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    Arbeitswelt

    Auf Wandel eingestellt: Mit Wissen und Erfahrung

    Arbeitswelt | 3.3.2023 Drucken

    Plattformökonomie: Wie gelingt soziale Absicherung?

    In der Plattformökonomie erfolgt die Organisation von Arbeitsmärkten auf vollkommen neuartige Weise. Die Systeme der sozialen Sicherung stehen damit vor großen Herausforderungen. Angesichts der grenzüberschreitenden Natur von Plattformarbeit führt kein Weg an internationalen Lösungen vorbei.

    In der Plattformökonomie wird der Wandel der Arbeitswelt mit seinen Herausforderungen für die Altersvorsorge sichtbar wie in kaum einem anderen Bereich. Die soziale Absicherung von Plattformarbeit weist erhebliche Lücken auf. Ursachen und Lösungsansätzen für eine bessere Alterssicherung von Plattformarbeitskräften ging das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) in einer Studie nach.

    Dass die Alterssicherung von Plattformarbeitskräften überhaupt Probleme aufwirft, hat viel mit deren unklarem Beschäftigungsstatus zu tun. Immerhin ist für das deutsche Sozialversicherungsrecht die Zuordnung, ob jemand selbständig oder abhängig beschäftigt ist, entscheidender Anknüpfungspunkt für sozialversicherungsrechtlichen Schutz. Da diese Zuordnung im Bereich der Plattformökonomie in der Praxis den Plattformen durch entsprechende Vertragsgestaltung überlassen wird, die allenfalls durch gerichtliche Einzelfallentscheidungen revidiert werden kann, erscheint die Statusklärung ein wirksamer Hebel für eine Verbesserung der Situation der Alterssicherung von Plattformarbeitskräften zu sein. Die Klärung der Statusfrage Gerichten in Einzelfällen zu überlassen, ist hingegen kein vielversprechender Weg, führt man sich vor Augen, dass die oftmals geringen Arbeitszeiten und -entgelte und damit geringen Streitwerte sowie eine zu erwartende komplizierte Nachweisführung die Einleitung von Gerichtsverfahren wenig wahrscheinlich machen.

    Statusklärung: Selbständig oder abhängig beschäftigt?

    In seiner Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht zeigt Prof. Dr. Martin Gruber-Risak eine Reihe von Möglichkeiten auf, um den rechtlich korrekten Status von Plattformarbeitskräften besser durchzusetzen. In der Praxis fällt die Statusfeststellung schon allein deshalb schwer, weil die Plattform für Außenstehende einer Blackbox gleicht. Die Organisation der Leistungsabwicklung steuern in der Regel Algorithmen. Faktisch hat also nur die Plattform die Möglichkeit, einen entsprechenden Nachweis hinsichtlich der Arbeitspraxis zu erbringen.

    Aus diesem Grund sei es gerechtfertigt, so Gruber-Risak, von der herkömmlichen Beweislastverteilung, wonach Plattformarbeitskräfte den Status ihrer Beschäftigung nachweisen müssen, abzuweichen. Vielmehr sollte eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses zur Plattform eingeführt werden, welche von der Plattform widerlegt werden kann. Eine solche widerlegbare Vermutung abhängiger Beschäftigung hätte den Vorteil, Plattformarbeitskräfte von der Frage der Statusklärung zu entlasten und diese Verantwortung jenen zuzuschieben, die allein über die hierfür erforderlichen Informationen verfügen – die Plattformen.

    Heimarbeiter als Vorbild

    Eine weitere Möglichkeit der Statusklärung besteht in der Anwendung eines bereits heute im Sozialversicherungsrecht vorgesehenen Mechanismus. Prof. Dr. Gruber-Risak verweist auf das Instrument des Statusfeststellungsverfahrens (§7a SGB IV). Das dient dazu, Beteiligten Rechtssicherheit darüber zu verschaffen, ob sie selbständig tätig oder abhängig beschäftigt sind. Beteiligte Vertragspartner haben die Möglichkeit, eine Feststellung des Erwerbsstatus durch die Deutsche Rentenversicherung Bund zu beantragen. Eine obligatorische Durchführung dieses Verfahrens für die Beschäftigung von Plattformarbeitskräften würde zu Rechtssicherheit beitragen und Transparenz hinsichtlich des Sozialversicherungsstatus schaffen. Die Prüfung solle nach Gruber-Risaks Vorstellungen abstrakt stattfinden und sich auf das Geschäftsmodell als solches beziehen. Die Entscheidung über den Erwerbsstatus solle so lange Bestand haben, wie die Plattform ihr Geschäftsmodell nicht in relevanter Weise verändert.

