Es gibt Fragen, die mir in Beratungsgesprächen immer wieder begegnen. Eine davon lautet erstaunlich oft: „Wann ist denn eigentlich das beste Alter, um eine Immobilie zu kaufen?“ Manchmal klingt sie nach Hoffnung, manchmal nach Selbstzweifel – und sehr oft nach der Sorge, den „richtigen Moment“ verpasst zu haben.
Als jemand, der täglich Menschen bei Finanzierungen und Immobilienkäufen begleitet – über Baufi Deutschland in der Finanzierungspraxis und über Immo Deutschland im Immobilienmarkt selbst – sehe ich: Wir überschätzen diese Frage gewaltig. Deutschland liebt zwar den Traum vom Eigenheim, hat aber gleichzeitig eine erstaunlich romantische Vorstellung davon, wie Timing funktioniert. Drei Viertel wünschen sich ein eigenes Zuhause, aber viele scheitern, bevor sie überhaupt anfangen – nicht selten, weil sie glauben, zu jung, zu alt oder zu spät dran zu sein.
Dabei ist der Immobilienkauf selten eine Altersfrage. Er ist eine Frage der Lebensrealität. Und die fühlt sich mit 25 komplett anders an als mit 45 oder 55 – klar. Aber das Alter entscheidet viel weniger, als wir denken.
Unter 30: selten – aber überraschend oft unterschätzt
Wenn jemand mit Mitte zwanzig über Eigentum nachdenkt, kommt fast immer derselbe Satz: „Ich glaube, ich bin dafür noch zu jung.“ Und ja – die meisten in diesem Alter wissen noch nicht, wo sie beruflich landen, geschweige denn privat. Man hat noch nicht viel Eigenkapital, aber dafür umso mehr Veränderung im Leben.

Aber ich erlebe auch das Gegenteil. Menschen, die früh unterstützt werden, ein kleines Apartment am Studienort kaufen und Jahre später erstaunt feststellen, wie sehr ihnen das beim Vermögensaufbau geholfen hat. Das sind keine Einzelfälle.
Man ist also nicht automatisch zu jung – man ist nur in einer Lebensphase, in der weniger planbar ist. Das ist ein Unterschied.
Zwischen 30 und 50: die Phase, in der Zahlen und Leben oft am besten zusammenpassen
Die meisten entscheiden sich in diesem Altersfenster – und zwar aus ganz pragmatischen Gründen. Beruflich angekommen, privat stabiler, finanziell sicherer. Vor allem aber: planbarer. Ich sehe das ständig in Finanzierungsanfragen.
Ein Beispiel aus der Praxis:
300.000 Euro Kredit, vier Prozent Zins. Bei 25 Jahren Laufzeit rund 1.583 Euro im Monat. Bei 35 Jahren Laufzeit knapp 1.328 Euro. Das heißt übersetzt: Man kann die Rate so einstellen, dass sie zum Leben passt – nicht andersherum.
Viele unterschätzen, wie stark das entlastet. Denn wer heute mit Anfang 30 oder Mitte 40 kauft, kann realistisch dafür sorgen, zum Renteneintritt ohne Kredit dazustehen. Und das ist eine enorme Freiheit. Es bedeutet: keine Miete mehr, kein Druck, kein „Was ist, wenn ich mit 67 weniger Einkommen habe?“.
Eine abbezahlte Immobilie ist keine Statusfrage – sie ist ein Schutz vor finanziellen Engpässen im Alter.
Ab 50: später Einstieg? Ja – und erstaunlich oft genau der richtige
Interessanterweise begegnet mir in dieser Altersgruppe das größte Missverständnis: „Jetzt lohnt es sich doch nicht mehr.“
Doch, tut es. Sehr oft sogar.
Denn viele haben ab 50 zum ersten Mal echte finanzielle Stabilität. Die Kinder sind vielleicht aus dem Haus, das Vermögen ist gewachsen und der eigene Lebensmittelpunkt klarer definiert. Der Kreditbedarf ist kleiner, die Tilgung kann höher angesetzt werden – und plötzlich entsteht eine Finanzierung, die in 12, 14 oder 16 Jahren solide zurückgeführt ist.
Natürlich muss man ehrlich kalkulieren. Aber „zu spät“ ist es erstaunlich selten. „Zu wenig geplant“ dagegen ziemlich häufig.
Worauf es wirklich ankommt
Ich sage es in Gesprächen immer wieder: Der richtige Zeitpunkt entsteht nicht dadurch, dass man eine bestimmte Zahl auf dem Ausweis stehen hat. Sondern dadurch, dass drei Dinge zusammenpassen:
- das Leben,
- die finanzielle Belastbarkeit,
- und eine Finanzierung, die nicht auf Hoffnung, sondern auf Zahlen basiert.
Der perfekte Moment ist also kein Zufall. Er ist das Ergebnis guter Vorbereitung.
Die Altersfrage beim Immobilienkauf wird überschätzt. Unter 30 kann es sinnvoll sein, wenn die Lebensumstände passen. Zwischen 30 und 50 lässt es sich am besten strukturieren und sichern. Ab 50 ist es keineswegs zu spät – manchmal sogar klüger als früher.
Wer Eigentum erwerben will, braucht weniger den „richtigen Zeitpunkt“, sondern vor allem eine realistische Selbstbetrachtung: Wo stehe ich? Was kann ich tragen? Und welche Immobilie macht langfristig Sinn?
Wer das für sich klärt, findet seinen Moment – egal, ob mit 28, 42 oder 57.
Alles andere ist ein Mythos, der Menschen vom Eigentum abhält, die längst bereit wären.

Gastautor Ricardo Tunnissen ist Geschäftsführer der Baufi Deutschland GmbH und der Immo Deutschland GmbH. Regelmäßig befasst er sich in seiner Kolumne mit Themen zur Baufinanzierung und mit dem Erwerb von Wohnimmobilien.