Erbengemeinschaften sind oft ein Spiel auf Zeit
Die Auseinandersetzungen in Erbengemeinschaften können sich über Jahrzehnte hinziehen. Das belegt das neue DIA-Dossier mit dem Titel „Wenn der Nachlass zum Zankapfel wird“.
vom 5. April 2023
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„In Erbengemeinschaften sieht das Gesetz nur einen Zweck: Es soll ein temporärer rechtlicher Rahmen geschaffen werden, währenddessen das Erbschaftsvermögen unter den Erben aufgeteilt und im Anschluss die Erbengemeinschaft wieder aufgelöst wird“, beschreibt Manfred Gabler, Geschäftsführer der ErbTeilung GmbH die Ausgangslage. Doch das DIA-Dossier, das in Zusammenarbeit mit der ErbTeilung GmbH in Weilheim entstand, zeigt, dass zeitraubende Probleme bei der Aufteilung des vorhandenen Vermögens unter mehreren Erben sehr häufig vorkommen. Den Extremfall lieferte eine Erbengemeinschaft, die 104 Jahre Bestand hatte. „Die erfolglosen Versuche zur Auflösung dauerten also über mehrere Generationen an“, zieht Gabler ein ernüchterndes Fazit.
Je mehr Erben, desto mehr Konflikte
Die meisten Erbengemeinschaften bestehen aus zwei bis vier Erben (zusammengenommen 81 Prozent aller ausgewerteten Fälle). Bei fast zwei Prozent der Erbengemeinschaften waren es sogar mehr als zehn Erben. Erfahrungsgemäß gilt: Je mehr Erben sich verständigen müssen, umso mehr gegensätzliche Interessen stoßen aufeinander. „Konflikte sind dann programmiert“, weiß Gabler aus Erfahrung seines Unternehmens. Die Wahrscheinlichkeit einer gemeinsamen Lösung sinke daher proportional mit der Anzahl der Erben. Bei großen Erbengemeinschaften sei nur noch mit erheblichem finanziellem Aufwand und speziell abgestimmten Methoden eine Auflösung zu erreichen.
Wer blockiert Erbengemeinschaften?
Mitglieder einer Erbengemeinschaft, denen ein hoher Anteil des Vermögens zusteht, blockieren häufiger die Aufteilung der Erbschaft. Miterben, die einen 50-Prozent-Anteil besitzen, stehen mit rund 39 Prozent an der Spitze der Streithansel.
„Die Zahlen des DIA-Dossiers zeigen, dass Erben mit einem großen Erbanteil ihre vermeintliche zahlenmäßige Überlegenheit und die für sie daraus abgeleitete Vormachtstellung gegenüber den Miterben mit geringeren Erbanteilen ausnutzen“, erklärt Manfred Gabler, Geschäftsführer der ErbTeilung GmbH. „Sie versuchen, den Ton in der Erbengemeinschaft anzugeben. Sie üben nicht selten Druck auf die anderen Miterben aus, um das eigene Ziel durchsetzen zu können. Gelingt dies nicht, so verhindern sie durch ihre Blockadehaltung die Aufteilung des Nachlasses und Auflösung der Gemeinschaft.“
Geschwister streiten am häufigsten
Auch die Auswertung der Verwandtschaftsverhältnisse unter den Mitgliedern der Erbengemeinschaft zeigt einen klaren Schwerpunkt. Bei 68 Prozent aller Fälle sind eigene Geschwister diejenigen, die durch ihre fehlende Zustimmung eine Auflösung der Erbengemeinschaft bewusst verhindern und über lange Zeit blockieren. Bemerkenswert ist jedoch auch ein mit knapp zehn Prozent großer Anteil von „nicht verwandten“ Fremden, die wegen fehlender familiärer Verbundenheit keine Notwendigkeit sehen, durch ihre Mitwirkung eine zügige Auflösung der Erbengemeinschaft zu ermöglichen.
Alte Wunden brechen wieder auf
Der jeweils überlebende Elternteil sucht dagegen nur in geringem Umfang Streit mit den weiteren Erben. Die Mutter ist es in rund vier Prozent, der Vater in zwei Prozent der Fälle. „Auf den ersten Blick überrascht das Ergebnis. Man könnte vermuten, dass Fremde am häufigsten Streitigkeiten in den Familienverband bringen“, gibt Manfred Gabler zu bedenken. „Doch bei genauerer Betrachtung brechen in vielen Familien mit dem Tod des Familienoberhaupts alte Wunden wieder auf, die zu Lebzeiten des Erblassers unter den Tisch gekehrt wurden“, hat er in vielen Fällen beobachtet.
Das DIA-Dossier „Wenn der Nachlass zum Zankapfel wird“ ist keine repräsentative Erhebung. Die Datenbasis beruht auf über 5.500 Kundenkontakten der ErbTeilung GmbH aus den Jahren 2019 bis 2023. Auf der Grundlage dieser eher zufällig zustande gekommenen Stichprobe lassen sich aber dennoch wertvolle Schlussfolgerungen ziehen, zumal über Erbengemeinschaften trotz ihrer wirtschaftlichen Bedeutung bislang wenig bekannt ist. Das komplette DIA-Dossier finden Sie hier.
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