Deutsches Rentensystem – bedingt reformfähig
DIA-Studie mit einem Vergleich von Rentensystemen in sechs europäischen Ländern stellt erhebliche Unterschiede in der Konsensbereitschaft bei Anpassungen der Alterssicherung fest
Die Bereitschaft, das bestehende Rentensystem an veränderte Bedingungen anzupassen, ist in Europa von Land zu Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Deutschland blockieren sich die unterschiedlichen Akteure bei notwendigen Rentenreformen häufig gegenseitig, wodurch am Ende meist nur eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zustande kommt. Dabei spielen die unterschiedlichen Meinungen der politischen Akteure der Regierungskoalition und die unterschiedlichen Lager in den Gewerkschaftsverbänden eine verschärfende Rolle. Diese Einschätzung treffen die Autoren der jüngsten DIA-Studie. Sie vergleicht die Rentensysteme in sechs europäischen Staaten und kommt dabei zu dem Schluss, dass die Konsensfähigkeit der Sozialpartner in Veränderungsprozessen in Deutschland weniger ausgeprägt ist als in einigen anderen untersuchten Ländern.
Als lobenswertes Beispiel hebt die Studie Schweden hervor. Dort haben die politischen Parteien mit einer gemeinsamen Kommission, die die Regeln und Ansätze für die Weiterentwicklung der Altersversorgung einstimmig beschließt, einen großen Sprung in ein allseits anerkanntes System gemacht. „Die gemeinsame Haltung hat großen Einfluss auf die Akzeptanz in der Bevölkerung, auch auf etwaige notwendige Anpassungen“, heißt es in der Studie, die das Hamburger Institut für Wirtschaft und Gesellschaft (IWG) im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) angefertigt hat.
Im niederländischen System haben die Tarifparteien schon lange Versorgungseinrichtungen, die sie gemeinsam führen, und sträuben sich nicht, wenn die Regierung erforderliche Anpassungen vornimmt. Insgesamt habe man es so gemeinsam geschafft, eines der besten Systeme mit der höchsten Nettoersatzrate zu gestalten, urteilen die Verfasser der Studie.
Politik liefert aktuelle Beispiele
„Die Einschätzung der Studie zur Konsensfähigkeit in Rentenreformen erfährt gerade durch einige Ereignisse in der deutschen politischen Landschaft eine aktuelle Bestätigung. War es früher in Deutschland üblich, weitreichende Veränderungen im Rentensystem in einem parteiübergreifenden Konsens vorzunehmen, verfolgen heute Teile der Regierungskoalition mit dem Reformpaket II klare parteipolitische Zielstellungen, anstatt die demografischen Probleme anzugehen“, stellt DIA-Sprecher Klaus Morgenstern fest.
Auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung zeige sich, wie im Lager der Sozialpartner sehr unterschiedliche Standpunkte konkurrieren und innovative Lösungen verhindern. „So hatten süddeutsche Gewerkschafter der IG Metall ein Tarifmodell für eine reine Beitragszusage entwickelt, die unter Experten derzeit als Goldstandard in der betrieblichen Altersversorgung gilt. Auf dem Gewerkschaftstag scheiterten sie dann aber damit“, fügt Morgenstern hinzu.
Die komplette Studie finden Sie hier. Sie enthält ausführliche Steckbriefe zum Rentensystem in Deutschland, Frankreich, in den Niederlanden, in Schweden, in der Schweiz und im Vereinigten Königreich. Neben dem Vergleich anhand eines 15 Kriterien umfassenden Katalogs wertet die Studie weitere volkswirtschaftliche Kennziffern zur Demografie und zu den Sozialsystemen aus.
Nachricht an die Redaktion
Senden Sie Hinweise, Lob oder Tadel zu diesem Artikel an die DIA Redaktion.