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    Arbeitswelt

    Auf Wandel eingestellt: Mit Wissen und Erfahrung

    Arbeitswelt | 3.2.2023 Drucken

    Plattformarbeit: Herausforderung für die Rente

    Der Wandel der Arbeitswelt stellt mit der Zunahme atypischer Beschäftigung das Alterssicherungssystem auf eine harte Probe. Das ist nicht neu. Mit der Plattformarbeit fällt aber ein noch grelleres Schlaglicht auf die Zukunftsfähigkeit sozialer Sicherungssysteme.

    Welche spezifischen Herausforderungen entspringen Gig- und Clickwork? Ist das Problem der Plattformarbeit durch die Politik adäquat erkannt?

    Die Digitalisierung und Entwicklung hin zu einer Plattformökonomie gehen Hand in Hand mit einem radikalen Wandel der Arbeitswelt. In den gegenwärtigen Umwälzungen ist mehr zu sehen als eine neue Stufe der Automatisierung. Digitale Plattformen im Internet verändern die Wertschöpfungsstrukturen in allen Wirtschaftsbereichen. Dies wirft nicht zuletzt vollkommen neue Fragen für das System der Alterssicherung auf. Plattformarbeit verschärft erheblich das ohnehin bestehende Problem, dass die sich wandelnde Arbeitswelt mit ihren neuen Beschäftigungsformen die langfristige, kontinuierliche Beitragsentrichtung zur Rentenversicherung erschwert.

    Digitale Marktplätze mit enormer Reichweite

    Das Entstehen der Plattformökonomie ist nicht zu denken ohne die durch Digitalisierung hervorgebrachten Vernetzungsmöglichkeiten. Das Geschäftsmodell der Plattformunternehmen basiert wesentlich darauf, dass moderne Informations- und Kommunikationstechnologie Akteure mit nie gekannter Effizienz miteinander verbindet. Das Internet, aber auch Technologien wie Künstliche Intelligenz, Data Analytics und Cloud Computing sorgen heute dafür, dass ein Austausch zwischen Personen möglich wird, die auf anderem Wege niemals zusammengefunden hätten. Somit schaffen digitale Plattformen im Internet eine Infrastruktur für den Austausch von Dienstleistungen.

    Arbeitskraft kann einfach, ohne Anbahnungsaufwand oder Anlaufkosten über solche Plattformen angeboten werden. Plattformen bieten hierbei eine Infrastruktur an, die Anbieter und Nachfrager zusammenbringt und den Austausch orchestriert. So weit ist dieses Prinzip nichts wesentlich Neues. Auf Marktplätzen kommen seit jeher Verkäufer und Käufer zusammen, um Angebot und Nachfrage zur Deckung zu bringen. Was neu ist und den Unterschied zu „analogen Marktplätzen“ ausmacht, ist die enorme Reichweite, die durch die Vermittlung im Internet erreicht wird sowie die den Plattformen eigene Art der algorithmischen Steuerung der Transaktionen.

    Studie untersucht soziale Absicherung

    Fragen rund um die Alterssicherung ist das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) in seiner jüngsten Studie nachgegangen. Die soziale Absicherung von Plattformarbeitskräften bereitet ernstzunehmende Probleme. Zum einen lässt Plattformarbeit die traditionellen Kategorien von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Kunde und Auftraggeber verschwimmen. Sie wirft außerdem die Frage hinsichtlich des Status von Plattformarbeitskräften auf. Im deutschen Sozialversicherungsrecht dient die Beschäftigung als Anknüpfungspunkt für die Versicherungspflicht einer Person. Wie aber sind in der Plattformökonomie Tätige zu qualifizieren – als abhängig Beschäftigte oder als Selbständige? Spezielle, den sozialrechtlichen Status von Plattformarbeitskräften regelnde Vorschriften existieren in Deutschland nicht. Die Beurteilung der Statusfrage anhand der tatsächlichen Gegebenheiten erweist sich in der Praxis als schwierig. Immerhin fällt der Einblick in die Arbeits- und Betriebsorganisation der algorithmisch gesteuerten Plattformen schwer.

    Welchen Status haben die Arbeitskräfte?

    Mithin bleibt es zumeist den Plattformen selbst überlassen, welchen Status sie den Arbeitskräften zubilligen. In den allermeisten Fällen ziehen sich Plattformen auf die Position zurück, bloß Vermittler zu sein. Daher gilt Plattformarbeit gemeinhin als Selbständigkeit. Aufgrund der Besonderheit des deutschen Sozialversicherungsrechts, für Selbständige im Allgemeinen keinen Sozialversicherungsschutz vorzusehen, gibt es aus Sicht der Plattformen gute ökonomische Gründe für diese Interpretation. Allerdings gibt es Anzeichen, dass diese Strategie der Plattformen nicht für alle Zeit aufrecht zu halten sein wird. Seitdem der EuGH im Jahr 2017 im Falle des Fahrdienstleisters Uber das bloße Erbringen einer Vermittlungsleistung bestritten hat, wird diese jahrelang zum Schutz des Geschäftsmodells durch die Plattformen vorgebrachte Behauptung brüchig.

