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Entscheidungssituation für Lebensversicherungen

Vor rund 200 Jahren wurden die ersten deutschen Lebensversicherungen angeboten, entstanden im thüringischen Gotha.

Damals noch als reine Risikolebensversicherungen für die Absicherung von Hinterbliebenen. Etwa 30 Jahre später wurde die Risikopolice mit einer Auszahlung im Erlebensfall kombiniert. Dieses Modell ist als Kapital-Lebensversicherung bekannt.

1901 wurde ein gesetzlicher Maximalzins eingeführt, um damit unrealistische Renditeversprechen zu unterbinden. Heute kennt man diese Obergrenze unter dem Begriff Höchstrechnungszinssatz. Zudem waren Lebensversicherungen bis zum 31. Dezember 2004 im Ablauf steuerfrei, wenn ratierliche Einzahlungen erfolgten, eine Mindestlaufzeit von zwölf Jahren eingehalten wurde, ein Todesfallschutz von 60 Prozent der Beitragssumme vorhanden war und die Auszahlung nicht vor dem 60. Lebensjahr erfolgte.

Rückläufige Absatzzahlen in den letzten Jahren

Die Reduktion der steuerlichen Vorteile seit 2005 und die permanent fallenden Zinsen drücken die möglichen Ablaufleistungen. Einerseits sank der Höchstrechnungszinssatz, der von 1994 bis zum Jahr 2000 bei vier Prozent lag, bis zum Jahr 2021 auf 0,9 Prozent und wird im nächsten Jahr bei 0,25 Prozent liegen.

Andererseits wirkt sich die Nullverzinsung bei sicheren Einlagen und Euro-Anleihen mit Top-Bonität auch auf die sogenannte Überschussbeteiligung aus. Gleichzeitig schauen die Versicherten und die Verbraucherschutzverbände deutlich genauer auf die Kosten der angebotenen Produkte. So setzte die Assekuranz im Jahr 2020 zwölf Prozent weniger Lebensversicherungen ab als im Jahr zuvor.

In Deutschland gibt es  ca. 140.000 abhängige Versicherungsvermittler und 45.000 Vermittler, die unabhängig arbeiten, das heißt, mit mehreren Versicherungsunternehmen kooperieren. Um das Geschäft trotz der erschwerten Bedingungen erfolgreich an den Kunden zu bringen, wird ihnen daher viel Kreativität abverlangt.

Riester-Verträge in der Mehrzahl Versicherungen

Eine indirekte Unterstützung kam vor Jahren vom Staat. Als 2002, mit dem Altersvermögensgesetz, die Riester-Rente durch staatliche Zulagen und durch Sonderausgabenabzug gefördert wurde, griffen die Versicherungskonzerne beherzt zu und stiegen in das Thema aktiv ein. Zwar gibt es mit Kontosparen, Bausparen, Fondssparplänen und Lebensversicherungen grundsätzlich vier Optionen, um in die Riester-Rente zu investieren, allerdings sind 70 Prozent der Riester-Sparpläne Versicherungen. Schließlich haben die Versicherungskonzerne genügend Erfahrung mit Garantieprodukten. Außerdem verdienen große Strukturvertriebe mit dem Verkauf von Versicherungen höhere Provisionen als bei anderen Anlageprodukten. Für Berater in diesem Segment war dann oft die Versicherungslösung die erste Wahl.

Einseitige Förderpolitik

Zusätzlich fördert der Staat die Rürup-Rente („Basisrente“) und die Entgeltumwandlung in der betrieblichen Altersvorsorge.  Einige Personengruppen können hier zwei oder gar alle drei Varianten nutzen. Auch diese Altersvorsorgelösungen beruhen grundsätzlich auf Lebensversicherungen. Dagegen wird die direkte Anlage in Investmentfonds, Aktien oder verzinsliche Wertpapiere nicht gefördert bzw. teilweise durch zu kleine Freibeträge, unübersichtliche Verlustverrechnungen oder Mehrfachbesteuerungen bei Dividenden noch behindert.

Garantie kaum noch darstellbar

Die fallenden Zinssätze an den Kapitalmärkten machen es den Versicherern seit Jahren immer schwerer, Anlageprodukte mit 100prozentiger Garantie zu konzipieren, die auch noch eine interessante Rendite versprechen. Verbraucherschutzverbände vertreten allerdings die Auffassung, dass Garantien bei sehr langfristigen Geldanlagen unnötig sind. So gilt eine internationale Aktienstrategie mit einem Anlagehorizont von 30 Jahren statistisch als risikolos. Die Kosten, die für die Garantien anfallen, können sich Anleger dann eigentlich sparen.

Neue Versicherungsvarianten

Die sogenannten Fondspolicen enthalten Garantievarianten von null bis 100 Prozent. Bei Verträgen ohne Garantien fließen die Beiträge abzüglich Kosten direkt in ausgewählte Fonds, die man gegebenenfalls auch wechseln kann. Bei Hybrid-Lösungen mit zwei „Einzahlungstöpfen“ wird ein Teil in das Anlagekonzept und ein Teil in das Sicherungskonzept investiert. Hier gibt es auch dynamische Varianten, bei denen die Verteilung wechseln kann. Bei einem „Drei-Topf-System“ werden die Beiträge in ein Sicherungsvermögen, einen Garantiefonds und in das eigentliche Investmentvehikel investiert.  Einige Angebote sichern auch zwischenzeitliche Höchststände ab.

Transparenz mangelhaft

Für den Anleger ist es in der Praxis oft schwierig bis unmöglich, die Depotstruktur und auch die unterschiedlichen Kosten der genannten Konzepte nachzuvollziehen bzw. durch einen kurzen Blick in einen Depotauszug einzusehen. Auch der Vergleich der Produkte ist, trotz diverser Testberichte bekannter Magazine oder Verbraucherorganisationen, nicht einfach.

Bedachter Umgang mit vorhandenen Verträgen

Wer noch über Altverträge mit höheren Garantiezinsen verfügt, sollte eher nicht kündigen. Von kurzlaufenden Verträgen mit hohen Kosten sollte man sich trennen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Police beitragsfrei zu stellen. Weiterhin kann man eine Versicherung verbilligen, indem man nicht mehr monatlich, sondern jährlich einzahlt. Das erspart den Ratenzuschlag. In jedem Fall sollten Dynamisierungen gestoppt werden, da jede Anpassung einem Neuabschluss gleichkommt und erhöhte Provisionen anfallen. Letztlich bleibt noch die Option, die Police über einen Finanzdienstleister am Zweitmarkt zu verkaufen.

Kombination als Handlungsalternative

Für eine langfristige Geldanlage pur ist ein Investmentsparplan ohne Garantien die passendere Lösung. Auch wenn es hierfür, außer bei Riester-Fondssparplänen, keine staatlichen Förderungen gibt. Müssen Familienangehörige abgesichert werden, sollten zusätzlich Risiko-Lebensversicherungen oder Unfallversicherungen abgeschlossen werden. Grundsätzlich sollte nicht eine steuerliche Bevorzugung oder eine Förderung, sondern eine erfolgversprechende Portfoliostruktur mit gut diversifizierten Geldanlagen die Grundlage für eine stabile Altersvorsorge sein.


Gastautor Andreas Görler ist Senior-Wealth-Manager bei der Wellinvest Pruschke & Kalm GmbH in Berlin und zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments.