Gibt es vermögenswirksame Leistungen rückwirkend?
Vermögenswirksame Leistungen, allgemein bekannt als VL, sind ein wertvolles Instrument für Arbeitnehmer, um finanzielle Vorteile beim Sparen zu erzielen und vorzusorgen.
Diese Leistungen können als zusätzlicher Bonus betrachtet werden, der das Einkommen aufstockt und beim Vermögensaufbau hilft. Sie bieten eine Möglichkeit, mit geringem Aufwand regelmäßig zu sparen und dabei von staatlichen Förderungen zu profitieren. Doch was passiert, wenn man den Beginn dieser Leistungen verpasst oder es durch verschiedene Umstände zu einer Unterbrechung gekommen ist? Ist es möglich, vermögenswirksame Leistungen rückwirkend zu erhalten?
Die Möglichkeit einer rückwirkenden Inanspruchnahme von vermögenswirksamen Leistungen ergibt sich aus den spezifischen Bestimmungen des Arbeits- oder Tarifvertrags. Üblicherweise tritt diese Option ab dem 1. Januar des Jahres in Kraft, in dem der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Es besteht ein rückwirkender Anspruch nur für das laufende Kalenderjahr. Einzahlungen können dabei für volle Monate vorgenommen werden, jedoch nicht für einzelne Tage.
Arbeitnehmer haben die Option, vermögenswirksame Leistungen rückwirkend ab dem Zeitpunkt zu erhalten, an dem der Arbeitgeber erstmals Beiträge eingezahlt hat. Nehmen wir als Beispiel Herrn Müller: Er erhält vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 50 Euro pro Monat und investiert diese in Aktienfonds. Er hat seinen Vertrag zum 01. 07. 2023 abgeschlossen, möchte jedoch den finanziellen Vorteil für das gesamte Jahr nutzen. Daher bittet er seinen Arbeitgeber um eine rückwirkende Einzahlung für die vorangegangenen sechs Monate. Er füllt die Anlagebestätigung, die er vom Finanzinstitut erhält, mit dem zusätzlichen Betrag aus und reicht diese beim Arbeitgeber ein. Daraufhin überweist der Arbeitgeber 300,00 Euro (6 x 50,00 Euro) auf Herrn Müllers Investmentkonto. So kann Herr Müller den vollen Vorteil der vermögenswirksamen Leistungen für das gesamte Jahr nutzen.
Wer finanziert die nachträglichen Einzahlungen?
In der Regel übernimmt, wie im Fallbeispiel, der Arbeitgeber die nachträglichen VL-Einzahlungen als Teil der Sozialleistungen. Diese Praxis ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Sie kann durch spezifische Regelungen im jeweils geltenden Tarifvertrag festgelegt sein. Wenn der Arbeitgeber nicht bereit ist, die nachträglichen Beiträge zu übernehmen, können die VL-Beiträge direkt vom Nettogehalt abgezogen und auf den Sparvertrag überwiesen werden.
Für Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst gelten besondere Regelungen für die vermögenswirksamen Leistungen. Oft beschränkt sich der Anspruch auf die VL auf die beiden vorangegangenen Monate desselben Kalenderjahres. Zudem ist der Dienstherr in der Regel gesetzlich verpflichtet, die nachträglichen Einzahlungen zu leisten.
Die Möglichkeit einer nachträglichen Einzahlung hängt von der gewählten Anlageform und den spezifischen Vertragsbedingungen ab. Bei Bank- und Fondssparplänen ist in der Regel eine unkomplizierte Umsetzung möglich. Bei einem Bausparvertrag können jedoch komplexere Verfahren erforderlich sein. Oft ist die Zustimmung der Bausparkasse notwendig, um eine nachträgliche Einzahlung zu ermöglichen. Da Bausparen derzeit sehr beliebt ist, sollten sich Interessenten mit den Besonderheiten dieses Anlageprodukts vertraut machen.
Staatliche Förderung sichern
Es gibt verschiedene Gründe, warum Arbeitnehmer vermögenswirksame Leistungen rückwirkend beantragen sollten. Oftmals erkennen sie ihren Anspruch auf diese Leistungen nicht sofort oder es kam aufgrund eines Arbeitgeberwechsels zu einer Unterbrechung der Sparbeträge. Eine nachträgliche Beantragung der vermögenswirksamen Leistungen bietet jedoch mehr als nur die Wiederaufnahme der Sparbeträge. Durch die rückwirkende Beantragung kann man nicht nur finanzielle Vorteile erzielen, sondern auch die staatliche Förderung für das gesamte Jahr nutzen. Darüber hinaus ermöglicht die nachträgliche Beantragung, mögliche finanzielle Lücken zu schließen und den verpassten Sparbeitrag nachzuholen. Dies kann dabei helfen, die langfristigen finanziellen Ziele schneller zu erreichen.
Staatliche Förderung für vermögenswirksame Leistungen
Die staatliche Förderung der vermögenswirksamen Leistungen erfolgt durch die Arbeitnehmersparzulage. Diese Förderung kann sowohl für aktuelle als auch rückwirkende Einzahlungen beantragt werden und zwar für die letzten vier Jahre. Die Antragsfrist endet immer zum 31. Dezember des vierten Jahres. Das bedeutet, dass man zum Beispiel für das Jahr 2024 bis zum 31. Dezenber 2028 Zeit hat, die Arbeitnehmersparzulage zu beantragen. Um von der Arbeitnehmersparzulage zu profitieren, muss sichergestellt werden, dass die Sparraten im genannten Zeitraum regelmäßig und pünktlich eingezahlt wurden. Zudem dürfen die Einkommensgrenzen für die Förderung nicht überschritten worden sein (40.000/80.000 Alleinstehende/Paare).
Alles in allem bietet die nachträgliche Einzahlung von vermögenswirksamen Leistungen Arbeitnehmern die Möglichkeit, finanzielle Vorteile zu nutzen, die sie möglicherweise verpasst haben. Durch die Beachtung der Vertragsbedingungen und gegebenenfalls einer Zustimmung des Arbeitgebers oder der Bausparkasse kann man die Sparbemühungen optimieren und von staatlichen Förderungen profitieren.
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