Börsenhalbzeit – es zeigen sich Stärken und Schwächen

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30. Juli 2025

Börsenhalbzeit – es zeigen sich Stärken und Schwächen

In den zurückliegenden Monaten konnte der DAX den US-amerikanischen Markt outperformen. Gut möglich, dass auch in der zweiten Jahreshälfte die Aktienmärkte in Deutschland und Europa besser abschneiden als die US-Börse.

Doch abschreiben sollte man den US-Aktienmarkt, also um es genauer zu sagen, den Leitmarkt aller Börsen, sicherlich nicht. Dazu kommt, viele Aktien sind in den USA besser gelaufen. Der Nachtteil in der jetzigen Periode lag beim US-Dollar, der stark verloren hat. Worauf im zweiten Halbjahr an der Börse noch zu achten ist.

Halbzeit! An der Börse wurde vor kurzem zur Halbzeit gepfiffen. Wie lautet die Bilanz der ersten Hälfte des Jahres? Es war eine wirklich herausfordernde erste Halbzeit – mit vielen Pässen und Bewegung und vielen Enttäuschungen. Doch das Wichtigste vorab: Der Vermögensaufbau mit Aktien ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn die ersten sechs Monate dieses Jahres für den einen oder anderen Marktteilnehmer wirklich schwierig verlaufen sind, auf Grund der äußeren Einflüsse wie Trump, Zölle, Kriege, Staatsverschuldung und vielem mehr, bedeutet dies nun nicht, dass die Entwicklungen an der Börse von nun an nur noch von der Seitenlinie beobachtet werden sollten, im Gegenteil.

Was ist in den ersten sechs Monaten 2025 passiert und wie könnte es weitergehen? Schauen wir uns zuerst die großen Indizes DAX und S&P 500 an, die die Märkte in Deutschland und den USA widerspiegeln. Beide haben eine gute Entwicklung gezeigt, allerdings mit enormen Schwankungen. Der deutsche Index kommt auf ein gutes Plus, der amerikanische ebenfalls. Doch Vorsicht: Investoren müssen dabei auch die Entwicklung des Dollars beachten, der im Vergleich zum Euro abwertete – und somit auch die Aktienperformance von US-Aktien negativ beeinflusste.

Deutschland und Europa stehen bei Investoren derzeit hoch im Kurs

Es scheint so, dass Gelder aus den USA nach Europa – und insbesondere nach Deutschland – umgelenkt worden sind, trotz Rezession in Deutschland und politischem Wirrwarr. Selbst „eingefleischte“ Amerikaner aus dem Umfeld der Republikanischen Partei handeln Medienberichten zufolge so. Warum? Nun, zum einen ist das fundamentale Umfeld in Europa günstig (Stichwort niedrigere Zinsen). Zum anderen belastet die doch recht sprunghafte Politik von Donald Trump das Vertrauen einiger Anleger. Die mögen keine Unsicherheit – und wechseln lieber in das „sichere“ Europa.

Das führt auch dazu, dass der US-Dollar unter Druck kommt. Der Dollar wertet auch gegenüber dem Euro ab, Dollar werden also verkauft und Euro gekauft – eine klassische Nebenwirkung von Kapitalumschichtungen aus den USA Richtung Europa. Je tiefer der Dollar zu fallen droht, desto größer die Bereitschaft zu Umschichtungen. Hier wurde möglicherweise eine Spirale losgetreten, die sich auch im zweiten Halbjahr fortsetzen könnte.

Auch die Politik scheint hier mitzumachen. Erklärtes Ziel von Trump ist es ja, Amerika wieder groß zu machen – und das klappt eben über einen schwächeren Dollar eher als mit einem starken. Ein schwacher Greenback unterstützt die amerikanischen Ausfuhren, da US-Produkte so im Ausland billiger werden. Hört sich gut an, ist es aber nicht unbedingt. Amerika ist zur Finanzierung seiner Schulden auf ausländisches Kapital angewiesen. Hier tut sich also möglicherweise eine „Finanzierungslücke“ auf, die die Herren im Weißen Haus derzeit anscheinend nicht auf dem Radar haben. Abwarten, wie sie reagieren.

Doppelwumms für frische US-Aktienbesitzer

Nicht nur US-Produkte verbilligten sich im Ausland, auch US-Aktien. Was jedoch bei den Produkten gewünscht ist, wenn man auf Ketchup und Autos made in USA steht, ist bei Aktien absolut nicht erstrebenswert. Anders sieht es bei jenen aus, die noch keine US-Aktien besitzen, aber welche kaufen oder nachkaufen möchten. Hier könnten sich im zweiten Halbjahr hochinteressante Chancen ergeben. Setzt man voraus, dass der Dollar das aktuelle Niveau hält und wieder aufwertet – was ja sehr wahrscheinlich ist, weil die USA nun mal größte Wirtschaftsmacht und Technologieführer sind – entsteht für „frische“ US-Aktienbesitzer sozusagen ein „Doppelwumms“, resultierend aus steigenden Aktienkursen und einem aufwertenden Dollar.

Jede Menge Impulse

Richtig ist aber auch, dass die geopolitische und wirtschaftliche Gemengelage weiterhin herausfordernd ist. Daher wird die Börse auch im zweiten Halbjahr mit großer Wahrscheinlichkeit recht volatil bleiben. Attraktive Renditechancen bestehen aber sicherlich weiterhin, sie müssen nur gesucht und genutzt werden. Das funktioniert weniger über ein Indexinvestment, als vielmehr über gezieltes Stockpicking. Das gilt auch für Europa und Deutschland. Zwar ist der DAX möglicherweise weiterhin attraktiv, attraktiver und mehr Potenzial versprechen aber immer einzelne Aktien, breit gestreut in Europa. Auch Nebenwerte können wieder interessant werden, wenngleich der Depotanteil kleinerer Werte generell vergleichsweise gering ausfallen sollte. Dennoch: Nebenwerte könnten besonders von den Finanzspritzen profitieren – ob es nun wie in Deutschland die 500 Milliarden Euro für Infrastruktur oder die unbegrenzte Geldmenge für Verteidigung sind, es gibt jede Menge neue Impulse gerade für die heimische Industrie.

Greifen wir zum Schluss nochmal auf die Allegorie zum Fußball zurück. Die erste Halbzeit war wirklich sehr schwer, da fast unkalkulierbar mit den neuen Einflüssen der US-Politik. Es zeigten sich auch fundamentale Stärken und Schwächen in diversen Wirtschaftsräumen, dennoch: Die sogenannte zweite Halbzeit könnte wohlmöglich wesentlich besser verlaufen, aber dies ist wie beim richtigen Fußballspiel von vielen Faktoren abhängig.


Gastautor Dr. Markus C. Zschaber ist Gründer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft in Köln.