Erbschleicherei

Die Tricks der Erbschleicher – so baut man frühzeitig vor

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02. Mai 2025

Die Tricks der Erbschleicher – so baut man frühzeitig vor

Immer wieder kommt es vor, dass hochbetagte Menschen ihr Testament unter Fremdeinfluss zum Nachteil der rechtmäßigen Erben abändern. Es gibt aber Möglichkeiten, sich frühzeitig dagegen abzusichern.

Es klingt wie der Stoff zu einem Film: Ein professioneller Pfleger kümmert sich um eine ältere Dame, die vor ihrem Tod noch zuhause lebt. Er baut Nähe und ein Vertrauensverhältnis zu ihr auf und bringt die Seniorin dazu, ihren Hausarzt zu wechseln. Sie wird nun nur noch von dem befreundeten Arzt des Pflegers behandelt. Zudem beginnt er damit, die Erblasserin zu isolieren. Besuche von Freunden und vor allem von Familienangehörigen, die als gesetzliche Erben die natürlichen Feinde des Erbschleichers sind, unterbindet er. Als die ältere Dame schließlich stirbt, taucht ein Testament auf, das kurz vor ihrem Tod handschriftlich verfasst wurde. Darin setzt die ältere Dame den Pfleger zum Alleinerben ihres nicht unbeträchtlichen Vermögens ein. Der Erbschleicher ist am Ziel.

Geschichten wie diese sind keine Fiktion, sondern kommen hierzulande immer wieder vor. Konkrete Zahlen, wie hoch der jährliche Schaden durch Erbschleicherei tatsächlich ist, gibt es nicht. Zu hoch ist die Dunkelziffer. Klar ist aber, dass es eine lukrative Sache sein kann, sich ein Erbe zu erschleichen. Im Jahr 2023 wurden laut Statistischem Bundesamt von den Finanzämtern hierzulande Erbschaften und Schenkungen im Wert von 121,5 Milliarden Euro steuerlich veranlagt – ein Rekord und fast 20 Prozent mehr als im Vorjahr. Jedoch dürfte die tatsächliche Weitergabe von Vermögen an die nächste Generation viel höher sein, da Schenkungen und Erbschaften, die innerhalb der Freibeträge erfolgen, darin nicht enthalten sind. Erbschleichern bietet das viele Möglichkeiten.

Erbschleicherei grundsätzlich nicht rechtlich angreifbar

Die Strategien sind recht vielfältig. Manche erschleichen sich Vollmachten, andere fälschen Dokumente, manipulieren handschriftliche Testamente, lassen bestehende Testamente verschwinden oder erwirken eine Heirat oder die Adoption. Wieder andere arbeiten darauf hin, Schenkungen zu Lebzeiten zu erhalten. Dabei muss man allerdings bedenken, dass es zwar moralisch äußerst verwerflich ist, ältere Menschen dahingehend zu beeinflussen, ein Testament zu den eigenen Gunsten abzuändern. Aufgrund der grundgesetzlich geschützten Testierfreiheit ist Erbschleicherei, sofern sie nicht rechtswidrig erfolgt, also zum Beispiel Dokumente gefälscht werden, grundsätzlich jedoch rechtlich nicht angreifbar.

Genau aus diesem Grund ist es besser, sich frühzeitig zu schützen. So empfiehlt es sich, sein Testament in einer Lebensphase anzufertigen, in der man im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten ist. Ein Testament kann – richtig aufgesetzt – das Risiko der Erbschleicherei reduzieren. Das geht mit einem gemeinschaftlichen Testament ohne Öffnungsklausel. Stirbt einer der Partner, dann kann derjenige, der länger lebt, diesen Vertrag – ohne eine solche Öffnungsklausel – nicht mehr ändern, einfach aufheben oder widerrufen. Abweichende letztwillige Verfügungen werden so unwirksam, Erbschleicherei wird erschwert. Will jemand auf eine Öffnungsklausel nicht verzichten, dann kann eine Testamentsänderung an die Bedingung geknüpft werden, dass der Betroffene seine Testierfähigkeit zuvor gutachterlich prüfen und bestätigen lassen muss.

Vollmachten können Angriffsfläche bieten

Aber auch Vorsorgevollmachten und die Betreuungsverfügung können eine Schwachstelle sein. Hier bietet es sich an, den Personen des eigenen Vertrauens frühzeitig Vollmachten zu erteilen und zwar unwiderruflich. Idealerweise sind solche Vollmachten so eingerichtet, dass sie nur durch den Vollmachtgeber und nicht durch andere Bevollmächtigte widerrufen werden können. Weitere Schutzvorkehrungen können sein, die Vorsorgevollmacht notariell beglaubigen zu lassen, die Herausgabe der Urkunde durch den Notar an Bedingungen zu knüpfen, mehrere Bevollmächtigte mit Gesamtvertretungsbefugnis oder einen Kontrollbevollmächtigten zu bestellen.

Auch lassen sich die Befugnisse eines Bevollmächtigten in einer zusätzlichen Vereinbarung eingrenzen. Da eine Gefahr darin besteht, dass Erbschleicher systematisch den Kontakt des Betroffenen mit seinem bisherigen Umfeld unterbinden, kann in einer umsichtig formulierten Vorsorgevollmacht auch festgelegt werden, dass dem Bevollmächtigten stets unmittelbarer Zugang zum Vollmachtgeber gewährt werden muss. Gerichtlich lässt sich dann der Kontakt zum Erblasser leichter wieder herstellen.

Nachweis für das Schriftbild des Erblassers

Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Wege, das Risiko von Erbschleicherei zu verringern. Zum Beispiel die Übertragung von Vermögenswerten an die rechtmäßigen Erben zu Lebzeiten, verknüpft mit Nießbrauch oder einer Leibrente. Das Einbinden von Vermögen in Familiengesellschaften oder die Gründung einer Stiftung und selbst die Inventarisierung wertvoller Gegenstände und deren Aufbewahrung in Bankschließfächern können einen gewissen Schutz bieten. Auch sollte man nicht vergessen, Schriftstücke als Nachweis für das Schriftbild sowie die Unterschrift des Erblassers aufzubewahren.

Die Auswahl an Vorsichtsmaßnahmen ist also vielfältig. Doch nicht jede ist individuell passend. Hilfestellung kann hier ein professioneller Finanzplaner, zum Beispiel ein von FPSB Deutschland zertifizierter CFP®-Professional, bieten. Darüber hinaus aber ist es eine wirkungsvolle Maßnahme, frühzeitig offene Gespräche innerhalb der Familie zu führen und regelmäßigen Kontakt zum Erblasser zu pflegen. Auch damit lässt sich Erbschleicherei verhindern oder zumindest erschweren.


Gastautor Maximilian Kleyboldt ist Vorstand des FPSB Deutschland und Direktor bei der Bethmann Bank. Das Financial Planning Standards Board Ltd. – FPSB ist ein globales Netzwerk mit derzeit 28 Mitgliedsländern und über 230.000 Zertifikatsträgern. Dessen Ziel ist es, den weltweiten Berufsstandard für Financial Planning zu verbreiten und das öffentliche Vertrauen in Financial Planner zu fördern. Das Financial Planning Standards Board Deutschland e. V. (FPSB Deutschland) mit Sitz in Frankfurt/ Main gehört seit 1997 als Vollmitglied dieser Organisation an.