Der Risikotyp entscheidet über das Depot

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05. Mai 2025

Der Risikotyp entscheidet über das Depot

Vermögensverwalter Claus Walter von der Freiburger Vermögensmanagement schildert im Interview, wie ein optimales Depot für einen Anleger strukturiert werden kann.

Angenommen, ein Anleger kommt zu Ihnen und möchte ein Depot mit Wertpapieren neu einrichten – auf was achten Sie dabei besonders?

Es ist essenziell, den Risikotyp des Anlegers zutreffend zu bestimmen. Dazu müssen wir wissen bzw. in Erfahrung bringen, wie hoch die Verluste in Euro bzw. in Prozent maximal ausfallen dürfen, bevor ihm oder ihr schlaflose Nächte drohen. An diesem Punkt haben wir das optimale Depot – es ist das Depot, das genau zum Risikotyp dieses Anlegers passt.

Demnach ist nicht die Rendite-Seite entscheidend, sondern das Risiko, das man für diese Rendite eingehen muss – also der Verlust, den man maximal tolerieren kann?

In gewisser Weise ja, denn eine bestimmte Rendite lässt sich mit einem Buy-and-Hold-Portfolio nur mit einem gewissen Risiko erreichen. Konkret: Wer eine jährliche Rendite von vier Prozent anstrebt, muss unter Umständen einen zeitweisen Verlust von zehn bis 15 Prozent hinnehmen. Liegt die Latte für die Jahresrendite bei acht Prozent, sind eventuell Verluste von 30 Prozent zu verkraften. Wer mehr will, muss wie 2000 oder 2008 auch mal ein Minus von 50 Prozent durchstehen können.

Ein Buy-and-Hold-Portfolio ist ein Wertpapierdepot, das dauerhaft am Markt investiert ist?

Genau. Mit diesem Modell lässt sich das Depotrisiko nur durch die Kombination verschiedener Anlageklassen steuern. Je risikoscheuer und je älter ein Anleger, desto höher sollte der Anteil der Anlageklassen sein, die wenig schwanken, wie kurzlaufende Staats- oder Unternehmensanleihen. Wer eine höhere Rendite will und das Risiko zu tragen vermag, kann sich (ganz) überwiegend auf die Aktienmärkte konzentrieren.

Formel mit begrenzter Aussagekraft

Wie ist das Verhältnis zwischen Risikotyp und Lebensalter?

Prinzipiell kann man sagen, dass mit höherem Alter die Risikoneigung abnimmt. Das ist auch vernünftig, denn in den späteren Lebensjahrzehnten fällt es schwerer, eventuelle Verluste etwa durch eine Baisse am Aktienmarkt noch auszugleichen.

In den Finanzratgebern heißt es, dass das Alter über den Aktienanteil entscheiden sollte – gemäß der Formel: 100 minus Lebensalter entspricht dem Aktienanteil…

Das ist eine nützliche Faustformel, sie hat aber Begrenzungen. Nehmen wir einen Anleger mit 65 Jahren, der über eine Million Euro verfügt und im Jahr 75.000 Euro aus dem Depot entnimmt. Aus finanzieller Sicht könnte er, sofern er das Risiko auch mental tragen kann, einen Aktienanteil von 50 oder 60 Prozent haben statt von 35 Prozent. Dadurch würde er langfristig vermutlich höhere Renditen erzielen, ohne unangemessen hohe Risiken einzugehen. Selbst wenn es zu einer Aktienbaisse von zwei bis drei Jahren kommt, wäre sein Lebensstandard nicht gefährdet.

Wie sähe das bei einem Depotvolumen von 250.000 Euro und einem 50-jährigen Anleger aus?

Wenn der Anleger das Kapital bzw. Teile davon erst zum Ruhestand mit 65 Jahren benötigt, hätte er 15 Jahre Zeit, um es an den Märkten arbeiten zu lassen. Je nach seiner Risiko-Toleranz könnte der Aktienanteil im Depot zwischen 40 und 60 Prozent betragen. Mit ansteigendem Alter wird es jedoch wichtiger, den Anteil der risikoarmen Anlageklassen im Depot zunehmend zu erhöhen.

Gibt es noch andere Möglichkeiten, das Risiko in einem Depot zu begrenzen?

Ja, zum Beispiel durch Trendfolge-Modelle. In solchen Modellen werden Wertpapiere verkauft, wenn zuvor definierte Trendmarken unterschritten werden. Allerdings handelt es sich dann nicht mehr um ein Buy-and-Hold-Portfolio. Da steht der Anleger dann vor dem Problem bzw. der Frage, wann er wieder in den Markt einsteigen soll.