Wenn Tweets Anleger verunsichern

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09. Juni 2025

Wenn Tweets Anleger verunsichern

Die Kursbewegungen an den Märkten sind momentan nichts für schwache Nerven. Wer langfristig denkt, sollte sein Geld trotzdem nicht unter das sprichwörtliche Kopfkissen legen, sondern mit einer überlegten Struktur investieren.

Haben Sie auch den Eindruck, dass für Börseninteressierte der Blick auf Kurznachrichtendienste wie X oder TruthSocial momentan mindestens so wichtig ist wie der in den Wirtschaftsteil der Zeitung oder des Onlinefeeds? Tatsächlich reagieren die Märkte gerade sehr nervös auf die Posts, die der amtierende US-Präsident dort verbreitet. Angesichts der zuletzt massiven Schwankungen werden auch die Stimmen wieder lauter, dass Aktien und Co. keine geeignete Sparform sind. Tatsächlich sinkt die Zahl derjenigen, die Aktien, Fonds und ETF im Depot haben, nach einem Rekordhoch zu Nullzinszeiten: Hatten 2022 laut Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) im Schnitt noch 12,9 Millionen bundesdeutsche Anleger so etwas im Portfolio, waren es 2024 nur noch 12,1 Millionen. Also raus aus Aktien und Co.?

Die momentane Phase der Volatilität nach der Stimmungskiller-Nachrichtenflut von Donald Trump zu Zöllen und Ähnlichem sind nicht die ersten schwierigen Zeiten, die Anleger erleben müssen. Die etwas älteren werden sich vielleicht noch an den schwarzen Montag 1987 oder an das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 erinnern. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit gab es Schwächeperioden an den Märkten, etwa in der 2008 beginnenden Finanzkrise oder durch die von der Covid-Pandemie ausgelösten Unsicherheiten.

Auf die Krise folgt die Erholung

Was haben all diese Krisen gemeinsam? Die Märkte erholten sich mehr oder weniger schnell. Zum Beispiel der deutsche Leitaktienindex DAX. Der war im schlechtesten Fall, nämlich nach der Dotcom-Blase, nach 7,3 Jahren wieder im Plus, der Corona-Schock war dagegen sogar nach nur elf Monaten verarbeitet. So problematisch das derzeitige Störfeuer aus den USA auch sein mag, langfristig betrachtet spielt so etwas kaum eine Rolle für Börseninvestments.

Forscher haben etwa für den Zeitraum zwischen 1801 und 2021 eine Rendite nach Abzug der Inflation von 6,9 Prozent pro Jahr für US-Aktien berechnet, zitiert die Verbraucherzentrale auf ihrer Internetseite und kommt zu folgendem Schluss: „Verglichen mit einer Anlage in sichere Zinspapiere wie Bundesanleihen, Sparbriefe, Festgelder oder klassische Lebens- und Rentenversicherungen (die ebenfalls hauptsächlich in Zinspapiere anlegen) ist eine breit gestreute Anlage in Aktien deutlich rentabler.“ Allerdings müsse man sich des höheren Risikos bewusst sein und sollte nie alles auf eine Karte setzen.

Ein Blick auf das DAX-Rendite-Dreieck

Hier können wir uns als Vermögensverwalter voll und ganz anschließen: Schwierige Phasen, wie wir sie gerade erleben, wird es immer wieder geben. Aber trotz aller Krisen, Kriege und Kursrückschläge, die in den letzten Jahrzehnten immer wieder stattfanden, war es sinnvoll, sein Geld an den Märkten zu investieren. Wer heute Kapital mit einem Anlagehorizont von 15 oder mehr Jahren anlegt, sollte sich nicht zu sehr von der aktuell schlechten Stimmung beeinflussen lassen.

Auf der Seite des Deutschen Aktieninstituts gibt es dazu einmal im Jahr eine sehr interessante Berechnung mit dem Titel „DAX-Rendite-Dreieck“. Damit kann nachvollzogen werden, welche durchschnittliche jährliche Rendite ein monatliches Investment erbracht hätte, selbst wenn jemand zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt seit 1948 damit angefangen hätte. Bei einer Spardauer von 20 Jahren konnte das so angelegte Geld eine durchschnittliche Rendite von 8,4 Prozent im Jahr erwirtschaften, im schlechtesten Fall lag dieser Wert bei 4,7 Prozent – im besten sogar bei 16,1 Prozent im Jahr.

Ausgewogene Vermögensstruktur zählt mehr

Ist das eine Garantie für die Zukunft und sollten Anleger jetzt einfach blind alles auf Aktien setzen und das Beste hoffen? Nein, natürlich macht es Sinn, Risiken etwa durch Streuung zu minimieren, Branchen oder Regionen mit einem schwierigen Ausblick niedriger im Depot zu gewichten oder auch mal in schwierigen Zeiten den Fokus stärker auf weniger schwankungsintensive Anlageklassen wie festverzinsliche Wertpapiere zu legen. Aber sein Geld als langfristig denkender Anleger überhaupt nicht in die Kraft erfolgreicher Unternehmen zu investieren, das heißt auf der anderen Seite, auf jede Menge Chancen zu verzichten – daran ändert auch ein US-Präsident Donald Trump nichts Grundsätzliches. Achten Sie also besser auf eine gut ausgewogene Struktur Ihres Vermögensaufbaus als auf Tweeds aus dem Weißen Haus oder vom Golfplatz.


Gastautor Claus Walter ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der inhabergeführten Freiburger Vermögensmanagement GmbH.