Der Aufstieg börsennotierter Indexfonds (ETF) folgt der weit verbreiteten These, dass die Aktienmärkte weitgehend effizient seien. Das heißt: In den Kursen sind alle relevanten Informationen schon verarbeitet, deswegen kann niemand schlauer sein als der Markt.
Gerade weil das Börsengeschehen immer stärker von Profis und weniger von privaten Anlegern geprägt wird, erhöht sich die Effizienz mit der Folge, dass den Profis ihre Erfahrung und ihr Wissen immer weniger nützt. Für diese These spricht, dass die Mehrzahl aktiver Fondsmanager schlechter als der jeweilige Vergleichsindex abschneidet. Genau daher rührt der Erfolg der Index-ETF.
Aber stimmt die These von der zunehmenden Effizienz der Börsen wirklich? Cliff Asness, ein bekannter US-Hedgefonds-Manager, behauptet das Gegenteil. Während seiner fast 35 Jahre Berufserfahrung seien die Märkte immer ineffizienter geworden. Er stellt dazu drei Hypothesen auf und zieht eine Schlussfolgerung für Anleger.
Value-Spread als Messlatte
Zunächst stellt sich die Frage, wie sich Effizienz definieren lässt. Asness wählt ein einfaches Verfahren: den Abstand in den Bewertungen der Aktien, den sogenannten Value-Spread. Je größer diese Abstände zwischen den besonders hoch und den besonders niedrig bewerteten Aktien sind, desto weniger effizient sind danach die Märkte. Nach dieser Methode kommt er zu dem Ergebnis, dass die Effizienz seit Ende der 1990er Jahre deutlich zurückgegangen ist, weil sich die Value-Spreads tendenziell erhöht haben. Das Verfahren ist sicher etwas willkürlich und damit auch problematisch. Aber im Grunde nicht problematischer als die traditionelle These von der Effizienz der Märkte. Bei der wird diese Effizienz aus grundsätzlichen Erwägungen heraus einfach behauptet und gar nicht definiert.
Man könnte auch sagen: Die klassische These definiert die Effizienz indirekt als das, was die Märkte anzeigen, und kommt dann zum wenig überraschenden Schluss, dass die Märkte effizient sind. Verglichen damit ist der Ansatz von Asness fast schon wissenschaftlich.
Börsengeschehen wird irrationaler
Asness nennt drei mögliche Ursachen dafür, dass die Bewertungen immer weiter auseinanderklaffen, was er als Zeichen für Ineffizienz sieht. Erstens, etwas vereinfacht dargestellt: Die Zunahme des Index-Investierens macht das Geschehen irrationaler. Die rationalen Investoren werden mehr zum Index-Investieren übergehen, daher blieben nur noch die weniger rationalen übrig, um den Markt zu bewegen. Doch nur jene, die nicht auf den Index setzen, können die Richtung des Marktes verändern.
Hypothese zwei: Die lange Zeit sehr niedriger Zinsen hat die Investoren buchstäblich verrückt gemacht. Wenn mit solidem Investment, etwa in Anleihen, nichts mehr zu holen ist und zugleich die Kurse der Wachstumsaktien hochgetrieben werden, dann verführt das die Anleger zu irrationalem Verhalten.
Ist die Masse wirklich weise?
Die dritte Hypothese hält Asness für besonders überzeugend: Gerade weil immer mehr Informationen immer schneller ausgetauscht werden, fördert das ein einheitliches Verhalten, bekannt auch als Herdentrieb. In dem Zusammenhang wendet er sich auch gegen die manchmal behauptete „Weisheit der Masse“, die der Argumentation folgt, dass viele Menschen mehr wissen als einzelne. Sein Gegenargument: Diese Weisheit könnte es geben, wenn jeder in der Masse unabhängig von den anderen urteilen würde, aber de facto beeinflussen sich ja alle gegenseitig. Für besonders gefährlich hält er in diesem Zusammenhang den Einfluss von Social Media. Was also tun? Seine Ratschläge laufen darauf hinaus, mit möglichst langfristigem Horizont Geld anzulegen und kurzfristige Trends zu ignorieren.
Unsere Einschätzung: Dass die Märkte immer mal wieder verrückt spielen, kennt man. Mit Trump im Weißen Haus muss man sich ohnehin auf wilde Kurswechsel gefasst machen. Langfristig zu investieren und das kurzfristige Auf und Ab auszublenden, ist da gar nicht so einfach. Es klappt oft besser, wenn man sich mit etwas identifizieren kann. Dann hält man auch durch, wenn es mal nicht so gut läuft. Wenn Sie sich mit einem Aktienindex identifizieren können, mag ein ETF langfristig die richtige Wahl sein. Doch ein Index ist für die meisten Menschen zu abstrakt.
Gastautor Dr. Marc-Oliver Lux ist Geschäftsführer der Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München.