Mit dem Notfallordner handlungsfähig im Krisenfall

Artikel von
28. Juli 2025

Mit dem Notfallordner handlungsfähig im Krisenfall

Unverhofft kommt oft: Mit einem sogenannten Notfallordner, der alle persönlich wichtigen Dokumente beinhaltet, sind Angehörige bei einem Unfall, einer schweren Krankheit oder beim Todesfall besser vorbereitet.

Ob im Ordner, in einer Mappe oder in einem Karton – im Notfall sollten alle wichtigen persönlichen Dokumente griffbereit vorhanden sein. Manchmal muss es einfach sehr schnell gehen. Bei einem Unfall etwa, bei einem Brand, einer plötzlich auftretenden schweren Krankheit oder schlimmstenfalls im Todesfall: Ein Notfallordner bringt Klarheit und Sicherheit, was an Vollmachten, Verfügungen, Verträgen und wichtigen Informationen vorhanden ist, damit andere in einer Notsituation für den Betroffenen Dinge regeln und abwickeln können.

Solch ein Notfallordner ist der ideale Aufbewahrungsort für alle wichtigen Dokumente, die Betroffene, ihre Angehörigen und weitere Vertrauenspersonen in Notsituationen benötigen. Ob die Vorsorgevollmacht, die Zuständigkeiten und Wünsche klärt, Informationen zum Gesundheitszustand, wichtige Daten von Versicherungen und Banken oder die Patientenverfügung – diese Dokumente, gebündelt und griffbereit in einem einzigen Ordner, erlauben schnelles Agieren von Angehörigen und Bevollmächtigten.

Auch wenn das Anlegen und Befüllen des Notfallordners zunächst einmal aufwändig erscheinen, die Angehörigen werden es danken. Wenn es keinen solchen Ordner gibt, bedeutet das für die Angehörigen bzw. Hinterbliebenen: Sie müssen mühsam und zeitaufwendig recherchieren, sich durch Papierstapel und Aktenordner wühlen und Dienstleister, Versicherungen und beispielsweise Social Media-Anbieter kontaktieren.

Ordnung in die finanziellen Angelegenheiten bringen

Die Erfahrung zeigt, dass dann trotzdem viele Fragen offenbleiben. Es kann zudem teuer werden, etwa wenn aus Unkenntnis über ihre Existenz bestimmte Verträge einfach weiterlaufen. Außerdem ist ein Notfallordner auch ein guter Anlass, Ordnung in die eigenen finanziellen Angelegenheiten zu bringen. Ob Versicherungen, Mitgliedschaften oder Abos – welche Verträge sind noch sinnvoll, welche werden wirklich überhaupt benötigt oder kann man sie auch kündigen?

Was aber genau gehört nun in einen solchen Ordner? Neben den Kontaktdaten wichtiger Personen und Unternehmen (von Partner und Familie über Arbeitgeber bis hin zu Ärzten, Steuerberater und Rechtsanwälten sowie Finanzplanern) sollte ein großer Abschnitt die Bereiche Verfügungen und Vollmachten umfassen. Dazu zählen das Testament ebenso wie die Betreuungs- und Patientenverfügungen sowie die Vorsorgevollmacht.

Es ist ein großer Irrtum zu denken: Ich bin ja verheiratet, mein Partner kann für mich alles regeln. Bei einem Notfall sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zunächst eine gesetzliche Betreuung vor. In Deutschland gab es erfreulicherweise zum 1. Januar 2023 eine wichtige Reform im Betreuungsrecht: das Ehegattenvertretungsrecht im Notfall. Es ermöglicht Ehepartnern, in akuten medizinischen Notfällen für einander bestimmte Entscheidungen zu treffen – auch ohne vorherige Vorsorgevollmacht oder gesetzliche Betreuung. Es gilt in diesem Zusammenhang jedoch zu beachten, dass das neue Notvertretungsrecht für Ehegatten nur auf die Angelegenheiten der Gesundheitssorge und eng damit zusammenhängende Angelegenheiten beschränkt ist. Vermögensfragen sind ausdrücklich nicht Inhalt der Reform. Zum anderen ist das Vertretungsrecht auf sechs Monate begrenzt. Verhindern kann man dies mit einer Vorsorgevollmacht als Generalvollmacht im Original. Jeder, der 18 Jahre alt ist, sollte eine derartige Vollmacht ausstellen.

Vorsorge für den schlimmsten Fall

Nicht weniger wichtig sind eine Betreuungs- sowie eine Patientenverfügung, für den Fall, dass man nach einem Unfall, einem Schlaganfall oder beispielsweise bei einer Demenz-Erkrankung nicht mehr selbst entscheiden kann. Eine Patientenverfügung benötigen die Ärzte, die verpflichtet sind, sich an den schriftlich geäußerten Willen zu halten.

Außerdem wird die Notwendigkeit eines Testaments immer wieder unterschätzt. Wenn keines verfasst ist, greift die gesetzliche Erbfolge. Auch deshalb besteht gerade bei Patchwork-Familien, Unverheirateten sowie Familien mit minderjährigen Kindern ein erhöhter Regelbedarf. Bei unternehmerischen Beteiligungen und Immobilienbesitz erleichtert ein Testament ebenfalls die Abwicklung des Vermögens des Erblassers enorm.

Ein weiteres Kapitel im Notfallordner sollte den Bereichen Finanzen und Versicherungen gewidmet sein. Hier empfiehlt sich vor allem die Ausstellung einer Bankvollmacht über den Tod hinaus. Immer mehr an Bedeutung gewonnen hat auch die Information zum digitalen Nachlass. Dazu zählen die Regelung der Zugangsdaten etwa für soziale Netzwerke, E-Mail-Dienste sowie digitale Wallets. Vertrauliche Informationen wie Passwörter gehören jedoch nicht in den Notfallordner. Dort findet sich im besten Fall nur ein Hinweis darauf, wo solche vertraulichen Daten hinterlegt sind – etwa in einem Schließfach, bei einem Anwalt oder in einem Safe.

Professionelle Unterstützung ist oft sinnvoll

Um Fehler oder Versäumnisse bei einer Vorsorgevollmacht oder dem Testament zu vermeiden, sollte man sich an Professionals wie die vom FPSB Deutschland zertifizierten CFEP®– oder CFP®-Professionals wenden. Entscheidend ist, sich frühzeitig mit dem Thema Notfallordner zu beschäftigen. Später ist zu spät. Meine Empfehlung lautet daher: Legen Sie den Notfallordner mit allen wichtigen Unterlagen und Vollmachten schon an, wenn es Ihnen gut geht, warten Sie nicht auf den Notfall. Bedenken Sie ebenfalls, dass der Notfallordner gut gefunden wird und jederzeit griffbereit ist. Derzeit entwickeln sich auch digitale Notfallordner am Markt als zusätzliche Option.


Gastautor Prof. Dr. Rolf Tilmes ist Vorstand des FPSB Deutschland und Academic Director Finance, Wealth Management & Sustainability Management an der EBS Executive School in Oestrich-Winkel.