Starker Geburtenrückgang in Krisenzeiten
Ein detaillierter Einblick in die demografische Verschiebung nach der Pandemie dokumentiert einen deutlichen Geburtenrückgang in Schweden und Deutschland.
Der jüngste Geburtenrückgang in Deutschland und Schweden markiert eine signifikante Veränderung im sozialen Gefüge von zwei Ländern, die eigentlich traditionell für ihre Vereinbarkeit von Beruf und Familie bekannt sind.
So verzeichneten nach der COVID-19-Pandemie die Geburtenraten den niedrigsten Stand seit über einem Jahrzehnt. Die Experten vom Rostocker Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) nennen in einem Fachbeitrag verschiedene Ursachen und Hintergründe für diese Entwicklung. Politik und Gesellschaft sind deshalb gefordert, insbesondere bei jungen Menschen für nachhaltigen Optimismus zu sorgen.
In Deutschland sank die Geburtenrate im Herbst 2023 auf nur noch 1,3 Kinder pro Frau. Das entspricht einem Rückgang von 13 Prozent im Vergleich zu 2021. Auch im ersten Quartal 2024 blieb die Geburtenrate in Deutschland auf einem niedrigen Niveau. Darauf weist das Statistische Bundesamt in einem Beitrag hin. In Schweden lag die 2023er Rate bei 1,4 Kindern pro Frau. Dies wiederum bedeutet einen Rückgang von 14 Prozent gegenüber 2021.
Impfungen spielen wichtige Rolle
Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung und Gunnar Andersson von der Universität Stockholm untersuchten, welche Faktoren zu diesem Rückgang beigetragen haben könnten. In einer Interpretation ihrer Forschungsergebnisse heben sie hervor, dass insbesondere Impfkampagnen und damit verbundene Lockerungen der COVID-19-Restriktionen eine entscheidende Rolle spielten. So führten etwa die Massenanmeldungen zu Erstimpfungen in Deutschland und Schweden im Frühjahr und Sommer 2021 neun Monate später zu einem abrupten Rückgang der Geburtenraten. Dazu kommen nach ihrer Auffassung noch weitere kritische Szenarien, die weltweit zutage treten.
Krieg und Krisen verunsichern Eltern
So weisen die Forscher darauf hin, dass insbesondere Veränderungen im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld den verzeichneten Geburtenrückgang mit begründen. Dazu zählen individuelle Folgeerscheinungen oder perspektivische Unsicherheiten nach der Pandemie. Auch globale Krisen wie der Klimawandel oder der Krieg in der Ukraine beeinflussen Eltern und ihren Kinderwunsch. Zudem sorgen schwindende Rohstoffe oder Ressourcen beziehungsweise eine deutlich spürbare Inflation für tiefergehende Auswirkungen auf die Entscheidung zu einer Elternschaft. Trotz früherer Spekulationen zeigten die Analysen allerdings keinen direkten Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit oder erhöhter Mortalität und Geburtenraten.
Dauerhafte oder vorübergehende Verschiebung?
Die langfristigen Auswirkungen dieser geburtenschwachen Jahrgänge sind laut den Experten derzeit noch nicht vollständig abzusehen. Die Forscher weisen explizit darauf hin, dass verschiedene Szenarien möglich sind. Wesentlich dafür wird es sein, ob es sich um eine vorübergehende Verschiebung oder um einen dauerhaften Geburtenrückgang handelt. Dies bleibt also (noch) eine offene Frage. Deren Beantwortung kann wesentliche Implikationen haben. Das gilt etwa für die Planung von sozialen Diensten, die Gestaltung elternfreundlicher Arbeitsplätze bis hin zur Altersvorsorge. Die zukünftige Entwicklung wird davon abhängen, wie stabil sich wirtschaftliche, soziale und letztlich individuelle Bedingungen postpandemisch darstellen. Dies wiederum wird unter anderem davon geprägt, wie Politik und Gesellschaft auf anhaltende Herausforderungen reagieren. Um den Geburtenrückgang zu stoppen, brauchen junge Menschen womöglich vor allem eines: mehr Zukunftssicherheit.
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