Das Dilemma mit der Erbengemeinschaft

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05. Juni 2025

Das Dilemma mit der Erbengemeinschaft

Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa hat nur jeder dritte Deutsche ein Testament zu Papier gebracht. Deshalb lautet die mantraartige Empfehlung der Erbrechtsexperten: Mach Dein Testament, am besten noch heute.

Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Selbst mit Unterstützung von Rechtsanwälten oder Notaren erstellte Testamente schließen nicht aus, dass nach dem Tod des Erblassers Streit unter den Miterben ausbricht. Meist passiert das aus einem einzigen Grund: Die Juristen versäumen es regelmäßig, bei der Testamentsgestaltung die streitanfällige Erbengemeinschaft zu verhindern. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer Online-Befragung von über 13.000 Kunden der Fa. ErbTeilung aus Weilheim.

Dorthin wenden sich ausschließlich Erben, die Mitglied einer Erbengemeinschaft sind, in der sich die Erben Jahre lang um die Aufteilung des Erbes streiten. Nach der Kundenbefragung von ErbTeilung haben 2.792 Erben angegeben, dass der Erblasser ein Testament errichtet hatte – 1.113 ein handschriftliches Testament und 1.679 sogar ein notarielles Testament. Trotzdem nahmen deren Erben die Fa. ErbTeilung in Anspruch, die darauf spezialisiert ist, zerstrittene Erbengemeinschaften zeitnah zu befrieden.

„Mühevoll aufgesetzte handschriftliche Testamente oder auch durch professionelle Hilfe eines Notars erstellte letztwillige Verfügungen sind in der Praxis nicht tauglich, wenn damit absichtlich oder unabsichtlich eine Erbengemeinschaft gebildet wird. Man hat dann als Erbe massive Schwierigkeiten mit der Auflösung und erbt de facto kein Vermögen, sondern ein Problem“, warnt Geschäftsführer Manfred Gabler. Doch was genau macht Erbengemeinschaften so gefährlich und streitanfällig? Gabler zählt drei Gründe auf: „Erstens gibt es rein rechtliche Gründe, die eine Auflösung der Erbengemeinschaft verlangen bzw. ein Fortbestehen erschweren. Zweitens sprechen wirtschaftliche und monetäre Gründe dagegen, eine Erbengemeinschaft auf Dauer zu erhalten. Drittens gibt es psychologische und emotionale Gründe, die eine Erbengemeinschaft früher oder später implodieren lassen.“

Der juristische Hintergrund

Erbengemeinschaften entstehen immer dann, wenn aufgrund eines Testaments, Erbvertrags oder gesetzlicher Erbfolge mindestens zwei Erben vorhanden sind. Das ist bei nahezu 80 Prozent aller Erbschaften der Fall. Das Gesetz sieht in Paragraf 2042 des Bürgerlichen Gesetzbuches vor, dass jeder Erbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen kann – also deren Auflösung bzw. die Aufteilung des Erbes unter den Erben. „Schon von Gesetzes wegen ist die Erbengemeinschaft damit nicht auf Dauer angelegt“, erklärt Manfred Gabler. Darüber hinaus macht das Gesetz die Erbengemeinschaft behäbig und schwerfällig. Kein einzelner Miterbe kann allein über Nachlassgegenstände verfügen, weil mehr oder weniger alles allen gemeinsam gehört. Entscheidungen bedürfen in der Regel der Zustimmung aller Miterben.

Wert der Immobilie in Gefahr

Zweitens gibt es wirtschaftliche und monetäre Gründe, die dagegen sprechen, eine Erbengemeinschaft auf Dauer zu erhalten. „Zum Beispiel kann sich der Wert des Nachlasses insbesondere bei Immobilien deutlich verschlechtern, wenn sich die Erben nicht einig sind, ob man die Immobilie renovieren soll. Hier kann ein einziger Miterbe eine an sich vernünftige Lösung zum Werterhalt der Immobilie torpedieren“, warnt Gabler. Dies führe dazu, dass sich der Wert der Immobilien stetig verschlechtert.

Trotz hoher Mieterträge knapp bei Kasse

Ein weiterer Grund, der gegen die Aufrechterhaltung einer Erbengemeinschaft spricht, ist die fehlende finanzielle Flexibilität der Erben. Selbst wenn hohe Erbschaftsteuern bei einzelnen Erben anfallen, dürfen sie diese nicht einfach vom Erbengemeinschaftskonto begleichen. Ist ihr persönliches Konto nahe null, haben sie schnell ein Liquiditätsproblem. Selbst bei vermögenden Erbengemeinschaften mit beispielsweise zehn Mietobjekten können bei der gemeinsamen Abstimmung über die Verteilung und Ausschüttung der Mieterlöse Unstimmigkeiten entstehen. Dann werden die Mieteinnahmen nicht ausgeschüttet. Manfred Gabler erklärt: „Während das Mietkonto Monat für Monat anwächst, steigen die wirtschaftlichen Probleme einzelner Miterben. Jeder Erbe muss die Mieterträge zeitnah versteuern, selbst wenn es seitens der Erbengemeinschaft über Jahre keine Ausschüttung gibt.“

