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Zinsen, Aktien, Inflation – was kommt 2022?

Grundsätzlich halte er sich mit Prognosen für das anstehende Jahr eher zurück, weil man schlicht nicht wisse, was kommt. Das meint Andreas Görler von der -Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin. Doch er macht eine Ausnahme und versucht einen Ausblick auf 2022.

Der Grund: Für die Ausrichtung eines Depots sind die Zins- und Inflationsentwicklung, die Erwartung für die internationalen Aktienmärkte, die wachsende Bedeutung der Nachhaltigkeit, die anhaltende Pandemie und die Risiken des Klimawandels zu berücksichtigen. Das ist auch im Jahr 2022 nicht anders.

Inflation, Niedrigzinsen und Verwahrentgelt: Das Zinsniveau in Deutschland fällt im Prinzip seit mehr als 40 Jahren. In der Nachbetrachtung war es daher nie wirklich sinnvoll, relevante Summen kurzfristig anzulegen oder umgekehrt langfristige Kreditvereinbarungen zu treffen. Auch Bausparverträge waren hinsichtlich der Sicherung von Darlehenszinssätzen meist nicht hilfreich.

Seit dem massiven Anstieg der Verschuldungsniveaus der Industriestaaten wurde das Zinsniveau trotz des Anstieges des allgemeinen Preisniveaus künstlich niedrig gehalten. Trotz der Ankündigung von möglicherweise drei Zinsschritten in den USA ist nicht davon auszugehen, dass es für Anleger im relativ sicheren Segment auf absehbare Zeit zu auskömmlichen Renditen bei Anleihen oder Einlagen kommt.

Inflation bleibt weiter überdurchschnittlich hoch

Die EZB kann hier eventuell auch etwas zurückhaltend bleiben und höheren Zinssätzen in den USA gegebenenfalls positive Effekte abgewinnen, da sich die Exporte aus dem EU- in den Dollar-Raum verbilligen. Gleichzeitig sind überdurchschnittliche Inflationsratenzu erwarten, die eher bei drei bis vier Prozent als bei zwei Prozent liegen. Hierfür könnten etwas höhere Lohnabschlüsse aufgrund des Fachkräftemangels und weiterhin etwas steigende Energiekosten verantwortlich sein. Die daraus resultierende negative Realverzinsung sorgt für weiter anhaltenden Kaufkraftverlust bei Geldern „unterm Kopfkissen“, auf Einlagekonten und bei passiv gemanagten verzinslichen Wertpapieren.

Beim Verwahrentgelt gibt es einige richterliche Entscheidungen, die die Erhebung durch die Kreditinstitute zumindest in Frage stellen. So ärgerlich die Berechnung solcher Entgelte auch ist und so wichtig eine Vermögensstruktur mit langfristigen Assets wie Aktien ist, sollte jede Anlageentscheidung aufgrund einer vernünftigen Planung, die sich an den persönlichen Zielen und der Lebenssituation orientiert, erfolgen und nicht reflexartig aufgrund von Kostenvermeidung.

Nur wenige Unternehmen tragen die Hausse

Aktien: Die Renditen, die man mit Kursentwicklungen und Dividenden aus Aktieninvestments erzielen kann, werden wohl weiterhin klar über den Zinserträgen internationaler Anleihen liegen. Allerdings wird die mehrjährige Aktienhausse zunehmend von wenigen Unternehmen getragen, die sich stark überproportional entwickeln. Auch der stark gestiegene Anteil an kreditbasierten Wertpapierkäufen in den USA ist bedenklich. Das Klima wird daher wohl etwas rauer. Rückschläge müssen ausgehalten werden. Aber an Aktieninvestitionen führt weiterhin kein Weg vorbei. Zudem ist davon auszugehen, dass die internationalen Notbanken bei Bedarf „helfend“ einspringen und die Kapitalmärkte mit Geld fluten.

Nachhaltige Anlagen sind keine Mode

Nachhaltigkeit: Erste nachhaltige Banken gibt es in Deutschland seit den 70er Jahren. Entsprechende Fonds kamen in Deutschland in den 90ern. Der Satz, dass „gegenwärtige Generationen Ressourcen so nutzen sollen, dass folgende Generationen nicht benachteiligt werden“ stammt aus dem Brundtland-Bericht der gleichnamigen norwegischen Ministerpräsidentin aus dem Jahr 1987. Auf dem globalen Gipfel in Rio 1992 wurde das Drei-Säulen-Modell aus Ökologie, Ökonomie und sozialen Aspekten kreiert. Mit dem Pariser Klimaabkommen 2015 wurde das Thema allerdings mit viel Energie in die Finanzwirtschaft getragen und verschwindet auch nicht mehr. Es handelt sich also weder um ein neues Thema noch um eine Modeerscheinung. Mit entsprechenden Portfoliostrukturen werden so auch die Chancen und Risiken des Klimawandels berücksichtigt. Jeder private oder professionelle Investor sollte das in seiner gesamten Vermögensstruktur berücksichtigen.

Chancen und Risiken im Reich der Mitte

China: Beim „Umgang“ mit der chinesischen Volkswirtschaft ist zu bedenken, dass die dortige Administration mit 1,4 Milliarden Menschen fast ein Sechstel der Weltbevölkerung regiert. Das wird traditionell mit deutlich stringenteren Methoden als beispielsweise in Europa umgesetzt. Die Maßnahmen während der Pandemie, bei denen ganze Städte und Regionen abgeriegelt werden, sind hier nur ein Beispiel. Die kürzlich umgesetzten staatlichen Regulierungen in den Bereichen schulische Weiterbildung, Fahrdienste, Internet-Computerspiele, Kryptowährungen oder die Eingriffe bei Börsengängen in den USA und die Probleme chinesischer Immobilienentwickler sind weitere Hinweise dafür, dass Investoren genau prüfen müssen, wie sie sich in der Volksrepublik aufstellen. Auch ausländische Firmen, die dort wesentliche Erträge erzielen, können gegebenenfalls schnell unter Druck geraten. Investoren müssen auch diese Abhängigkeiten berücksichtigen. Die Segmente Elektromobilität, künstliche Intelligenz, Halbleiter, Biopharmazie und erneuerbare Energien werden in China aber vermutlich weiter massiv unterstützt. Hier sind sicherlich weitere Potentiale vorhanden.

Aufmerksamkeit für die soziale Komponente

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit ist zu berücksichtigen, dass neben Ökologie und Unternehmensführung auch soziale Themen dazu gehören. Der Druck, der auf öffentliche Personen ausgeübt wird, deren Meinung nicht genehm ist, die mangelnde Pressefreiheit, die komplette Überwachung der Bevölkerung und der Umgang mit ethnischen Gruppen, die nicht ins Staatsbild passen, ist mit einem nachhaltigen Grundverständnis auf allen Ebenen nicht vereinbar. Trotzdem ist davon auszugehen, dass China bereits vor dem Jahr 2030 die USA als Weltmarktführer eingeholt haben wird.

Positiv: Einstieg in die Kapitaldeckung der Rente

Altersvorsorge: Richtet man den Blick wieder auf Deutschland und die neue Regierungskoalition, so ist der beschlossene Einstieg in einen kapitalgedeckten Teil der Altersvorsorge positiv zu werten. Natürlich entstehen im Übergang innerhalb eines Umlageverfahrens zusätzliche Kosten. Die sind aber nicht zu vermeiden, wenn man das System, analog zu existierenden Varianten in Skandinavien, ergänzen möchte. Natürlich muss jedem klar sein, dass sich positive Effekte erst mittel- bis langfristig einstellen. Jede andere Annahme oder Behauptung wäre naiv oder unseriös. Auch die angekündigte Aufstockung des Freibetrages auf 1.000 Euro ist zwar eher eine kosmetische Korrektur, aber wenigstens eine kleine Verbesserung. Für alle, die die Möglichkeit haben, bleibt es aber unumgänglich, so früh wie möglich, regelmäßig auch mit kleineren Beträgen privat vorzusorgen.

Fazit: Aktien, Aktienfonds oder Mischfonds mit wenigstens 50 Prozent Aktienanteil sind für den mittel- bis langfristigen Vermögensaufbau daher auch 2022 ein Muss. Das Thema Nachhaltigkeit sollte dabei ein wichtiges Kriterium bleiben. Wer es damit ernst meint, muss weiter selektiv vorgehen.


Gastautor Andreas Görler ist zertifizierter Fachmann für nachhaltige Investments und Senior-Wealth-Manager bei der -Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH in Berlin. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.