an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung zahlt, erstattet ihm der Staat davon 30 Prozent (maximal 144 Euro). Dieser Zuschuss wird im Zuge des Lohnsteuerverfahrens verrechnet. Er gilt nur für arbeitgeberfinanzierte bAV, Zahlungen aus Entgeltumwandlung werden nicht begünstigt.
Für den bAV-Förderbeitrag gelten Einkommensobergrenzen: Die Förderung wird nur für Arbeitnehmer gewährt, deren Einkommen im Monat 2.000 Euro nicht übersteigt. Vertriebskosten dürfen für diese geförderte bAV nur als fester Anteil der laufenden Beiträge erhoben werden. Eine Zillmerung oder Teilzillmerung, bei der vorab schon ein größerer Teil der Vertriebskosten belastet wird, ist nicht gestattet.
Verbesserungen für die Riester-Rente
Der steuerfreie Dotierungsrahmen wird mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz erhöht. Bisher dürfen vier Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der Gesetzlichen Rentenversicherung West steuer- und sozialabgabenfrei sowie weitere 1.800 Euro steuer-, aber nicht sozialabgabenfrei pro Jahr in eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung eingezahlt werden. Dieser Rahmen wird auf sieben Prozent der BBG West erhöht. Der feste Betrag von 1.800 Euro entfällt im Gegenzug. Auf der Grundlage der Werte für 2017 ergäbe sich daraus eine Anhebung um 486 Euro für die steuerfreie Dotierung. Sozialabgabenfrei bleiben aber weiterhin nur vier Prozent der BBG.
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wird zugleich die Grundzulage für die Riester-Förderung von 154 Euro pro Jahr auf 165 Euro jährlich angehoben. Für die betriebliche Riester-Rente entfällt zudem in der Auszahlungsphase die Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Sie wird damit genauso behandelt wie die privat durchgeführte Riester-Rente.
Entschärfung bei der Grundsicherung
Nachträgliche Einzahlungen in bAV-Verträge werden künftig durch zwei neue „Vervielfältigungsregeln“ vereinfacht. Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus und möchte die aus diesem Anlass erhaltene Abfindung in einen Betriebsrentenvertrag einbringen, so darf er für jedes Dienstjahr (maximal zehn Jahre) einen Betrag in Höhe von drei Prozent der BBG West lohnsteuerfrei einzahlen. Für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruhte, erlaubt der Gesetzgeber künftig sogar sieben Prozent für jedes Jahr. Allerdings gilt auch hier eine Begrenzung auf zehn Jahre.
Bei der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung werden künftig 100 Euro monatlich aus einer zusätzlichen Altersversorgung nicht mehr angerechnet. Außerdem bleiben 30 Prozent des übersteigenden Betrages von der Anrechnung auf die Grundsicherung verschont. Als zusätzliche Altersvorsorge gelten: Betriebsrenten, private Riester-Renten oder Basisrenten sowie Rentenbeträge, die aus Zeiten freiwilliger Beitragszahlung in der Gesetzlichen Rentenversicherung entstanden sind. Dabei muss es sich um lebenslange Renten ohne Kapitalwahlrecht handeln.
Der weitere Fahrplan für das Betriebsrentenstärkungsgesetz: Ende November Sichtung der Rückmeldungen aus der Verbändeanhörung / Dezember 2016 Behandlung im Kabinett (wahrscheinlich am letzten Sitzungstag im laufenden Jahr) / März-April 2017 parlamentarische Beratung / Verabschiedung voraussichtlich nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.
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