In jedem Ort sieht man sie: leerstehende Häuser, die Teil einer Erbengemeinschaft sind. Die Erben können sich nicht einigen, was sie damit machen sollen.
Der Leerstand ist Sinnbild der Konflikte, die eine Erbengemeinschaft oft begleiten. Deshalb wünscht sich niemand Erbengemeinschaften – doch ohne Testament treten sie fast immer ein.
Die Ursache dafür liegt in der gesetzlichen Erbfolge, die für jene 60 bis 70 Prozent Bundesbürger ohne Testament greift. In den meisten Familienkonstellationen führt das zwangsläufig in die Erbengemeinschaft. Ein paar Beispiele dafür: Sie sind verheiratet und haben Kinder – Erbengemeinschaft. Sie haben mehr als ein Kind – Erbengemeinschaft. Sie haben keine Kinder – Erbengemeinschaft. Es gibt nur wenige Fälle, in denen die gesetzliche Erbfolge vermieden wird, zum Beispiel wenn Sie verwitwet sind und nur ein Kind haben.
Denn: eine Erbengemeinschaft entsteht, wenn mehrere Personen gleichzeitig und als Gesamthandsgemeinschaft Erben einer verstorbenen Person werden. Dies kann zu problematischen Zusammensetzungen führen: die Witwe des kinderlosen Paares mit der Schwiegermutter oder in einer Patchworkfamilie die Erbengemeinschaft aus Stiefgeschwistern.
Eine Einigung fällt häufig schwer
Das größte Problem bei einer Erbengemeinschaft ist, dass die Erben einstimmige Entscheidungen für den Nachlass treffen müssen. Denken Sie an Ihre eigene Familie – wie einfach wird das sein? Meist kommt es dann eben doch zu Zeitverzug, wenn sich die Erben nicht einigen können. Zudem drohen Kosten und Zeitaufwand, insbesondere bei rechtlichen Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt lässt die Diskussion ums Geld oft alte Konflikte und Spannungen aufbrechen und führt zu Streit in der Familie.
Zu lange Verzögerungen können dann zum Super-GAU führen. Wenn ein Miterbe stirbt und eine Erbengemeinschaft hinterlässt, entsteht eine „doppelstöckige Erbengemeinschaft“. Das kann dann maximal kompliziert werden. Am Ende droht die Teilungsversteigerung, meist unter Marktwert und mit zusätzlichen Kosten.
Erbstreit im Vorfeld vermeiden
Hier sind fünf Tipps, wie Sie Erbstreit oder die Erbengemeinschaft selbst vermeiden können. Erstens: Man sollte schon zu Lebzeiten den Nachlass bereinigen. Dazu kann man zum Beispiel Kredite ablösen, problematische Vermögenswerte verkaufen oder Gesellschaftsverträge im Unternehmen auf den Erbfall anpassen.
Zweitens: Am besten ist es, schon zu Lebzeiten Vermögen zu verteilen. Das schafft Klarheit und man kann eventuell mehrfach steuerliche Freibeträge nutzen. So lässt sich späterer Erbschaftsteuerschaden von der Familie abwenden.
Regelungen im Testament treffen
Drittens: die Erbengemeinschaft vermeiden, indem der Erblasser per Testament einen Alleinerben benennt. Andere Personen können über Vermächtnisse ihren Anteil am Erbe erhalten. Bei Geld und Wertpapieren bringen Versicherungsstrukturen Vorteile, da diese den „Erbteil“ direkt auszahlen, ohne Umweg über das Testament, und zudem abgeltungssteuerfrei sind.
Viertens: Anordnungen treffen, falls doch mehrere Erben gewünscht sind (etwa, weil kein Kind sich zurückgesetzt fühlen soll). Eine Teilungsanordnung ermöglicht die Aufteilung von Vermögen, beispielsweise die Zuweisung der Wohnung an Kind A und des Wertpapierdepots an Kind B. Das Gegenteil wird mit Teilungsverboten erreicht, beispielsweise um zu verhindern, dass das Unternehmen in Schieflage gerät, wenn ein Erbe ausgezahlt werden muss.
Fünftens: Ein Testamentsvollstrecker stellt sicher, dass der Wille des Erblassers umgesetzt wird. Andernfalls könnten die Erben Anordnungen des Erblassers durch eine Auseinandersetzungsvereinbarung außer Kraft setzen.
Gastautor Stefan Brähler (CFEP®) ist Geschäftsführer der Confidema GmbH, seit 20 Jahren Spezialist für Nachfolgeplanung, Vermögensstrukturierung und Investmentpolicen, vornehmlich als B2B-Partner von Vermögensverwaltern und Versicherern.