Die vereinbarte Haltelinie bei 48 Prozent des Rentenniveaus belastet vor allem jüngere Beitrags- und Steuerzahler und treibt den Bundeszuschuss in die Höhe.
Das sind die beiden wesentlichen Schlussfolgerungen aus einer Studie des Wirtschaftsweisen Prof. Dr. Martin Werding im Auftrag von Fidelity International. Das Gutachten zeigt zugleich eine Alternative auf dem Wege kapitalgedeckter Altersvorsorge auf, mit der die jüngere Generation unter dem Strich mindestens 200 Euro mehr Rente bekommen würde. Die Studie führt erneut vor Augen, was die Kritiker der Haltelinie immer wieder predigen: Sie ist vor allem ein politisches Projekt wider besseren Wissens, das für weite Teile der Bevölkerung zu erheblichen finanziellen Belastungen führt.
Die Studie von Prof. Dr. Manfred Werding, der Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaflichen Entwicklung und Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum ist, ging der Frage nach, welche finanziellen Lasten die Haltelinie in Zukunft verursacht und welche Bevölkerungsgruppen am stärksten betroffen sein werden. Dazu untersucht sie verschiedene Varianten der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Steuerfinanzierung dieser rentenpolitischen Maßnahme.
Mehrausgaben engen Spielraum im Bundeshaushalt ein
Selbst in der günstigsten Variante steigen die Bundesmittel für die gesetzliche Rentenversicherung von aktuell rund 142 Milliarden Euro bis 2040 auf rund 198 Milliarden Euro und bis 2060 sogar auf knapp 270 Milliarden Euro an (alle Angaben in heutigen Preisen). In der teuersten Variante würden die Bundesmittel bis 2040 auf 233 Milliarden Euro und bis 2060 sogar auf knapp 353 Milliarden Euro ansteigen. Dies entspricht fast sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zum Vergleich: Der komplette Bundeshaushalt entsprach in den Vor-Krisen-Jahren 2010 bis 2019 im Schnitt rund zehn Prozent des BIP.
Diese Mehrausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung aufgrund der Haltelinie sind nach Einschätzung von Prof. Werding eine enorme Belastung für die Bundesfinanzen. „Damit die Rechnung aufgeht, müsste der Staat entweder erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen generieren oder er müsste bei anderen Haushaltsposten massiv einsparen – etwa bei der Verteidigung oder im Bereich Soziales“, schildert der anerkannte Wissenschaftler die Konsequenzen.
Alternative: stärker steigende Beiträge
Die Steuerzahler tragen also die Last der Haltelinie und müssen unter Umständen in Kauf nehmen, dass die staatliche Daseinsvorsorge an anderer Stelle eingeschränkt wird. Aber es gibt noch ein anderes Szenario: Enge Spielräume im staatlichen Haushalt führten in der Vergangenheit oft dazu, dass den sozialen Kassen zusätzliche finanzielle Bürden aufgetragen werden. So entschied sich der Bundesfinanzminister aktuell mit dem neuen Haushaltsentwurf die akuten Probleme der Gesetzlichen Krankenversicherung mittels Darlehen abzufedern. Damit werden die Belastungen aber nur in die Zukunft verlagert, weil die Darlehen später zurückgezahlt werden müssen. Fairer für die Beitragszahler wäre es in diesem Fall gewesen, dass zum Beispiel die Aufwendungen für die Bürgergeldempfänger vollständig vom Bundeshaushalt übernommen werden. Aber das passte nicht in die Haushaltsplanungen.
So könnte sich die Regierung künftig auch in der Rentenversicherung entscheiden, die steigenden Kosten für die Haltelinie durch stärker steigende Beiträge abzudecken. Nach den Planungen der gescheiterten Ampelregierung, die ebenfalls die Haltelnie von 48 Prozent länger fortschreiben wollte, war dies übrigens genauso geplant. Der damalige Bundesarbeitsminister Heil war bereit, diese Beitragssteigerung dafür in Kauf zu nehmen und stellte dies sogar für die Beitragszahler in ein positives Licht. Die Fidelity-Studie zeigt nun aber eines beim Vergeleich der verschiedenen Altersgruppen: Besonders betroffen sind Versicherte unter 48 Jahren. Ältere Jahrgänge profitieren von der Haltelinie, weil sie höhere Renten erhalten, ohne dafür vorab lange Zeit höhere Beiträge zahlen zu müssen. Für jüngere Versicherte gilt im Umkehrschluss das Gegenteil. Ihnen stehen aufgrund höherer Beiträge und einer steigenden Steuerbelastung weniger Mittel zur Verfügung, um privat vorzusorgen.
Mehr Mut zu Veränderungen in der Altersvorsorge
Die Studie vergleicht außerdem die gesetzliche Rente mit Haltelinie mit einer Kombination aus gesetzlicher Rente ohne Haltelinie und ergänzender kapitalgedeckter Vorsorge. Das Ergebnis: Bereits bei konservativen Renditeannahmen (Nominalrendite von vier Prozent pro Jahr) erzielen jüngere Versicherte mit ergänzender kapitalgedeckter Vorsorge langfristig höhere Renten von mindestens 200 Euro im Monat – bei chancenorientierter Anlage (Nominalrendite von acht Prozent pro Jahr) sogar mehr als 600 Euro monatlich zusätzlich. Angesichts dieser Zahlen fordert Susanna Wooders, Leiterin des Deutschlandgeschäfts von Fidelity International, mehr Mut zur Veränderung in der Altersvorsorge. „Die Haltelinie in der gesetzlichen Rente gefährdet den Wohlstand der nächsten Generation in unserem Land. Wir müssen mehr Anreize schaffen, eigenverantwortlich vorzusorgen und langfristig Vermögen aufzubauen – etwa über Altersvorsorgekonten wie in Großbritannien oder in Schweden.“