Erbschaftsstress macht krank

Wenn der Streit in der Erbengemeinschaft über Jahre anhält, erkrankt die Psyche und sensible Erben werden krank. Zum Beispiel dann, wenn ein betroffener Miterbe gegen seine zwei Brüder ankämpfen muss. Meist findet keine offene Kommunikation statt, sondern man befindet sich regelrecht im Streit. Das ist für einen Großteil der Erben enorm belastend. „Die Belastung rührt zum einen aus der Verpflichtung und Verantwortung für den Nachlass her, den man über Jahre hinweg nicht auflöst. So erfordert die Verwaltung einer Immobilie enorm viel Zeit, Aufwand und Kenntnisse. Zum anderen ist die wesentlich höhere emotionale Belastung dadurch gegeben, dass vor allem bei uneinigen Erbengemeinschaften die Blockadehaltung der Miterben zu massiven psychischen Ermüdungserscheinungen bis hin zu Depressionen führt“, hat Gabler beobachtet.

Mit Teilungsanordnung vorbeugen

Für den Erblasser gibt es mehrere Möglichkeiten, die gesetzlich automatisch eintretende Bildung einer Erbengemeinschaft zu verhindern. So kann der Erblasser im Testament genau anordnen, wie das Erbe unter den verschiedenen Erben aufzuteilen ist. Der Erblasser sagt also zum Beispiel nicht nur, dass jeder der drei Erben 33 Prozent von allem bekommt, sondern weist den einzelnen Erben genau zu, was sie jeweils erhalten. Zum Beispiel soll der Sohn A das Haus bekommen, der Sohn B die Ferienwohnung und Sohn C soll das Bankguthaben erhalten. Natürlich sollte man bei wirtschaftlich sehr unterschiedlichen Werten zusätzlich noch bestimmen, dass z. B. zu den beiden Immobilien jeweils ein Gutachten in Auftrag gegeben wird und der Sohn C auf dessen Basis von A und B noch eine Ausgleichszahlung erhalten soll.

„Das erfordert aber eine Portion Mut vom Erblasser. Er entscheidet, dass ein Sohn das Elternhaus bekommen soll und die anderen nicht. Die meisten Erblasser wollen ja keines ihrer Kinder benachteiligen“, stellt Manfred Gabler immer wieder fest. Dennoch hält er diese Lösung für erstrebenswert, zumal der Erblasser zu Lebzeiten mit seinen Erben die angestrebte Lösung offen kommunizieren könne. „Wer nicht will, dass seine Kinder später einmal um das Haus oder sonstiges Vermögen streiten, der geht den Weg über die Teilungsanordnung“, empfiehlt er.

Vorweggenommene Erbfolge als Alternative

Neben der Teilungsanordnung kann der Erblasser sich zu Lebzeiten darum bemühen, diejenigen Kinder, die nicht Erben werden sollen, gegen einen Erb- und Pflichtteilsverzicht in Geld abzufinden. Manfred Gabler sieht diesen Weg kritisch. „Ich soll als Elternteil einem meiner Kinder sagen, dass es freiwillig verzichten soll. Da muss schon sehr viel Vertrauen untereinander vorhanden sein, damit das klappt.“

Auch die vorweggenommene Erbfolge ist ein weiterer Weg, Streit unter den Miterben auszuschließen. Hier werden die Kinder zu Lebzeiten vom Erblasser beschenkt. „An sich eine gute Sache, aber hier haben viele Erblasser Angst, den eigenen Lebensabend in Armut verbringen zu müssen, weil sie alles an die Kinder verschenkt haben“, so Gabler. Bisweilen kann es also schwer sein, es allen Parteien recht zu machen. Auch wenn dann am Ende nur ein Kind die Immobilie erhält und die Geschwister abgefunden werden, ist das letztendlich ein Luxusproblem, sagt Manfred Gabler. „Es ist und bleibt ein Geschenk, das ihnen die Eltern machen.“

Eleganteste Lösung: das Super- oder Steuervermächtnis

Auch wenn das Ehegattentestament nach wie vor beliebt ist, stört Eheleute zunehmend die Bindungswirkung des Testaments für den überlebenden Ehepartner. Dieser kann nämlich nicht verhindern, dass die Kinder Schlusserben des länger lebenden Elternteils werden – auch wenn sich das Verhältnis verschlechtert. Außerdem können mit dem Berliner Testament die Steuerfreibeträge für die Kinder von jeweils 400.000 Euro nicht ausgeschöpft werden, wenn nach dem Tod eines Ehepartners der andere zunächst alles erbt. Das lässt sich mit einem Supervermächtnis im Ehegattentestament verhindern. Auch beim Supervermächtnis erbt zunächst der überlebende Partner alles, muss aber zum Beispiel innerhalb von fünf Jahren einen bestimmten Betrag an die Kinder auszahlen, die dann unter Ausnutzung der Steuerfreibeträge ebenfalls steuerfrei vom erstverstorbenen Elternteil erben.