Es ist eigentlich ganz einfach und zudem klar gesetzlich geregelt: Mit Vorsorgevollmacht sowie Patientenverfügung kann jeder vorausschauend seinen Willen dokumentieren, wenn er oder sie selbst durch Krankheit oder Unfall nicht mehr dazu in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen.
„Doch unsere Beratungspraxis zeigt, dass sich viele Frauen und Männer nicht frühzeitig um diese Themen kümmern und sie beiseite schieben“, berichtet Maximilian Kleyboldt, CFP®und Vorstand des Financial Planning Standards Board Deutschland e. V. (FPSB Deutschland). Das zeigt auch eine Analyse des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) aus dem Jahr 2024. Demnach verfügt nur jeder zweite Intensivpatient in Deutschland über eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung. 39 Prozent der Befragten ohne Dokument haben sich noch nie Gedanken über diese Thematik gemacht, so die Studie. Das ist ein großes Versäumnis, schließlich können die genannten Dokumente in vielen Lebensbereichen sinnvoll sein und sie können in jedem Alter notwendig werden, denn auch ein junger Mensch kann in die missliche Lage geraten, nicht mehr selbst entscheiden zu können.
„Ein elementarer Bestandteil jeder Finanzplanung ist deshalb die Vorsorge für den Fall, dass man nicht mehr selbst seine Entscheidungen treffen kann“, sagt Kleyboldt. Nur Eltern besitzen gegenüber ihren minderjährigen Kindern ein umfassendes Sorgerecht und damit die Befugnis zur Entscheidung und Vertretung in allen Angelegenheiten. Um die Interessen des Einzelnen und auch der Familie zu bewahren und diese nicht in fremde Hände legen zu müssen, bedarf es deshalb neben dem Testament auch einer Vorsorgevollmacht sowie einer Patientenverfügung. Zur Vertretung minderjähriger Kinder im Notfall ist eine Sorgerechtsverfügung erforderlich. In dieser können Eltern festlegen, wer im Ernstfall das Sorgerecht ausüben soll, sollten sie dazu selber temporär oder dauerhaft nicht mehr in der Lage sein.
Gesetzliche Betreuung vermeiden
„Es ist ein großer Irrtum zu denken: Ich bin ja verheiratet, mein Partner kann für mich grundsätzlich alles regeln“, warnt Kleyboldt. In Deutschland gab es erfreulicherweise zum 1. Januar 2023 eine wichtige Reform im Betreuungsrecht: das Ehegattenvertretungsrecht im Notfall. Es ermöglicht Ehepartnern, in akuten medizinischen Notfällen füreinander bestimmte Entscheidungen zu treffen – auch ohne vorherige Vorsorgevollmacht oder gesetzliche Betreuung. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch zu beachten, dass das neue Notvertretungsrecht für Ehegatten nur auf die Angelegenheiten der Gesundheitssorge und eng damit zusammenhängende Angelegenheiten beschränkt ist. Vermögensfragen sind ausdrücklich nicht Inhalt der Reform. Zum anderen ist das Vertretungsrecht auf sechs Monate begrenzt.
Bei einem Notfall sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eine gesetzliche Betreuung vor, die durch das Betreuungsgericht eingesetzt wird. Das gilt auch für Ehegatten und Familienangehörige. Die Frage ist: Will man als Betroffener, dass gegebenenfalls Fremde einen betreuen? Gesetzliche Betreuung kommt immer dann zum Tragen, wenn eine volljährige Person ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln kann und keine Vorsorgevollmacht vorhanden ist. Das Gericht prüft die Eignung und bestellt den Betreuer. „Verhindern kann man dies mit einer Vorsorgevollmacht als Generalvollmacht im Original“, informiert der Experte und erklärt weiter: „Jeder, der 18 Jahre alt ist, sollte entsprechende Vollmachten für die Gesundheits- und für die Vermögensvorsorge ausstellen.“ Zumal auch etwa zur Vertretung in Immobilienangelegenheiten zwingend eine notarielle Vorsorgevollmacht notwendig ist. Ein Notvertretungsrecht reicht nicht aus.
Estate Planning ohne Rechtsberatung
So ist es kein Zufall, dass die vom FPSB Deutschland zertifizierten Professionals im Estate Planning-Beratungsprozess darauf hinweisen, Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten einzurichten. Doch mit dem Hinweis darauf endet auch die Beratungsleistung in diesem Bereich, denn in dem im Jahr 2008 eingeführten Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ist klar geregelt, dass auch die Financial und Estate Planner keine Rechts- und Steuerberatung durchführen dürfen. Das bedeutet: Auch konkrete Vorschläge für die Gestaltung oder die Erstellung eines Testaments, einer Vorsorgevollmacht oder einer Patientenverfügung beziehungsweise eines entsprechenden Entwurfs erfordern eine Rechtsberatung, die von FPSB-zertifizierten Professionals nicht erbracht werden dürfen.
Um beim Estate Planning eine vollumfassende Beratung anbieten zu können, ist aber die Berücksichtigung rechtlicher und steuerlicher Aspekte unumgänglich. Das spielt für die Vermögensübertragung eine besondere Rolle. Estate Planning ist eine ganzheitliche Beratung für den Vermögensübergang. „Hier regelt das RDG sehr klar, dass rechtliche Aspekte im Estate Planning nicht mehr als eine Nebenleistung sein dürfen“, erklärt Kleyboldt. „Tatsächlich dürfen laut des RDG Rechtsdienstleistungen nur im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbracht werden, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören“, erklärt Kleyboldt, zugleich Direktor im Wealth Planning bei der Bethmann Bank. Somit ist Estate Planning im Sinne eines Generationenmanagements ein sinnvoller Beratungsansatz zur Abbildung von Nachfolgegestaltungen mit Fokus auf Vermögen und Liquidität.
Regulatorische Vorgaben im Blick
Es ist aus Sicht des FPSB Deutschland unerlässlich, dass beim Estate Planning die regulatorischen Vorgaben beachtet werden. „Vom Beratungsprozess her ist eindeutig, dass bei der eigentlichen rechtlichen Umsetzung von testamentarischen Regelungen ein Rechtsanwalt oder Notar eingeschaltet werden muss, da dieses eine Rechtsdienstleistung darstellt“, macht Kleyboldt noch einmal deutlich. Estate Planner erstellen selber auch keine Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten, halten sich an die Grenzen des RDG und delegieren die entsprechenden Aufgaben bei Bedarf an Rechtsanwälte und Notare.
Allerdings können Finanzplaner beispielsweise auf Angebote im Markt hinweisen, durch die Kunden sich selbständig Vorsorgevollmachten durch Rechtsberater erstellen lassen können. Ein weiterer Tipp ist die Homepage des Bundesjustizministeriums, wo es für Verbraucher nützliche Hinweise, rechtssichere Musterformulare mit Textbausteinen und Ausfüllhilfen zu diesem Thema gibt. Ansonsten gilt es für Estate Planner, das Spannungsfeld zwischen dem Nachfolge- und Generationenmanagement einerseits und der Rechts- und Steuerberatung andererseits zu beachten. In der heutigen sich stark technologisch wandelnden Zeit gibt es darüber hinaus Online-Plattformen von Berufsträgern, wo Interessierte für sich persönlich eine rechtssichere Vorsorgevollmacht eigenhändig erstellen lassen können. Grundsätzlich ist aber eine individuelle Beratung durch den Rechtsanwalt der Kunden zu empfehlen.