„Nießbrauch lässt sich auch für Wertpapiere nutzen“
Nicht nur Immobilienbesitzer können zu Lebzeiten steuergünstig ihr Haus mit Ertragsvorbehalt verschenken. Dieses Konstrukt eignet sich auch für Depots, um die Vermögensnachfolger heranzuführen, erklärt Samir Zakaria vom Vermögensverwalter Hansen & Heinrich AG.
Bei Immobilien kennen viele den sogenannten Nießbrauch. Funktioniert das auch bei anderen Vermögenswerten?
Die Grundidee beim Nießbrauch ist, dass die Substanz des Eigentums bereits an die nächste Generation übergeht, dabei Steuerfreibeträge zum Einsatz kommen, sich aber die Schenkenden die Nutzung der Erträge vorbehalten. Das geht nicht nur mit Immobilien, bei denen dadurch zum Beispiel ein lebenslanges Wohnrecht oder die Verfügung über Mieteinnahmen abgesichert wird. Tatsächlich funktioniert das, am besten mit der Hilfe eines Fachanwalts, auch für Wertpapierdepots. Das heißt, Aktien, Fonds und Anleihen werden verschenkt, aber die Erträge wie Dividenden, Ausschüttungen und Zinsen stehen weiter dem Schenkenden zu.
Welche Vorteile hat so ein Nießbrauch mit Wertpapieren noch?
Zunächst kann der Beschenkte nicht einfach alles verkaufen und ausgeben oder in hochriskante Investments stecken. Die Kontrolle der Verwaltung bleibt in der Regel zu Lebzeiten des Schenkenden in bewährten Händen. Eine Entnahme ist nur mit dessen Zustimmung möglich. Der Schenker besitzt auch ein Mitspracherecht bei der Umschichtung und Wiederanlage des Depotvermögens. Außerdem stehen die Erträge weiter für die Altersvorsorge zur Verfügung und haben noch dazu einen spürbaren steuerlichen Effekt.
Künftige Wertsteigerungen bereits schenkungssteuerfrei
Im Prinzip verringert sich der Bemessungswert der Schenkung um den prognostizierten Wert des Nießbrauchvorbehalts. Klingt kompliziert, aber eigentlich wird hier nur ausgerechnet, welche Summe bis zum statistischen Erbfall wahrscheinlich an Erträgen zusammenkommt, und diese teilweise vom übertragenen Vermögen abgezogen. Letztendlich führt das dazu, dass deutlich größere Vermögenswerte ohne Steuerabzug übertragen werden können. Vor allem wenn der Schenkende noch eine hohe Lebenserwartung hat. Für den Beschenkten ergibt sich der Vorteil, dass mit dem Übertrag auch zukünftige Wertsteigerungen bereits schenkungssteuerfrei sind.
Wie weit lassen sich die Freibeträge dadurch ausdehnen?
Das ist zunächst abhängig vom Alter und Geschlecht des Schenkenden. Daraus ergibt sich die statistisch verbleibende Lebenserwartung. Das heißt, je jünger desto mehr Jahre Nießbrauch verbleiben und bei Frauen sind es generell etwas mehr als bei Männern, dank der statistisch höheren Lebenserwartung des weiblichen Geschlechts. Der prognostizierte Ertrag ist abhängig von der Zusammensetzung des Wertpapierdepots und muss aus der Sicht des Finanzamtes realistisch sein. Erfahrungsgemäß könnte zum Beispiel bei einem Dividendenportfolio der jährliche Ertrag im Bereich von drei bis fünf Prozent liegen. Überträgt also etwa eine 50-jährige Frau an eines ihrer Kinder ein Nießbrauchdepot mit einer jährlichen Rendite von vier Prozent, bleibt so über eine Million Euro steuerfrei, obwohl der eigentliche Freibetrag bei lediglich 400.000 Euro liegt.
Sukzessive Beteiligung der Kinder
Aber sind junge Begünstigte nicht schnell von einem großen Vermögen überfordert?
Das ist tatsächlich ein ganz wichtiges Thema, denn die Verwaltung und Erhaltung eines größeren Vermögens ist keine ganz einfache Sache. Gerade in jungen Jahren fehlt hier oft die langfristige Perspektive und die Versuchung, das Geld einfach für schöne Dinge auszugeben, ist groß. Außerdem ist es auch für den Schenkenden oft wichtig, dass die übertragenen Vermögenswerte noch einen Beitrag zur Gestaltung des eigenen angenehmen Lebensabends leisten. Deswegen macht es in vielen Fällen Sinn, hier vorsorgliche Regelungen zu treffen. Beispielsweise kann Vermögen in einen sogenannten Familienpool eingebracht werden. Die Kinder erhalten daran sukzessive eine Beteiligung. Die Eltern behalten aber noch Vetorechte bei der Verfügung über das Vermögen. Das Testament sollte zudem eine Testamentsvollstreckung enthalten, falls junge Erben noch minderjährig sind.
Rückfallklauseln für Notfälle
Welche Dinge müssen die Schenker vor der Übertragung regeln?
Zunächst sollten nicht Steuerfragen an erster Stelle stehen. Stattdessen sollte der Vermögensinhaber klären, was er wirklich schon schenken will und kann. Dazu ist es wichtig, sich einen möglichst objektiven Überblick über das eigene Vermögen zu verschaffen und auch Worst-Case-Szenarien wie eine teure Pflegesituation oder das vorzeitige Ableben des Beschenkten mit einzukalkulieren. Deswegen empfehlen wir als Vermögensverwalter zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme der individuellen Finanzsituation, die auch die Ruhestandsplanung umfasst. Neben dem Gang zum Steuerberater sollten Nießbrauchinteressierte dann auch einen erfahrenen Anwalt hinzuziehen. Er kann bei der Formulierung eines Schenkungsvertrags helfen, um mögliche Rückfallklauseln für Notfälle einzubauen, wenn zum Beispiel der Beschenkte überraschend verstirbt oder der Schenkende in eine finanzielle Schieflage gerät.
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