Bekommt man für eine Staatsanleihe 4,5 Prozent Zinsen anstatt 4,0 Prozent ist das ganz nett. Hat man nominal 10.000 Euro angelegt, sind das 50 Euro „brutto“ mehr im Jahr.
Für Anleiheemittenten, die Kapitalbedarf haben, ist dieser Zinsunterschied von 12,5 Prozent schon gravierender. Ist man ein Staat, der 36 Billionen US-Dollar Schulden hat, wovon ca. 25 Billionen aus eigenen Staatsanleihen bestehen, müsste man für die Refinanzierung dieser Staatsverschuldung ca. 125 Milliarden US-Dollar mehr bezahlen. Pro Jahr. Hat man einen Präsidenten in der (noch) größten Volkswirtschaft der Welt, der bereits Kredite von Banken und Steuergelder des Staats durchgebracht hat und es vorzog, sechsmal in die Insolvenz zu gehen – das wirkt dann eher wie ein „Geschäftsmodell“ – anstatt seine Schulden zu bezahlen, muss man leider mit „Kreativität“ rechnen.

Die Kombination aus Kritikresistenz, stark vereinfachter Kommunikation, einem Umfeld aus karriereorientierten Ja-Sagern und Skrupellosigkeit führt dann zu Lösungen aus der wirtschaftlichen Steinzeit und zu Stress an den Kapitalmärkten.
Traditionell ist in den USA auch der Schuldenstand bei Privathaushalten sehr hoch. 1,2 Billionen US-Dollar an Kreditkartenkrediten, die mit ca. 20,3 Prozent verzinst werden, ca. 1,75 Billionen US-Dollar an Studentenkrediten, die mit 5,5 bis 8,5 Prozent bepreist sind, und zwölf Billionen US-Dollar Immobilienkredite, oft mit 30-jähriger Laufzeit und niedrigen Tilgungen, zeigen deutlich, wie der American-Dream finanziert wurde und wird.
Leben auf Pump
Diese Zahlen offenbaren soziale und wirtschaftliche Unsicherheit in der angeblich boomenden Wirtschaft Amerikas. Angesichts steigender Ausgaben und stagnierender Löhne sind Millionen Arbeiter und Angehörige der unteren Mittelschicht gezwungen, ihre Lebensmittel, Benzin, Medikamente, Kleidung und andere Lebenshaltungskosten mit ihrer Kreditkarte zu bezahlen. Durch die gestiegenen Zinssätze wird es immer schwieriger, Kreditkartenzahlungen zu leisten, geschweige denn Kredite zurückzuführen. Zur Erinnerung: Nach der Finanzkrise war jeder achte Amerikaner auf Lebensmittelzuschüsse vom Staat angewiesen. Das traf überproportional den Mittelstand. Als Schuldige werden nun vorangegangene demokratische Regierungen, das Ausland und die Fed ausgemacht.
Es gibt einen Grund, warum Zentralbanken in den meisten Ländern – selbst in Autokratien – so unabhängig wie möglich von der Politik gemacht wurden. Wenn die Kontrolle über die einzige Institution, die in der Lage ist, die Geldschöpfung zu steuern, in politische Hände fällt, mündet dies fast zwangsläufig in ausufernden Haushaltsdefiziten, die von der Zentralbank finanziert werden. Das führt dann beispielsweise zu galoppierender Inflation, ineffizienten Staatsausgaben und Günstlingswirtschaft.
Anders als die EZB oder die Bundesbank ist die US-Notenbank keine öffentliche Einrichtung. Aber über allem sitzt das Federal Reserve Board of Governors, der politisch bestimmte Verwaltungsrat, seit Februar 2018 geführt von Jerome Powell. Das Gremium entscheidet unabhängig. Es gibt also in den USA eine Art der Gewaltenteilung zwischen Finanzsektor und Politik. Die Zinsentscheidungen trifft der sogenannte Offenmarktausschuss (FOMC). Dazu gehören die sieben Mitglieder des Federal Reserve Board, der Präsident der Federal Reserve Bank of New York und vier Vertreter anderer Regionalbanken, die nach einem Turnusverfahren wechseln.
