Die Weitergabe von Immobilien an die nächste Generation ist sehr komplex. Doch die wenigsten sind darauf vorbereitet. Das kann zu einer hohen finanziellen Belastung für die Erben und zu Streitigkeiten führen. Wie können Erblasser das verhindern?
Jedes Jahr werden hierzulande Vermögen im Wert von 300 bis 400 Milliarden Euro vererbt. Dabei nimmt laut einer Studie der Deutschen Bank die Bedeutung von Immobilien als Teil der Erbschaften immer weiter zu. „Das Problem bei der Weitergabe von Immobilien ist, dass sie – anders als Geldvermögen oder Aktien – nicht teilbar sind“, sagt Laura Victoria Schick von der Michael Schick Immobilien GmbH & Co. KG in Berlin.
„Dazu kommt, dass gerade selbst genutzte Immobilien mit Emotionen verbunden sind“, ergänzt Michael Thaler von der TOP Vermögen AG in Starnberg. „Im Erbfall führt dies häufig zu Streitigkeiten in der Familie.“ Nicht zu vergessen: die Erbschaftsteuer. „Sie kann im schlimmsten Fall für die Erben zu einer existenzbedrohenden finanziellen Belastung werden“, warnt Schick. Das liegt auch daran, dass sich kaum jemand frühzeitig Gedanken über die Weitergabe seines Vermögens macht. Dies zeigt sich auch darin, dass nur wenige Menschen hierzulande mit einem Testament vorgesorgt haben. Laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Bank haben lediglich 35 Prozent der potenziellen Erblasser ein Testament – bei den unter 50-Jährigen sind es sogar nur elf Prozent.
Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge
Tatsächlich werden mehr als die Hälfte aller Erbfälle in Deutschland ohne Testament oder eine andere Verfügung des Erblassers geregelt. „In diesem Fall greift die gesetzliche Erbfolge“, sagt Schick. „Das bedeutet: Die Freibeträge sind umso großzügiger und die Steuersätze umso niedriger, je enger die familiäre Bindung zwischen Erbe und Erblasser ist.“
Doch manch einer möchte vielleicht von der gesetzlichen Erbfolge abweichen. „Wer das – aus welchen Gründen auch immer – möchte, muss ein Testament erstellen“, erklärt Thaler. Wichtig dabei: Es gibt sogenannte Pflichtteile. Das heißt, pflichtteilsberechtigte nahe Angehörige haben – auch wenn sie im Testament nicht bedacht werden – dennoch Anspruch auf einen Teil des Nachlasses.
Während die Erstellung eines Testaments grundsätzlich der erste Schritt ist, um dem Willen und den Wünschen des Erblassers hinsichtlich der Verteilung des vererbten Immobilienbesitzes Ausdruck zu verleihen, bestehen noch weitere Möglichkeiten – zum Beispiel, um die Erbschaftsteuer zu reduzieren oder Familienstreitigkeiten zu vermeiden.
Frühzeitige Schenkung als Alternative
„Zunächst sollte man sich frühzeitig Gedanken machen, wer was bekommen soll, und dann auch über vorzeitige Schenkungen nachdenken“, erklärt Schick. So liegt der Freibetrag für Schenkungen an den Ehepartner bei 500.000 Euro, für Kinder pro Elternteil bei 400.000 Euro – und das alle zehn Jahre. „Eine solche vorzeitige Schenkung kann aus steuerlicher Sicht sinnvoll sein“, so die Expertin.
Ein weiterer Vorteil: „Der Erblasser kann sich ein lebenslanges Wohnrecht oder einen Nießbrauch einräumen lassen“, sagt Thaler. „Damit geht das Eigentum zwar an die Erben, die wirtschaftliche Nutzung der Immobilie bleibt jedoch in der Hand des Erblassers.“
Schließlich kann eine vorzeitige Übertragung auch das Risiko von Familienstreitigkeiten verhindern oder zumindest reduzieren. „Erblasser müssen aber bedenken, dass ihre Flexibilität dadurch eingeschränkt wird und sie auf eine veränderte Lebenssituation oder ein verändertes Verhältnis zu den Kindern nicht mehr reagieren können“, gibt Thaler zu bedenken.
Testamentsvollstrecker beugt Streit vor
Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten, um Streitigkeiten vorzubeugen. „Ein Erblasser könnte zum Beispiel eine Person aus der Familie zum Alleinerben oder Testamentsvollstrecker bestimmen, die dann über den Nachlass entscheidet und die Aufteilung zwischen den Erben vornimmt“, sagt Thaler.
Ein weiterer Weg, um Konflikte von vornherein auszuschließen, ist der Verkauf der Immobilie an die Nachkommen. „Wichtig ist hier jedoch, den Kaufpreis marktgerecht zu gestalten, um steuerliche Nachteile zu vermeiden“, erklärt Schick. Ein solcher Verkauf kann zudem gegen Wohnrecht, unter Nießbrauchvorbehalt oder gegen eine Leibrente erfolgen. Hat das Immobilienvermögen einen größeren Umfang, kann auch die Einbringung der Immobilien in eine Familiengesellschaft oder eine Familienstiftung eine interessante Alternative sein.
Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten, wie Erblasser die steuerliche Belastung für die Erben reduzieren und gleichzeitig Streitigkeiten in der Familie vermeiden können. „Wichtig ist nur, dass man sich frühzeitig Gedanken über dieses Thema macht, um den Weg zu finden, der den eigenen Wünschen und Vorstellungen am besten entspricht“, fasst Schick zusammen. „Je mehr Zeit vergeht, desto geringer wird der Gestaltungsspielraum.“