Der Bundestagswahlkampf ist in vollem Gange. Die Rente taucht als Thema darin immer wieder auf. Das DIA hat aus diesem Grund die Wahlprogramme durchleuchtet. Heute: die Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen.
Ein Bürgerfonds, der in der Diktion von Bündnis 90/Die Grünen natürlich Bürger*innenfonds heißt, ist die Allzweckwaffe der Partei in der Rentenpolitik. Er soll Aufgaben in allen drei Säulen der Alterssicherung übernehmen. In der gesetzlichen Rentenversicherung dient er dem Einstieg in die teilweise Kapitaldeckung. Gespeist werden soll er durch Darlehen aus dem Bundeshaushalt und durch die Übertragung von Eigenmitteln des Bundes. Wie nicht anders zu erwarten, unterliegt die Kapitalanlage Nachhaltigkeitskriterien. Der Fonds soll aber auch in deutsche und europäische Startups investieren.
In der Grundidee folgt der Fonds damit dem von der Ampelregierung geplanten Generationenkapital, das mangels Mehrheiten im Bundestag aber nicht mehr beschlossen worden ist. Allerdings verordnet Bündnis 90/Die Grünen dem Bürgerfonds einen anderen Verwendungszweck. Das Generationenkapital hatte als Ziel die Abmilderung künftiger Beitragsanstiege in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bürgerfonds hingegen dient der Stärkung kleiner und mittlerer Renten.
Garantierente nach 30 Jahren
So soll der bisherige Grundrentenzuschlag zu einer Garantierente umgebaut werden, die Versicherte nach 30 Beitragsjahren erhalten. Damit wäre der Kreis jener, die unabhängig von ihren Einzahlungen eine Aufstockung ihrer Rente erhalten, deutlich größer als heute mit dem Grundrentenzuschlag. Zur Finanzierung sollen Erträge aus dem Bürgerfonds mit herangezogen werden.
Das ist aber noch längst nicht alles. Der Fonds soll auch für eine kostengünstige private Altersvorsorge geöffnet werden. Um diese zu erleichtern, ist eine Anhebung der Freibeträge für Kleinsparer vorgesehen, die an die Inflation angepasst werden. Öffentliche Förderung soll es nur noch für niedrige und mittlere Einkommen geben. Erwogen wird dafür ein Opting-out-System, also eine automatische Einbeziehung aller. Nur wer aktiv widerspricht, tritt aus diesem System der Altersvorsorge aus. Da die Förderung auf bestimmte Einkommensgruppen beschränkt bleiben soll, stellt sich die Frage, wie eine automatische Einbeziehung funktionieren kann. Schließlich gilt sie bei dieser Prämisse nur für einen begrenzten Personenkreis.
Rentenalter bleibt bei 67 Jahren
Auch in der betrieblichen Altersversorgung soll der Bürgerfonds zum Einsatz kommen. Rechnet man all das zusammen, so kommt auf den Bürgerfonds einiges zu. Ob all diese Aufgaben parallel zu bewältigen sind und welche erheblichen Dotierungsbeträge dafür gebraucht werden, steht in den Sternen. Angesichts einer angespannten Haushaltslage wären die Mittel am Start ohnehin überschaubar. Hinzu kommt die Vermischung kollektiver und individueller Ansprüche innerhalb des Fonds. Da gibt es noch viel Klärungsbedarf.
In einigen anderen Punkten hat Bündnis 90/Die Grünen ähnliche Ziele wie einige andere Parteien: Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent verbleiben. Keine Erhöhung des Rentenalters über 67 Jahre hinaus. Anreize für Ältere, länger und gesund im Arbeitsprozess zu bleiben, werden ebenfalls angekündigt (flexiblerer Übergang in Altersteilzeit, Auszahlung des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung an Arbeitnehmer mit Rentenbezug).
Bürgerversicherung mit Beamten und Selbstständigen
Außerdem plant die Partei den Einstieg in eine Bürgerversicherung für die Rente. Auch die Beamten und Abgeordneten sollen künftig in die Rentenversicherung einzahlen. Allerdings unter Beibehaltung des Alimentationsprinzips. Was damit genau gemeint ist, geht aus dem Wahlprogramm nicht hervor. Zu vermuten ist, dass der Dienstherr einen Großteil oder die Gesamtheit der Beiträge übernimmt. Selbstständige, die nicht schon anderweitig abgesichert sind, sollen künftig auch in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden.
Der Katalog von Bündnis 90/Die Grünen ist umfangreich, die demografischen Probleme der Rentenversicherung werden aber nicht in Angriff genommen. Allein die Ausweitung des Versichertenkreises bringt kurzfristig ein wenig Entlastung. Der Bürgerfonds ist überfrachtet mit Aufgaben und außerdem auf Pump finanziert.