    Klarheit über den Sozialversicherungsschutz ließe sich schließlich auch durch eine Einbeziehung von Plattformarbeitskräften kraft Gesetzes herstellen. Prof. Dr. Gruber-Risak weist in seiner Expertise darauf hin, dass mit den Heimarbeitern bereits einer Gruppe Selbständiger voller Sozialversicherungsschutz zukommt. Die sogenannten Heimarbeiter, worunter das Sozialgesetzbuch „Personen, die in eigener Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Gewerbetreibenden, gemeinnützigen Unternehmen oder öffentlich-rechtlichen Körperschaften erwerbsmäßig arbeiten, auch wenn sie Roh- oder Hilfsstoffe selbst beschaffen“ versteht, stellt das Gesetz Beschäftigten gleich. Zwar fallen Plattformarbeitskräfte nicht unter diesen Begriff der Heimarbeiter, weil etwa bei ortsgebundener Plattformarbeit keine Arbeit im eigenen Heim stattfindet und das Gesetz zudem Erwerbsmäßigkeit eng auslegt. Jedoch schlägt Prof. Dr. Gruber-Risak vor, in analoger Weise Plattformarbeitskräfte ex lege in die Sozialversicherung einzubeziehen.

    Transparenz durch Reportinganforderungen

    Neben dem unklaren Erwerbsstatus von Plattformarbeitskräften stellt bislang die fehlende Transparenz in Bezug auf die Plattformen eine Hürde auf dem Weg zu zufriedenstellendem Sozialversicherungsschutz dar. Transparenz hinsichtlich der Plattformaktivitäten und -tätigen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen überwachen zu können. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen bestehen allerdings große Schwierigkeiten für Finanz- und Sozialversicherungsbehörden, erforderliche Auskünfte zu erlangen.

    Abhilfe könnten entsprechende Gesetzesinitiativen schaffen, die für Plattformen Reportinganforderungen oder Auskunftspflichten vorsehen. Plattformen könnten etwa verpflichtet werden, Informationen zu im jeweiligen Land ausgeführten Plattformtätigkeiten sowie den ausführenden Personen zu berichten oder Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger könnten das Recht erhalten, entsprechende Informationen von Plattformen anfordern zu dürfen.

    Berichtspflichten der Plattformen

    Mit dem Plattformen-Steuertransparenzgesetz (PStTG) vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2730) hat der deutsche Gesetzgeber auf das Problem mangelnder Transparenz reagiert und eine Meldepflicht für Betreiber digitaler Plattformen und einen grenzüberschreitenden, automatischen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der EU-Mitgliedstaaten eingeführt. Das Gesetz erlegt Betreibern von Plattformen die Pflicht auf, bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte Angaben zu Plattformarbeitskräften, Vergütung, von der Plattform einbehaltenen Gebühren, der Zahl relevanter Transaktionen und diverse weitere Informationen zu melden. Die steuerlichen Deklarierungspflichten der Plattformarbeitskräfte selbst bleiben durch diese Meldepflichten unberührt, sie eröffnen jedoch einen Weg, die steuerlichen Angaben der Steuerpflichtigen überprüfen zu können.

    Da die relevanten Daten naturgemäß digital vorliegen, hält sich nicht nur der administrative Aufwand der Meldungen für die Plattformen in Grenzen, zudem ist auch zu erwarten, dass die Datenübermittlungen ein vollständiges Bild der Plattformtätigkeit ergeben. Grundsätzlich ist damit eine gute Basis geschaffen, um Absicherungslücken in der Plattformökonomie zu schließen. Einschränkend muss jedoch hinzugefügt werden, dass das Gesetz auf steuerliche Transparenz fokussiert und eine Meldung an die Steuerbehörden vorsieht. Sozialversicherungsschutz setzt also einen Datenaustausch zwischen Steuer- und Sozialversicherungsbehörden voraus.

