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    Einkommen & Vermögen | 18.7.2024 Drucken

    Wenn Erbschaften in Stress ausarten

    Eine Erbschaft ist eigentlich ein freudiges Ereignis – so jedenfalls die landläufige Meinung. Schließlich winken üppige Geldüberweisungen oder die Überschreibung einer Immobilie.

    Doch in der Realität ist meist der Wunsch Vater des Gedankens. In vier von fünf Fällen erbt nicht einer allein, sondern zusammen mit anderen Familienmitgliedern oder der ungeliebten Schwiegermutter. Dann flammen längst überwunden geglaubte Grabenkämpfe unter Geschwistern aus der Jugendzeit wieder neu und jetzt umso heftiger auf. Stress bahnt sich an.

    Was sich kaum jemand klar macht: Der Dauerstress um den eigenen Erbanteil kann Erben krank machen, manche sogar schwer. „Willkommen in der eiskalten Welt der Erbengemeinschaft, in der jeder noch so billige Psychotrick erlaubt scheint und eher zart besaitete Erben jahrelangem Stress ausgesetzt sind“, weiß Betriebswirt Manfred Gabler. „Bis der Stress irgendwann an der Gesundheit nagt und chronische Krankheiten entstehen. Erst dann wachen viele Erben auf und begreifen, dass sich selbst mit einer millionenschweren Erbschaft die eigene Gesundheit nicht zurückkaufen lässt. Sie suchen deshalb den schnellen Ausstieg aus der zerstrittenen Erbengemeinschaft“, sagt der Geschäftsführer der Weilheimer Fa. ErbTeilung.

    Stress war früher überlebenswichtig

    Ursprünglich war Stress für den Menschen überlebensnotwenig. Er sorgt nämlich dafür, dass dem Körper unter anderem Adrenalin und Cortisol zugeführt wird. Dadurch kann der Mensch einer Gefahr schnell ausweichen. Heute herrscht dagegen bei vielen Menschen eine Art Dauerstress vor. Zu viel Arbeit, ein schlechtes Betriebsklima, der Tod eines geliebten Menschen, Eheprobleme, die Pflege von Angehörigen, finanzielle Sorgen – all das kann auf die Gesundheit schlagen. Das hat kürzlich ein Team des University College London (UCL) und des Kings College im Vereinigten Königreich herausgefunden.

    Sie untersuchten die Konzentration bestimmter Biomarker, die mit etlichen stressbedingten Leiden in Verbindung stehen, im Blut von fast 5.000 Erwachsenen. Dazu nutzten die Wissenschaftler Daten einer kontinuierlichen Langzeituntersuchung zum Gesundheitszustand britischer Bürgerinnen und Bürger über 50. Wie befürchtet fanden die Forscher bei all jenen, die generell übermäßig viel Stress erlebten, eher erhöhte Konzentrationen von Biomarkern und Cortisol im Blut. Bei ihnen lag die Wahrscheinlichkeit, zur Hoch-Risiko-Kategorie zu zählen, im Vergleich zu wenig oder moderat belasteten Probanden um gut 60 Prozent höher.

    Finanzieller Druck macht krank

    Ein Faktor steigert das Krankheitsrisiko laut Studie deutlich stärker als andere: finanzieller Druck. Der Grund: Geldsorgen beeinflussen gleich mehrere Bereiche unseres Lebens und können zu familiären Konflikten, sozialer Ausgrenzung und sogar zu Hunger oder Obdachlosigkeit führen. Platz zwei der ungünstigsten Stressfaktoren belegt die Trauer um den Tod eines nahen Menschen, Platz drei die psychische Belastung, die mit einer längeren Krankheit verbunden ist. Überraschend: Eine eigene Behinderung, ein pflegebedürftiger Angehöriger und selbst eine Scheidung stachen dagegen nicht heraus.

    Bei Erben kommen mehrere Stressfaktoren zusammen

    Häufig summieren sich bei Erben mehrere Stressfaktoren: Eine Erbin hat den Erblasser vor dessen Tod aufopferungsvoll gepflegt. Ihr geht sein Tod deshalb extrem nahe. Sie verfügt über wenig Geld und möchte von den Miterben einen Anteil für die alleinige Pflege des Vaters. Die Geschwister sehen das entgegen der geltenden Rechtslage nicht ein und verzögern jahrelang die Auflösung der Erbengemeinschaft. Die Miterbin muss Kredite aufnehmen, um ihren Anwalt bezahlen zu können. „Besonders heftig wirkt sich Stress aus, der eine emotionale Ursache hat.  Das ist bei Erbengemeinschaften immer der Fall“, sagt Manfred Gabler. Ihn erreichen jährlich Hunderte Anfragen gestresster Erben, die aus der Erbengemeinschaft schnell raus wollen. Dabei hat Gabler den immer gleichen äußeren Ablauf beobachtet.

    Die drei Stufen gestresster Erben

    Auf der ersten Stressstufe steht der Tod eines Elternteils, gefolgt von der Ungewissheit, ob und wie man geerbt hat. Unsicherheit macht sich breit, weil die Erben nicht wissen, wo sie die erforderlichen Unterlagen herbekommen und was grundsätzlich zu tun ist nach den ersten Tagen und Wochen. Klar ist: Routine hat keiner der Erben. Statistisch gesehen erbt jeder Deutsche 1,2mal im Leben. Das verursacht schon am Anfang massiven Stress.

    Dann kommt die zweite Stufe, auf der der Erbe erkennt, dass er nicht allein erbt. Streit entsteht und die Auflösung  der Erbengemeinschaft gelingt über Jahre nicht. Dies führt zu Dauerstress, weil man es jeden Tag am Morgen und am Abend in seinem Kopf hat – und dies über viele Monate und Jahre. Das führt in der Maximalausprägung zu handfesten psychischen Problemen bis hin zu Depressionen. Wie man gegen Stress in Erbengemeinschaften resilient wird, hat niemand der Erben gelernt. Auf der dritten Stufe bekommt der psychisch angeschlagene Erbe dann auch physische Probleme.

    Ballast über Bord werfen

    „Wenn ein Erbe angeschlagen ist, sollte er schnell umdenken, seine Kräfte bündeln und Ballast über Bord werfen. Alles, was einer Genesung im Weg steht, muss weg. Da gehört als erstes die Erbengemeinschaft dazu. Man will sie daher schnellstmöglich hinter sich bringen. Wenn da nicht der skrupellose Miterbe wäre. Er blockiert und setzt den kranken Erben zusätzlich unter Druck“, beobachtet Manfred Gabler immer wieder. Dadurch werde der kranke Erbe regelrecht zum Verkauf des Erbanteils getrieben – egal was es kostet. Man will sich eben nicht weiter damit belasten. Die Gesundheit ist wichtiger.

    Alternative Erbabwicklung

    Der Erbanteilsverkauf ist eine Möglichkeit, um die Erbengemeinschaft schnell zu verlassen. Alternativ kommt die sogenannte Erbabwicklung infrage, die von Unternehmen wie ErbTeilung angeboten wird. Diese kostet den Erben nichts. Nur im Erfolgsfall fließt eine Prämie. Für den gestressten Erben ist diese Vorfinanzierung beruhigend. Er kann sich ganz aus dem Stressfeld der Erbengemeinschaft rausziehen und sich auf seine Genesung konzentrieren.

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