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Pensionszusagen: stiefmütterlich betreut

Betriebsrenten

In kleinen und mittleren Unternehmen erfahren Pensionszusagen nach ihrer Einrichtung nur noch eine stiefmütterliche Betreuung. Zu dieser Beurteilung gelangte Michael Diedrich, Geschäftsführer der bbvs Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungswerke, in seiner gutachterlichen Tätigkeit. Im Interview beschreibt er die Folgen für Versorgungsberechtigte und Unternehmen.

Sie analysieren als gerichtlich zugelassener Rentenberater regelmäßig auch Pensionszusagen in mittelständischen Unternehmen, vor allem für Gesellschafter-Geschäftsführer. Wie lassen sich Ihre Erfahrungen damit zusammenfassen?

Pensionszusagen, die rechtlich und steuerlich wasserdicht sind, mussten wir mit der Lupe suchen. Die weit überwiegende Mehrheit der Versorgungszusagen, die wir analysiert haben, war fehlerbehaftet und mit erheblichen Haftungsrisiken für die Inhaber und deren Unternehmen verbunden.

Eine ernüchternde Einschätzung, aber gilt sie wirklich flächendeckend?

Ich gehe davon aus. Zu dieser Schlussfolgerung führten uns Auswertungen von rund 100 Pensionszusagen, die wir analysiert haben. Der Umfang ist zwar für sich genommen nicht repräsentativ, zeigt aber das Ausmaß an Fehlern auf, mit denen wohl in großer Breite bei Pensionszusagen zu rechnen ist.

Wie häufig treten bestimmte Fehler denn auf?

Den ein oder anderen haben wir nahezu in allen vorliegenden Pensionszusagen gefunden. So bestand bei sage und schreibe 95 Prozent aller begutachteten Zusagen eine finanzielle Unterdeckung.

„Vorwurf einer verdeckten Gewinnausschüttung droht.“

Welche Folgen hat das für die Unternehmen?

Bei fehlender Finanzierbarkeit von Pensionszusagen gegenüber beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern droht der Vorwurf einer verdeckten Gewinnausschüttung. Die bisher für die Zusage gebildeten Rückstellungen müssen ganz oder teilweise aufgelöst und versteuert werden. Bei 50 Prozent der zugesagten Renten für den Fall der Berufsunfähigkeit und bei reichlich 90 Prozent der vereinbarten Hinterbliebenenabsicherungen fehlte ebenfalls die notwendige Ausfinanzierung. Auch in diesem Fall drohen eine Auflösung der Rückstellungen und damit eine schlagartig höhere steuerliche Belastung für das Unternehmen.

Eine ungenügende Ausfinanzierung ist aber nicht der einzige Stolperstein bei der Gestaltung von Pensionszusagen.

Die Vermutung stimmt. Eine kleine Kostprobe weiterer Fehler: Es gibt keinen Gesellschafterbeschluss für die Pensionszusage. Das war bei 54 Prozent der Zusagen der Fall. Die erforderliche Wartezeit zwischen der Bestellung des Geschäftsführers und der Erteilung der Zusage wurde nicht eingehalten – 39 Prozent Häufigkeit. Es fehlen Regelungen in der Pensionszusage für den Fall des späteren Verkaufs der Firma – davon betroffen: 95 Prozent.

Was droht bei Letzterem?

Es ist keine Kapitalabfindung möglich und das Unternehmen damit nahezu unverkäuflich, weil sich Käufer mit der Übernahme von länger laufenden Rentenzahlungen in der Regel schwer tun.

„80 Urteile und Rundschreiben seit 2004“

Die Fehler entstanden also bereits bei der Einrichtung der Zusage?

Auch, aber nicht nur. Sicher wurden bereits am Start handwerkliche Fehler gemacht und bestehende gesetzliche Regelungen nicht beachtet. Aber das Kardinalproblem ist die fehlende Betreuung der Pensionszusagen während der aktiven Arbeitszeit des Versorgungsberechtigten. Allein im Zeitraum von 2004 bis 2018 gab es etwa 80 Urteile oder Rundschreiben der Finanzgerichtsbarkeit beziehungsweise der Finanzbehörden, die Auswirkungen auf bestehende Pensionszusagen und damit auf die steuerliche Anerkennung haben. Allein das verlangt schon eine regelmäßige Betreuung von Pensionszusagen. Die Praxis sieht aber anders aus: Sie werden erschreckend stiefmütterlich behandelt. Oftmals ist aber, gerade bei Gesellschafter-Geschäftsführern, die Pensionszusage der wichtigste Baustein der Altersvorsorge.