    Entstandardisierung der Erwerbsarbeit

    Zum anderen wirkt sich erschwerend auf die soziale Absicherung von Plattformarbeit aus, dass es sich dabei in der Praxis zum überwiegenden Teil um Teilzeittätigkeiten handelt, denen zudem im Nebenerwerb nachgegangen wird. Vor diesem Hintergrund wird Plattformarbeit häufig als eine Erscheinungsform einer generellen Entstandardisierung von Erwerbsarbeit betrachtet. Sie wirft insofern dieselben Fragen für die soziale Sicherung auf, wie sie für alle vom Normalarbeitsverhältnis abweichenden Arbeitsformen diskutiert werden. Konkret bedeuten die Unregelmäßigkeiten, dass es im Hinblick auf Plattformarbeit zu starken Einkommens- und Beitragsgrundlagenschwankungen und damit zu Schutzdefiziten kommt.

    Problem erkannt – Lösung in Sicht?

    Ein Blick auf die politische Debatte erweckt den Eindruck, dass die Problematik erkannt ist. Die Suche nach Lösungen scheint auf einem guten Weg. Dies ist keineswegs selbstverständlich, hält man sich vor Augen, dass es sich bei der Plattformökonomie um ein relativ kleines, man könnte durchaus sagen Nischenphänomen, handelt. Allgemein anerkannt scheint jedoch die Einschätzung, dass es sich um ein dynamisches, stark wachsendes Feld handelt, von dem niemand glaubt, dass es wieder verschwinden wird. So schätzt etwa der Rat der Europäischen Union das Umsatzwachstum in der Plattformökonomie von circa drei Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 14 Milliarden Euro im Jahr 2020 – dies entspricht einem Anstieg auf das knapp Fünffache.

    Auch im Hinblick auf die Zahl der in der Plattformökonomie Tätigen wird eine immense Steigerung erwartet. Von EU-weit 28 Millionen Menschen im Jahr 2022 bis auf 43 Millionen Menschen im Jahr 2025. Das starke Wachstum und erhebliche Disruptionspotenzial der Plattformen mit ihrer neuen Arbeitsform ruft nach politischen Entscheidungen und neuen Ansätzen im Einbezug in die Alterssicherung.

    EU will globaler Vorreiter sein

    Eben solche neuen Wege einzuschlagen, dafür plädierte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bereits 2019 in einem Interview mit ZEIT ONLINE, als er ankündigte, für Plattformarbeiter „werden wir neue Antworten finden müssen. Unser Arbeits- und Sozialrecht muss für die Digitalisierung weiterentwickelt werden“. Die Bundesregierung visiert in diesem Sinne im Rahmen ihrer Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“ die „Prüfung von Regelungsbedarfen zur Sicherstellung guter Arbeitsbedingungen und angemessener sozialer Absicherung in der Plattformökonomie“ an.

    Auch auf EU-Ebene ist das Thema seit einigen Jahren auf der politischen Agenda. Die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen hat bereits zu Beginn ihrer Amtszeit die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeit als eines der zentralen sozialpolitischen Handlungsfelder benannt. Die EU verfolgt das ambitionierte Ziel, global Vorreiter in dieser Sache zu sein. Auch auf OECD-Ebene wird die Problematik angegangen. In ähnlicher Weise wie die EU-Kommission startete die OECD eine Initiative zur Schaffung einheitlicher Standards für Meldepflichten von digitalen Plattformen sowie einen Informationsaustausch unter Steuerbehörden. Dabei weist die OECD explizit auf die Möglichkeit der Ausweitung solcher Verfahren auf die Sozialversicherung hin.

    Antwort kann nur eine internationale sein

    Die Bedeutung solcher transnationaler Initiativen ist kaum zu überschätzen. Immerhin sind grenzüberschreitende Sachverhalte in der Plattformökonomie eher die Regel als die Ausnahme. Im Extremfall können drei verschiedene Länder mit im Spiel sein: das Land, in dem die Plattformarbeitskraft ansässig ist, das Land des Leistungsempfängers und das Land, in dem der Plattformbetreiber seinen Sitz hat. Welches Sozialversicherungsrecht soll anwendbar sein und wie wird es durchgesetzt? Wenn sich die erste Frage noch recht einfach mit dem dem Sozialversicherungsrecht zugrundeliegenden Territorialitätsprinzip beantworten lässt, wonach sich die Anwendbarkeit des Rechts nach dem Arbeitsort richtet, so ist ungleich schwieriger zu beantworten, wie im Ausland ansässige Plattformen dazu gebracht werden sollen, entsprechende Beiträge abzuführen. Es spricht also viel dafür, dass die Antwort auf die Frage der Alterssicherung in der Plattformökonomie nur eine internationale sein kann. Mit den transnationalen Initiativen ist daher ein wichtiger erster Schritt getan.

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