Parteien-Poker um das Rentenpaket II
Gerade haben die Parteien der Ampelregierung einen heftigen Dämpfer bei der Europawahl bekommen, da verschärft sich ein schon länger schwelender Konflikt in der Rentenpolitik und bringt die drei Koalitionspartner noch tiefer ins schwere Fahrwasser.
Einen Tag nach der Wahl meldeten mehrere FDP-Bundestagsabgeordnete Widerstand gegen das Rentenpaket II an. Es war erst nach einer langen Hängepartie im Regierungskabinett verabschiedet worden. Nun zeigt sich erneut, dass unter den drei Regierungsparteien keineswegs Einigkeit in der Rentenpolitik herrscht, wie der ministerielle Kompromiss zum Rentenpaket II signalisieren sollte.
Das Paket besitzt zwei Kernelemente. Zum einen soll auf Drängen der SPD der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel abgeschaltet werden. Er sorgt bislang dafür, dass die demografischen Belastungen einigermaßen fair auf Beitragszahler und Rentner aufgeteilt werden. Zum anderen ist geplant, mit dem sogenannten Generationenkapital eine Teilkapitalisierung der gesetzlichen Rente auf den Weg zu bringen. Damit hat sich die FDP durchgesetzt. Sie war mit dem Konzept der Aktienrente 2021 in den Wahlkampf gezogen. Davon blieb im Gerangel der Koalition am Ende aber nur noch eine kastrierte Version übrig, die in der Zukunft ein klein wenig den Beitragsanstieg dämpfen soll.
Höhere Belastung für junge Beitragszahler
Das Aus für den Nachhaltigkeitsfaktor begründet Arbeitsminister Heil damit, dass eine Absenkung des Rentenniveaus in Zukunft verhindert werden müsse. Auf diese Formel fokussiert sich ein zentrales politisches Ziel der SPD, das einseitig Rentner und rentennahe Jahrgänge begünstigt. Die jüngere Generation hingegen, die noch mehrere Jahrzehnte dadurch höhere Rentenbeiträge zahlen muss, erfährt durch das Rentenpaket II über die ohnehin zu erwartenden Beitragssteigerungen hinaus eine zusätzliche finanzielle Belastung.
FDP-Fraktion führt den Widerstand fort
An Letzterem machen daher einige FDP-Abgeordnete ihre Kritik fest. Er werde keinem Rentenpaket zustimmen, das zu höheren Rentenbeiträgen führt, erklärte laut Medienberichten Max Mordhorst, stellvertretender Vorsitzender der Jungen Gruppe in der FDP-Fraktion. Auch der FDP-Finanzpolitiker und Dauer-Widerständler Frank Schäffler wandte ein, dass es noch viel Diskussionsbedarf gebe. Die Konstellation ist schon erstaunlich. Damit stellen sich Teile der FDP-Fraktion gegen einen von ihrem Parteivorsitzenden und Bundesfinanzminister Lindner ausgehandelten Kompromiss. Aber vielleicht war dies auch eine von Anfang an beabsichtigte innerparteiliche Arbeitsteilung. Nachdem der Finanzminister mehrfach verhindert hatte, dass das Rentenpaket II auf die Tagesordnung des Regierungskabinetts kommt, wollte er wohl nicht als ständiger Sturkopf am Kabinettstisch wahrgenommen werden und setzte darauf, dass die Fraktion den Widerstand an anderer Stelle fortführt.
Erst der Haushalt, dann die Rentenfrage
Damit hat Lindner nun zugleich ein weiteres Druckmittel im Haushaltsstreit zur Verfügung. Die Bremser beim Rentenpaket binden die Kompromissverhandlungen an den Beschluss zum Haushalt. Erst müsse eine Haushaltseinigung da sein, dann könne man über Veränderungen am Rentenpaket sprechen, konditionierte Schäffler das weitere Vorgehen. Damit sei aber nicht vor dem Herbst zu rechnen. Es ist ohnehin fraglich, ob die Bundesregierung ihren eigenen Fahrplan für den Haushaltsentwurf einhalten kann. Der Kabinettsbeschluss dafür ist bis zum 3. Juli geplant. Da bleiben gerade noch drei Wochen für eine Einigung. Einen Tag nach der Wahl haben SPD und FDP allerdings wenig Kompromissbereitschaft in der Auseinandersetzung über den Haushalt erkennen lassen.
Monatelange Hängepartie steht bevor
Es ist also davon auszugehen, dass die Einigung zum Rentenpaket sich über Monate hinziehen wird, zumal die parlamentarische Sommerpause im Juli und August Entscheidungen zusätzlich verzögert. Außerdem dürfen die Erwartungen an einen Kompromiss nicht zu hoch sein. Die SPD wird nicht davon abrücken, das Rentenniveau bei 48 Prozent einzufrieren und den demografischen Faktor zu entsorgen. Dafür ist ihr diese Entscheidung für den anstehenden Bundestagswahlkampf zu wichtig. Am Ende wird es wohl das ein oder andere Zubrot für die FDP geben. Das könnte eine Vereinbarung über den weiteren Ausbau des Generationenkapitals sein, um die drohenden Beitragssteigerungen ein wenig mehr abzumildern. Vielmehr wird für die jüngeren Beitragszahler aber nicht herauskommen.
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