Angriff auf die Unabhängigkeit der Notenbank
Trump stört diese Unabhängigkeit. Über die Osterfeiertage erklärte er mal wieder, dass der Vorsitzende der Fed, Jerome Powell, den er während seiner ersten Amtszeit selbst ernannt hatte, bald zurücktreten sollte. Powell hatte darauf hingewiesen, dass Trumps Importzölle die Inflation anheizen und das Wirtschaftswachstum verlangsamen – eine Botschaft, die bei Trump nicht gut ankam.
Noch beunruhigender für Trump war die Schlussfolgerung der Fed, dass die Zinssätze unter diesen Umständen in nächster Zeit nicht wesentlich gesenkt werden könnten. Trump will aber Zinssenkungen, weil er glaubt, dass diese die Verlangsamung des Wachstums abfedern. Das ist von entscheidender Bedeutung, da eine Verlangsamung das bereits hohe Haushaltsdefizit weiter aufblähen und damit die öffentlichen Finanzen aus dem Gleichgewicht bringen würde
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund, dass Trump zuvor behauptet hat, mehr über die Zinssätze zu wissen als die Fed, und es an der Zeit sei, dass er ein Mitspracherecht bei den politischen Entscheidungen der Fed hat. Er kann der Federal Reserve nicht einfach seinen Willen aufzwingen oder den Vorsitzenden der Fed entlassen. Dazu müsste er erhebliche rechtliche Hindernisse überwinden. In Anbetracht von Trumps jüngstem Vorgehen gegenüber anderen Institutionen, die sich ihm widersetzen, ist es jedoch offensichtlich, dass er bereit ist, rechtliche Grenzen zu überschreiten.
Reaktionen ausländischer Investoren
Ausländische Kapitalbesitzer sind nicht bereit, den Ausgang solcher Rechtsstreitigkeiten abzuwarten. Im Falle Chinas und seiner Verbündeten besteht insbesondere die Befürchtung, dass Trump ihre Reserven einfrieren oder beschlagnahmen könnte – ähnlich wie der Westen kürzlich mit russischen Vermögenswerten verfuhr. Zur Beunruhigung tragen auch Berichte bei, dass die USA einen Austritt aus dem IWF in Erwägung ziehen könnten. Ein solcher Schritt würde die globalen Währungsbeziehungen grundlegend erschüttern.
Daher können ausländische Investoren versuchen, ihr Engagement in den USA vorerst zu minimieren, und vielleicht sogar damit beginnen, Kapital abzuziehen. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die globalen Märkte, da ausländisches Kapital lange Zeit eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der USA gespielt hat.
Verschiebung der Kapitalströme
Durch seine geopolitischen „Strategien“ hat Trump die europäischen Nationen ungewollt näher zusammengebracht. Sie bilden zunehmend eine gemeinsame Front – geopolitisch, militärisch und wirtschaftlich. Darüber hinaus planen viele europäische Länder, ihre Steuerausgaben für Verteidigung, Infrastruktur und Klimainitiativen zu erhöhen. Dies kann das Wachstum fördern und die EZB dazu veranlassen, die Zinssätze zu senken.
Innerhalb Europas wird der Schweizer Franken traditionell als Schutz vor geopolitischen Spannungen und finanzieller Instabilität genutzt. Die Währung wird von der Zentralbank erheblich gestützt, obwohl die SNB wahrscheinlich versuchen wird, eine übermäßige Aufwertung zu verhindern. Abflüsse aus US-Staatsanleihen und Zukäufe bei Gold sind schon seit einiger Zeit zu beobachten. Diese Kapitalverschiebungen führen zu einem Aufwärtsdruck auf die langfristigen Zinssätze in den USA und zu einem Abwärtsdruck in Europa. Folglich besteht auch ein Abwärtsdruck auf US-Aktien und ein eher positives Momentum bei europäischen Titeln.
Fazit: Wenn man sich so „anstrengt“, wie die US-Administration, kann man Vertrauen, das in Jahrzehnten aufgebaut wurde, in wenigen Wochen durch eine Kombination aus Ignoranz, Inkompetenz, unvorbereiteten, teils peinlichen Auslandsauftritten und „sozialen“ Medien zerstören. Vertrauen ist aber vielleicht die wichtigste Währung. Die Kapitalmärkte bzw. deren Teilnehmer haben in den ersten Handelstagen nach Ostern mit zwei gegensätzlichen Marktreaktionen klar kommuniziert, wem das Vertrauen in den USA gilt: Der Fed und Jerome Powell.
Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager und zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments bei Pruschke & Kalm -Wellinvest-