Wie tickt Deutschland?

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10. September 2025

Wie tickt Deutschland?

Der DIA-Deutschland-Trend erkundet regelmäßig die Meinung zur Altersvorsorge in Deutschland. Der Gründer des Meinungsforschungsinstituts INSA Consulere, das für das DIA die Befragungen seit Jahren durchführt, brachte unlängst ein Buch heraus und stellte es in einer aufschlussreichen Diskussionsrunde vor. Eine Nachlese.

„Wie Deutschland tickt – ein Meinungsforscher packt aus“ – diese Ankündigung macht neugierig. Noch dazu wenn man weiß, dass INSA vor einigen Wochen im Februar am Abend der Bundestagswahl beweisen konnte, wie treffsicher die Befragungen sind, die die Meinungsforscher aus Thüringen regelmäßig präsentieren. Es war ihnen nämlich gelungen, die 18-Uhr-Prognose, auf die viele Beobachter große Erwartungen setzen, ein Stück weit zu relativieren. INSA lag mit seiner Vorwahlumfrage näher am späteren amtlichen Wahlergebnis als diese Prognose, für die Wähler direkt nach ihrem Urnengang befragt werden. Auf diesen Erfolg machte INSA-Chef Binkert nicht ohne Grund in der Diskussion mit dem Thüringer Ministerpräsidenten Mario Voigt mit sichtlichem Stolz noch einmal aufmerksam.

Hermann Binkert beschrieb aber zugleich die Grenzen, die der Meinungsforschung gesetzt sind. Sie muss sich zurücknehmen, darf nicht selbst versuchen, Meinung zu machen. „Wer Meinungsforschung betreibt, agiert außerhalb der politischen Arena“, stellt er auch im Vorwort zu seinem Buch noch einmal klar. Umgekehrt sollte für die Politik eine ähnliche Regelung gelten. Das machte Ministerpräsident Voigt in der Diskussion deutlich. Politik muss auf Werten basieren, nicht auf Meinungsumfragen. In diese Kerbe hieb auch Binkert im Verlauf der Diskussion noch einmal. Er beobachte mitunter ein Missverständnis zwischen Politik und Bevölkerung. Politiker, die meinten, es genüge für ein gutes Wahlergebnis, sich der Masse anzubiedern, würden in aller Regel enttäuscht. Die Menschen wollten schon den Wettstreit der Ideen und Politiker, die sich für Ideen einsetzen, die sie für richtig halten. Gegebenenfalls auch gegen Widerstand.

Der unangenehme Blick in den Spiegel

Dabei muss sich die Politik aber auch von der Meinungsforschung Wahrheiten sagen lassen, die unbequem sind. Das war auch ein Seitenhieb auf jene Äußerungen aus der Politik, mit denen ungünstige Prognosen als wenig aussagekräftige Momentaufnahme abgetan werden. Binkert nutzte dafür einen bildhaften Vergleich: Keiner schaue morgens gern in den Spiegel, aber man sehe auch nicht anders aus, wenn man diesen Blick nicht wage. Anders formuliert: An den Tatsachen ändert sich nichts, wenn man sie ignoriert. So werden Wahlen nie gegen den Trend gewonnen, ist Binkert überzeugt. Das habe die SPD bei der letzten Bundestagswahl wieder erfahren müssen.

Binkert präsentierte in der Diskussion das ein oder andere Ergebnis aus dem Buch, zum Beispiel wie die Bürger die Meinungsfreiheit in Deutschland einschätzen. Da gebe es doch aus einer bestimmten politischen Richtung immer mal wieder Vorwürfe. Aber wie sehen es die Menschen? Auch den Ängsten der Deutschen gingen die Meinungsforscher nach. Hier bemerkten sie in der jüngeren Vergangenheit eine ernstzunehmende Verschiebung. Früher sei zum Beispiel der allgemeine Zustand der Wirtschaft oder die finanziellen Verhältnisse anderer schlechter eingeschätzt worden als die eigenen. Das ändere sich sich gerade. So würde zunehmend auch Besorgnis mit Blick auf die eigenen Lebensbedingungen geäußert. Alles in allem lohnt sich ein tieferer Blick in das Buch für jene, die wissen wollen, wie Deutschland wirklich tickt.


Hermann Binkert. Wie Deutschland tickt Ein Meinungsforscher packt aus. 2025. Fontis-Verlag Basel