Das Bundesarbeitsgericht hat sich in zwei jüngeren Urteilen zum Arbeitgeberzuschuss bei „älteren“ Tarifverträgen geäußert. Sie schaffen in einem wichtigen Punkt Klarheit.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in beiden Urteilen (BAG-Urteil vom 20. August 2024 – 3 AZR 285/23 und BAG-Urteil vom 11. März 2025 -3 AZR 53/24) entschieden, dass vom gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss auch in Tarifverträgen, die schon vor dem Inkrafttreten des ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 1. Januar 2018 geschlossen wurden, abgewichen werden kann.
In dem Fall vom 20. 08. 2024 galt für die betriebliche Altersversorgung seit 2009 der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie e. V. und der IG-Metall vom 9. Dezember 2008 (TV AV). Seit 2019 wandelte der Arbeitnehmer jeden Monat auf Grundlage dieses Tarifvertrags Lohn für die Altersvorsorge um. Dabei gewährt der Tarifvertrag denjenigen Arbeitnehmern, die Entgelt umwandeln, einen zusätzlichen Altersvorsorgegrundbetrag in Höhe des 25-fachen des Facharbeiter-Ecklohns.
Arbeitnehmer begehrte Zuschuss
Der Arbeitnehmer verlangte von der Arbeitgeberin ab dem 1. Januar 2022 zusätzlich zu seinem umgewandelten Entgelt den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss (§ 1a Abs. 1a BetrAVG) in Höhe von 15 Prozent. Er vertrat die Ansicht, dass eine tarifvertragliche Regelung zur Entgeltumwandlung, die bereits vor Inkrafttreten der Regelung bestanden habe, den gesetzlichen Anspruch nicht ausschließen könne. Er begehrte daher zusätzlich zu dem tariflichen Zuschuss den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung.
In dem anderen Fall vom 11. 03. 2025 kamen die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes der Kommunen (TV-VKA) zur Anwendung. Zu diesen Tarifverträgen gehört der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im Kommunalen öffentlichen Dienst vom 1. Januar 2003 (TV-EUmw/VKA). Der Arbeitnehmer verlangt von dem Arbeitgeber, für ihn monatlich einen Arbeitgeberzuschuss i. H. v. 15 Prozent des umgewandelten Entgelts in die von ihm abgeschlossenen Altersversorgungsverträge einzuzahlen. Auch er hat die Ansicht vertreten, dass eine tarifvertragliche Regelung zur Entgeltumwandlung, die bereits vor Inkrafttreten der Regelung bestanden habe, den gesetzlichen Anspruch nicht ausschließen könne. Zudem bedinge der Tarifvertrag nicht allein dadurch den Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG ab, dass er keinen solchen Zuschuss vorsehe.
Klagen wurden abgewiesen
Die Entscheidungen: Das BAG hat beide Klagen der Arbeitnehmer abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, dass auch in vor dem 1. 1. 2018 geschlossenen Tarifverträgen abweichende Regelungen zum gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss wirksam enthalten sein können. In beiden Tarifverträgen liegt eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor. Insofern waren die Klagen der Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss ohne Erfolg. Der Senat geht in dem Urteil vom 20. 08. 2024 sehr ausführlich auf die Gesetzeshistorie des § 19 BetrAVG, die Materialien und einige weitere Umstände ein, um zu begründen, dass auch Tarifverträge, die vor der Schaffung des § 1a Abs. 1a BetrAVG existierten und diese Norm nicht erwähnen, hiervon abweichen können.
So wird vom BAG dargelegt, dass nach der Gesetzessystematik der § 19 BetrAVG, wonach von dem Entgeltumwandlungsparagrafen durch Tarifverträge abgewichen werden kann, eine Abweichung als Ganzes zulässig ist und nicht danach differenziert, von welcher Regelung innerhalb des § 1a BetrAVG abgewichen wird. Wenn der Gesetzgeber eine eigenständige Regelung für Tarifbestimmungen hätte schaffen wollen, die von dem erst mit dem ersten Betriebsrentenstärkungsgesetz geschaffenen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss gem. § 1a I a BetrAVG abweichen, hätte er dies in § 19 I BetrAVG klarstellen können.
Abweichende Regelung im Tarifvertrag genügt
Das BAG führt dann weiter aus, dass in anderen Vorschriften durchaus eine Rückausnahme von der Tariföffnungsklausel ausdrücklich vorgesehen ist (§ 3 II 3 BetrAVG). Anders als noch das Urteil vom 08. 03. 2022, wo das BAG noch von dem Fehlen der abweichenden wirtschaftlichen Verteilung der Lasten spricht, stellt der Senat in diesen jüngeren Urteilen klar fest, dass es genügt, wenn der Tarifvertrag eigenständige Regelungen zur Entgeltumwandlung und keinen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a I a BetrAVG vorsieht. Mithin ist man hier von der früher geäußerten Meinung abgegangen, dass eine abweichende wirtschaftliche Verteilung der Lasten erfolgen müsse (vgl. hier BAG vom 08. 03. 2022 – 361/21).
Auch in der Entscheidung vom 11. 03. 2025 setzt das BAG seine weiter entwickelte Rechtsprechung fort. Auch hier wird betont, dass mit den Regelungen des Tarifvertrages eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vorliegt. Es bedarf weder einer konkreten oder ausdrücklichen Abbedingung des Zulagenanspruchs aus § 1a Abs. 1a BetrAVG im Tarifvertrag noch einer hierauf bezogenen oder sonstigen Kompensation. Der Senat hat am selben Tag in einem Parallelverfahren – 3 AZR 75/24 – zum zwischen der Gewerkschaft NGG und dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e. V. geschlossenen „Tarifvertrag über die Förderung einer tariflichen Altersvorsorge und Entgeltumwandlung“ vom 18. April 2011 (TV AV) ebenso entschieden.
Keine Kompensation erforderlich
Fazit: Die Urteile waren mit Spannung erwartet worden. Es gibt zwar im Betriebsrentengesetz eine Regelung, nach der vom Arbeitgeberzuschuss in § 1a Abs. 1a BetrAVG durch Tarifvertrag abgewichen werden kann (§ 19 BetrAVG). Bislang war aber nicht höchstrichterlich entschieden, ob das auch für ältere Tarifverträge gilt, also solche, die vor Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes zum 1. 1. 2018 bestanden haben und ob gegebenenfalls eine Kompensation erforderlich ist. Das BAG hat nunmehr klargestellt, dass alle Tarifverträge – unabhängig davon, wann sie geschlossen wurden – Ausnahmen von der gesetzlichen Regelung zum Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung enthalten können und dass auch keine Kompensation erfolgen muss.
Gastautorin Anja Sprick ist Justiziarin beim Beratungsunternehmen Longial und verantwortlich für den Bereich Recht | Steuern.