    Erhebung an der Quelle

    Mit Informationspflichten für die Plattformen entstehen zwar Überwachungsmöglichkeiten, inwieweit Plattformarbeitskräfte ihren Deklarierungs- und Beitragspflichten nachkommen – letzten Endes hängt Sozialversicherungsschutz dabei aber doch vom Wissen und Willen jedes Einzelnen ab. Die spezifischen Eigenarten von Plattformarbeit mit ihren tendenziell geringen, schwankenden Einkommen sowie Tätigkeiten, denen in vielen Fällen nebenbei und sporadisch nachgegangen wird und die oftmals in der Grauzone zwischen Hobby und Erwerbsarbeit angesiedelt sind, tragen dazu bei, dass in der Praxis Absicherungslücken entstehen.

    Einen Ausweg stellen Vorschläge dar, die die Einbehaltung und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen (und Steuern) durch die Plattformen vorsehen. So behalten etwa in Italien Plattformen die Rentenversicherungsbeiträge von selbständig tätigen Plattformtätigen ein und führen diese ab. Eine ähnliche Vorgehensweise ist in Frankreich umgesetzt. Dort können Plattformarbeitskräfte die Plattform autorisieren, Beitragszahlungen einzubehalten und an die Sozialversicherung zu transferieren.

    Transnationale Lösung für ein transnationales Problem

    Auch wenn die dargestellten Ansätze erste Schritte in Richtung einer verbesserten Alterssicherung von Plattformarbeit bedeuten, bleibt dabei stets ein Kernproblem bestehen. In der Plattformökonomie hat man es mit einer Vielzahl grenzüberschreitender Vorgänge zu tun. Jedoch sind Lösungen, die auf Daten- oder Beitragsübermittlung abzielen, auf den inländischen Bereich beschränkt. Um das Problem der Alterssicherung von Plattformarbeitskräften grundlegend anzugehen, erscheint eine Regelung auf internationaler Ebene unerlässlich.

    Ein erster Schritt in diese Richtung kann in dem auf EU-Ebene erarbeiteten Vorschlag eines „Digital Single Window“ gesehen werden. Demnach haben Plattformbetreiber alle relevanten Einkommensdaten in einem standardisierten Format an das digitale Fenster zu übermitteln. Von dort werden die Daten der einzelnen Plattformarbeitskräfte an die verschiedenen nationalen Steuer- und Sozialversicherungsbehörden weitergeleitet. Ein solches System hätte den Vorteil, einer Zersplitterung von Berichtspflichten entgegenzuwirken und Plattformen die vereinfachte Möglichkeit der Meldung an eine zentrale Instanz anstatt einer Vielzahl verschiedener nationaler Institutionen zu geben. Als Option enthält der Vorschlag einen digitalen Mechanismus. Er sieht die Einbehaltung der Beiträge an der Quelle sowie deren Weiterleitung an die zuständigen Behörden vor. Weil Plattformen natürlich auch über EU-Grenzen hinaus tätig sind, ist die Wirksamkeit solcher Vorschläge von Vornherein begrenzt. Allerdings werden auch auf OECD-Ebene Reportingregeln entwickelt, die digitale Plattformen verpflichten sollen, Einkommensdaten an die jeweiligen nationalen Steuerbehörden zu melden.

    Hilft eine EU-Richtlinie weiter?

    Darüber hinaus hat die Europäische Kommission Ende 2021 einen Richtlinienvorschlag (COM(2021) 761 final vom 9.12.2021) zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit vorgelegt. Darin wird u. a. in Aussicht gestellt, Plattformarbeitskräften durch Bestimmung ihres Beschäftigungsstatus Zugang zu bestehenden Arbeitnehmerrechten und Sozialleistungen zu verschaffen. Dabei wird anhand einer Liste von Kriterien geprüft, ob die Plattform als Arbeitgeber gilt oder nicht. Es bleibt abzuwarten, ob eine etwaige EU-Richtlinie imstande sein wird, Plattformarbeit in der EU künftig besser sozial abzusichern.

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