Was Erben über das Pflichtteilsrecht wissen sollten
Das Pflichtteilsrecht schränkt die Testierfreiheit des Erblassers unzweifelhaft ein. Um richtig planen zu können, muss der Erblasser wissen, wer welche Pflichtteilsansprüche hat – und welche Möglichkeiten bestehen, den Pflichtteil aktiv zu beeinflussen.
Das Pflichtteilsrecht gewährt den Angehörigen einen Mindestanteil am Nachlass. Voraussetzung ist, dass sie gesetzliche Erben geworden wären, aber zum Beispiel durch ein Testament des Erblassers enterbt wurden.
Eine Entziehung des Pflichtteils ist nur in Ausnahmefällen zulässig, zum Beispiel bei Straftaten gegen den Erblasser. Pflichtteilsberechtigt sind in erster Linie der Ehegatte und die Kinder des Erblassers. Ist ein Kind des Erblassers bereits verstorben, geht der Pflichtteilsanspruch auf die Enkel über. Sind keine Kinder vorhanden, sind die Eltern gesetzliche Erben und damit pflichtteilsberechtigt. Aber da ist Schluss: entferntere Verwandte wie Geschwister, Onkel und Tanten, Nichten und Neffen usw. haben keinen Pflichtteilsanspruch. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Da dieser aber je nach Familienverhältnissen unterschiedlich sein kann, gibt es keine festen Quoten, die für alle gelten. Drei Beispiele:
- Ein Ehepaar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft hat zwei Kinder. Stirbt einer der Ehegatten, beträgt der gesetzliche Erbteil jedes Kindes ein Viertel, der Pflichtteil jedes Kindes also ein Achtel.
- Hat dasselbe Ehepaar nur ein Kind, so beträgt dessen gesetzlicher Erbteil die Hälfte, der Pflichtteil also ein Viertel.
- Ohne Kinder wären bei diesem Ehepaar die Eltern des Erblassers gesetzliche Erben geworden. Ihr gemeinsamer Erbteil wäre ein Viertel, ihr Pflichtteil also ein Achtel.
Ein Pflichtteilsanspruch kann auch teilweise entstehen: Wenn ein Kind zwar mit einer Erbschaft oder einem Vermächtnis bedacht wurde, aber mit einem Anteil, der geringer ist als der Pflichtteil. In diesem Fall entsteht ein zusätzlicher Anspruch auf die Differenz, der sogenannte Zusatzpflichtteil. Ein Beispiel: Die Tochter des Erblassers hat einen Pflichtteilsanspruch von 500.000 Euro. Sie hat „nur“ ein Vermächtnis von 400.000 Euro erhalten. Dann entsteht ein Zusatzpflichtteil von 100.000 Euro. Entwarnung an dieser Stelle: Der Pflichtteilsanspruch muss aktiv geltend gemacht werden. Tut die Tochter das nicht, passiert nichts. Pflichtteilsansprüche verjähren nach drei Jahren.
Minderung möglich?
Führt die Minderung des Nachlasses zum Beispiel durch eine Schenkung am Lebensende auch zu einer Minderung des Pflichtteils? Nein, so einfach ist es nicht. Es dauert zehn Jahre, bis eine Schenkung vollständig aus der Pflichtteilsberechnung herausfällt, denn jedes Jahr schmilzt die Schenkung als Pflichtteilsergänzung um zehn Prozent ab. Bei einer Schenkung von 100.000 Euro werden nach drei Jahren noch 70 Prozent in die Pflichtteilsberechnung einbezogen. Aber es gibt Ausnahmen: Bei Schenkungen an Ehegatten beginnt die Abschmelzung erst mit dem Ende der Ehe. Keine Abschmelzung erfolgt auch bei Schenkungen unter Nießbrauch.
Eine elegante Alternative zur Schenkung ist die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts in gewünschter Höhe im Rahmen einer Versicherungsstruktur. Auch damit wird der Startschuss für die zehnjährige Abschmelzung gegeben. Die Besonderheit: Es fließt kein Geld, der Vorgang löst daher auch keine Schenkungssteuer aus. Das Bezugsrecht kann aufgehoben werden, wenn das Geld doch einmal selbst benötigt wird. Zudem kann die Auszahlung an die gewünschte Person im Erbfall aufgrund der steuerlichen Privilegierung dieser Versicherungskonstruktionen ohne Abzug der Abgeltungsteuer auf Erträge wie Zinsen, Dividenden und Kursgewinne erfolgen.
Gastautor Stephan Brähler ist Geschäftsführer der Confidemia GmbH und Spezialist für den Einsatz von Versicherungsstrukturen in der Vermögensverwaltung und im Private Banking.
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