Impulse für bAV-Neulinge
Für Unternehmen, die aus Haftungsgründen und möglicherweise wegen der drohenden Anrechnung auf die staatliche Grundsicherung für Niedrigverdiener bislang keine betriebliche Altersversorgung (bAV) angeboten haben, bietet die angedachte bAV-Reform interessante Antworten. Zu dieser Einschätzung gelangt eine Befragung von Willis Towers Watson.
Die neue Zusageform der reinen Beitragszusage, bei der für die Arbeitgeber nur noch die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen bestehen soll, und die neuen Freibeträge bei der Grundsicherung sind für die deutsche Altersversorgung fundamental neue Instrumente. Weniger positiv fällt allerdings das Fazit der Unternehmen aus, die bereits betriebliche Pensionspläne anbieten. Sie sehen die bAV-Reform jedoch im Ergebnis zumindest überwiegend neutral. Das geht aus der Umfrage unter 107 bAV-Verantwortlichen aus Unternehmen in Deutschland hervor. Ein Großteil der Unternehmen mit bAV (61 Prozent) geht nämlich davon aus, dass das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz die bAV „weder stärken noch schwächen“ wird.
„Die Reform geht an einigen wichtigen Stellen – etwa mit dem Angebot einer reinen Beitragszusage, den neuen Freibeträgen bei der Grundsicherung, dem Bekenntnis zur Riesterförderung oder auch der Komplexitätsreduktion bei einzelnen steuerlichen Regelungen – in die richtige Richtung. Praktisch wichtige Änderungen für das bestehende bAV-System stehen jedoch nicht im Fokus und bleiben aus – das wird von den Unternehmen bemängelt“, erklärt Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson.
Unternehmen mit bAV sehen andere Probleme
Hauptzielgruppe des Gesetzes sind die Unternehmen, die bislang noch keine bAV anbieten. Die Unternehmen, die sich – zum Teil bereits seit langem – in der Altersvorsorge engagieren, fühlen sich durch die Reform eher nicht abgeholt. Auch das zeigen die Umfrageergebnisse. „Dies ist zunächst nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass der Fokus der Reform gerade nicht in der Verbesserung bestehender bAV-Systeme, sondern in der Schaffung von Anreizen für eine weitere Verbreitung der bAV, das heißt für die Erteilung neuer bAV-Zusagen, besteht“, so Reiner Schwinger weiter.
Folgender Aussage stimmen lediglich sieben Prozent zu: „Die für mein Unternehmen relevanten Probleme werden durch das Reformpaket adressiert.“ Der überwiegenden Mehrheit hilft die Reform nicht (51 Prozent) oder nur teilweise (42 Prozent). Als dringlichste Probleme werden zuerst die Sozialversicherungsbeiträge auf Betriebsrentenauszahlungen und der im Vergleich zum HGB-Rechnungszins hohe steuerliche Rechnungszins für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen genannt. Auch bei einer „schlanken Umsetzung und Verwaltung der bAV“ hilft die Reform nicht. Der Wunsch nach einer „Enthaftung von der bAV“ wird demgegenüber erst an vierter Stelle genannt.
Geteilte Meinung zu den Erfolgsaussichten
In der Beurteilung der Erfolgsaussichten der Reform seitens der Unternehmen, die schon eine bAV anbieten, sind die Meinungen geteilt. Immerhin 41 Prozent sehen eine Chance, dass die Reform ihr Ziel – die weitere Verbreitung der bAV – zumindest teilweise erreicht. Davon sind Großunternehmen sowie Mittelständler überzeugt. Kritischer ist ihr Statement zum Problem der Altersarmut. Sie werde durch das Reformpaket nicht (63 Prozent) oder allenfalls teilweise (33 Prozent) verringert.
Zwei Drittel der befragten Unternehmen sind tarifgebunden und dennoch setzt diese Teilgruppe überwiegend (74 Prozent) auf eine bAV auf betrieblicher Basis. „In der bAV haben betriebliche Lösungen Tradition, denn sie ermöglichen es den Unternehmen, Pensionspläne zu entwickeln, die treffsicher auf die Bedürfnisse der jeweiligen Unternehmen und Mitarbeiter eingehen können“, betont Schwinger. Daher ist die geplante Öffnungsklausel, die es Tarifparteien ermöglicht, bAV-Regelungen auf die Unternehmensebene zu delegieren, ausgesprochen hilfreich.
Ein Viertel will Beitragszusage einführen
Gleichwohl zeigen sich die Unternehmen, die bereits über eine bAV verfügen, gegenüber den neuen Möglichkeiten erstaunlich offen. Obwohl das Reformgesetz noch nicht final ist, will ein knappes Viertel (23 Prozent) reine Beitragszusagen ohne Garantien einführen. Die automatische Abführung von bAV-Beiträgen (das sogenannte „Opting out“) ziehen allerdings lediglich elf Prozent in Erwägung. Obwohl 72 Prozent der Mitarbeiter in Deutschland diese Möglichkeit begrüßen. Das zeigt eine andere Umfrage, der Global Benefits Attitudes Survey von Willis Towers Watson.
Wenig Veränderung für Geringverdiener?
Dem Ausbau der bAV für Geringverdiener stehen die Unternehmen, die bereits eine bAV anbieten, verhalten gegenüber. Obwohl Mitarbeiter mit kleinem Budget nach dem geplanten steuerlichen Fördermodell im Rahmen der bAV selbst nicht verpflichtet sind, zusätzliche Eigenbeiträge zu leisten, werde sie das nicht (47 Prozent) oder nur teilweise (49 Prozent) motivieren, für ihr Alter vorzusorgen, schätzen die Unternehmen. Drei Viertel (75 Prozent) der Unternehmen mit bAV haben auch nicht vor, künftig ein Angebot für Geringverdiener zu machen. Obwohl die Kostenbelastung durch eine signifikante steuerliche Förderung überschaubar ist.
Änderungen? Nicht in jedem Fall
Viele Unternehmen, die schon eine bAV haben, planen wegen der Reform keine Veränderungen. Zwei Drittel (67 Prozent) wollen ihr bAV-Angebot so lassen, wie es ist. Immerhin ein knappes Viertel (23 Prozent) will nach der Reform die bestehende bAV kostenneutral umstrukturieren oder überarbeiten. „Sicher werden viele Unternehmen erst die finale Fassung des Gesetzes abwarten, bevor sie im Einzelnen über Veränderungen nachdenken“, so Schwinger.
Willis Towers Watson hatte im Februar 107 bAV-Verantwortliche aus Unternehmen aller Branchen und Größenklassen zu ihrer Einschätzung der Reform befragt. Zwei Drittel der befragten Unternehmen gehören dem Mittelstand an (bis zu 5.000 Mitarbeiter), ein Drittel waren Großunternehmen. Fast alle (97 Prozent) bieten ihren Mitarbeitern eine bAV an. Zwei Drittel (66 Prozent) der befragten Unternehmen sind tarifgebunden.
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