Jüngste DIA-Studie untersucht das Potential Künstlicher Intelligenz in der Sozialversicherung und macht auf die Risiken dieser Technologie aufmerksam.
Künstliche Intelligenz (KI) könnte in der Sozialversicherung zu einem Paradigmenwechsel führen, indem diese in Zukunft stärker vom Vorsorgegedanken geprägt sein wird. Dieses Zukunftsszenario entwickelt die jüngste Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), die eine Bestandsaufnahme zum KI-Einsatz im Bereich der sozialen Sicherung vornimmt. Mit KI seien die technischen Möglichkeiten gegeben, um bei der Gewährung von Sozialleistungen durch rechtzeitiges Erkennen von Risiken stärker auf Prävention und frühzeitiges Eingreifen zu setzen, anstatt nachträglich zu „reparieren“. Die Autorin Nora S. Stampfl wirft aber zugleich die Frage auf, ob ein solches Vorgehen gesellschaftlich auch gewollt sei.
Bei aller Zukunftsmusik darf nicht vergessen werden, dass das hartnäckige Narrativ, wonach datenbasierte, algorithmische Entscheidungen stets genau, richtig und objektiv sind, mit ein Grund ist, weshalb eine kritische Würdigung des Einsatzes KI-basierter Anwendungen allerdings schwer fällt. „Weil falsche Entscheidungen im Bereich des Sozialschutzes besonders empfindliche Konsequenzen für Einzelne, aber auch die Gesellschaft als Ganzes haben können, ist die Zurückhaltung mit Kritik an dieser Stelle besonders schwerwiegend, führt sie doch zu einer Aufweichung von Verantwortung“, stellt die Autorin fest.
Einsatz steht noch ganz am Anfang
Die in der Studie zusammengetragenen Beispiele vermitteln eine ungefähre Vorstellung, wohin die Reise mit KI in der sozialen Sicherung gehen könne. Erste Erkenntnis: Ihr Einsatz steht noch ganz am Anfang und diese Technologie ist kein Selbstläufer, obgleich ihr auch für die Sozialsysteme große Potentiale unterstellt werden, zum Beispiel bei der Gestaltung der administrativen Prozesse. Zweitens: Es bleibt ein schmaler Grat zwischen einem durch KI technologisch effektivierten Sozialstaat und einer „digitalen Wohlfahrtsdystopie“, zitiert die Autorin Stampfl. Die Fallhöhe für den Sozialstaat sei damit hoch.
Drittens: Die Einführung von KI ist unter bewusster Abwägung der Chancen und Risiken zu gestalten und darf nicht an politischen Willensbildungsprozessen vorbei großen Technologieunternehmen überlassen werden. Viertens: Beim Einsatz von jeglicher Technik in der sozialen Sicherung geht es am Ende darum, wie das begrenzt verfügbare Budget für Sozialleistungen so eingesetzt werden kann, damit sich das gesellschaftliche Wohl steigert.
Beispiel für erwarteten Paradigmenwechsel
In diese Richtung zielt auch eines der Beispiele für KI, das im Rahmen von Experteninterviews in der Studie beschrieben wird. Es zeigt zugleich, wie der in Aussicht gestellte Paradigmenwechsel hin zu mehr Vorsorge im Detail aussehen könnte. So nutzt die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) künstliche Intelligenz, um den Beratungsbedarf ihrer Mitgliedsunternehmen vorherzusagen. Ein KI-System schlägt jene Unternehmen vor, bei denen Vor-Ort-Besuche und Beratungen am dringendsten sind, um auf dem Wege der Prävention Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden. Die Trefferquoten, also die Besuche in Unternehmen, bei denen dann tatsächlich Mängel im Arbeitsschutz festgestellt werden konnten, haben sich durch den KI-Einsatz fast verdoppelt.
Die komplette Studie „Wie verändert KI die Sozialversicherung?“ steht auf der Webseite des Deutschen Instituts für Altersvorsorge zum Download zur Verfügung.