Der Zollstreit hat die Börsen mächtig unter Druck gebracht – allen voran den Aktienmarkt USA. Doch die US-Börse bleibt attraktiv. Trotz der aktuellen Verunsicherung: Zahlreiche US-amerikanische Unternehmen sind nicht nur sehr groß und mächtig mit einer nicht zu unterschätzenden Preissetzungsmacht, sondern auch äußerst innovativ.
Erst die Konsolidierung und dann die Erholung. Der US-Aktienmarkt hat eine wahre Achterbahnfahrt hinter sich. Erst im April kamen die US-Börse und weitere Aktienmärkte mächtig unter Druck, als Donald Trump provokativ im Rosengarten des Weißen Hauses vor Journalisten eine Tafel in die Kameras hielt, auf der die zukünftigen Zolltarife für Einfuhren in die USA nach Ländern aufgeführt waren. 20 Prozent für Produkte aus der Europäischen Union, war dort unter anderem zu lesen. Berücksichtigt man die zehn Prozent, die Trump zuvor als Basiszoll schon verkündet hatte, wären EU-Produkte auf 30 Prozent gekommen. Klar, dass bei solchen Zahlen der Aktienmarkt ins Schwanken gerät. Dieses zeigte sich dann weltweit.
Doch schon wenige Tage später kam der Rückzieher aus dem Weißen Haus. Man erklärte sich zu Verhandlungen bereit und verschob die US-Zölle. Schon ging es wieder nach oben mit den Aktien. Dabei wurde aus der von vielen Börsenbeobachtern favorisierten nur „temporären Erholung“ ein stolzer Aufschwung. Mit dem US-Aktienmarkt ging es nicht ganz so weit; aber immerhin soweit, dass Charttechniker, die die Börse anhand von Kursbewegungen analysieren, schon von einem neuen Aufschwung sprechen und die zuvor favorisierte „temporäre Erholung“ verwarfen. Bei diesem ganzen Hin und Her macht es vielleicht wenig Sinn, die Bewegungen der Aktien bis ins Detail zu untersuchen, da derzeit wirklich fast alles auf das Handeln von Trump zurückzuführen ist.
Weniger Augenmerk für die Schwankungen
Es bedarf wie immer eines geeigneten Anlagehorizonts und der Erkenntnis, dass es in allen Phasen zu Schwankungen kommt. Das ist der Kapitalmarkt, der sich den exogenen Einflüssen nicht entziehen kann. Dabei sind die Auslöser verschiedenster Art. Die Schlussfolgerung daraus: achten Sie nicht auf jede Schwankung der Aktien. Diese steigen, weil mehr Menschen kaufen als verkaufen und andersherum. Ob dann dahinter immer wohlüberlegte Handlungen stecken, wie im jetzigen Zollstreit, oder nicht doch viel mehr nur Stimmungen, sei einmal dahingestellt.
Prinzipiell gilt natürlich weiterhin, dass sowohl das fundamentale Umfeld einer Aktie, eines Marktes und einer Branche sowie auch das wirtschaftliche Gesamtbild der einzelnen Volkswirtschaften die wichtigsten Komponenten sind. Als erfahrener Vermögensverwalter lassen wir uns von Stimmungen zunächst nicht aus der Ruhe bringen, haben wir doch stets das große Ganze im Blick und dies gilt es täglich auf wirkliche konjunkturelle und langfristige Veränderungen zu untersuchen. So schwer es auch ist, da derzeit Donald Trump und seine Zollherausforderungen die nicht zu kalkulierende Komponente sind.
Preismacht der US-Unternehmen sucht ihresgleichen
Das große Ganze sieht trotz einiger Probleme gar nicht mal so schlecht aus. Auch wenn der Aktienmarkt in den USA nicht günstiger als Europa ist, die Bilanzen vieler amerikanischer Unternehmen sind sehr solide. Seit der globalen Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009 hat die US-Regierung ihre Schulden weiter aufgestockt, während die Verschuldung der nichtfinanziellen Unternehmen sowie diejenige der privaten Haushalte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gesunken ist. Der private Sektor steht heute besser da als vor einigen Jahren. Das wird an der Börse mit steigenden Kursen honoriert – auch wenn es zwischendurch mal Rückschläge geben kann, so wie jüngst zu beobachten war.
Zudem: Einige Risikofaktoren, die Anleger Sorgen machen, sind vielleicht überzogen. Das Thema Handelszölle etwa. Zwar ist es richtig, dass aufgrund neuer Zölle die Preise steigen können. Richtig ist aber auch, dass gerade US-Unternehmen nicht selten eine marktdominante Position innehaben, was ihnen durchaus erlaubt, ihre Produkte auch zu einem höheren Preis am Markt zu positionieren.
Microsoft etwa hat erst im April die Preise für neu abgeschlossene und für bestehende Abos erhöht. Wer zum Beispiel Microsoft 365, Office 365, Teams Telefonie oder Power BI nutzt, muss in Zukunft tiefer in die Tasche greifen. Ein Ausweichen auf alternative Produkte ist hier und da möglich, häufig aber auch nicht, denn am Ende muss das gesamte Softwarepaket stimmig sein. Über Zölle muss sich Microsoft daher nur eingeschränkt Gedanken machen, das Geschäft wird laufen, ob die Zölle nun steigen oder nicht – zumindest bis zu einem gewissen Grad.
Aktienmarkt USA – Vorsprung dank Innovation
Außerdem: US-Unternehmen haben nicht nur oft eine Preismacht, sie führen meist auch technologische Innovationen an. Die Künstliche Intelligenz etwa, die in Deutschland ihre Geburtsstunde feierte, ist längst in die USA abgewandert und wird hier weiterentwickelt und zur Marktreife gebracht. Ohne US-Unternehmen wäre der aktuelle KI-Trend so kaum denkbar. Auch diese Tatsache trägt dazu bei, dass trotz aller Probleme kein Weg am Aktienmarkt USA vorbeiführt.
Gastautor Dr. Markus C. Zschaber ist Gründer der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft in Köln.