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Wie Fondsgesellschaften mit ETFs zocken

ETFs sind besonders in Deutschland seit einigen Jahren sehr beliebt. An der Deutschen Börse sind so viele notiert wie sonst nirgendwo außerhalb der USA.

Obwohl viele Anleger kaum eine Vorstellung davon haben, wofür die drei Buchstaben ETF stehen, werden die Produkte eifrig in die Depots gekauft. Verbraucherschützer lieben sie und rühren eifrig die Werbetrommel. Schließlich ist das passive Investment preiswert.

Der „Vater“ des passiven Investments hatte das starke Wachstum der ETFs in den letzten Jahren scharf kritisiert. Der Grund dafür: die mittlerweile gehypten ETFs unterscheiden sich in einem ganz wichtigen Detail von John Bogles Original. ETF steht für Exchange Traded Funds, börsengehandelte Indexfonds. Man kann sie, im Unterschied zur Ursprungsidee, jederzeit über die Börse kaufen und verkaufen. Sie verstoßen damit gegen einen Grundsatz von Bogles Investmentphilosophie. In seine Augen sollten Investments dauerhaft angelegt sein. Permanentes Handeln lehnte er ab. Börsengehandelte Indexfonds dagegen fördern die Spekulation und stellen eine permanente Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems dar. Inzwischen warnen auch andere bedeutende Ökonomen und Wissenschaftler vor den Gefahren der ETFs.

Einladung zur Spekulation

Wenn viele Anleger einen ETF auf einen Index, beispielsweise den DAX, kaufen wollen, wird er knapper. Damit steigt der Kurs des ETF. Wenn der Wert des ETF stärker steigt als die Kurse der zugrunde liegenden Aktien, bildet der ETF nicht mehr den Wert dieses Aktienkorbes akkurat ab. Es entsteht ein Unterschied zwischen dem Preis der Aktie im freien Handel und dem Preis der Aktie, die sich in dem ETF-Korb befindet. Das ruft spezielle Händler auf den Plan. Sie bemerken das Ungleichgewicht und kaufen nun DAX-Aktien, womit diese Aktien teurer werden.

Die gekauften Aktien wiederum übergeben sie dem Herausgeber des ETF. Der verwandelt die DAX-Wertpapiere in neue ETF-Anteile, die nun die Anleger kaufen können. Mit ihren Aktienkäufen treiben die Spekulanten erstens die Kurse der DAX-Aktien nach oben. Mit den daraus gebildeten neuen ETF-Anteilen steigt zweitens dessen Angebot und der ETF-Kurs sinkt entsprechend. Das hat zur Folge, dass der Wert der Papiere im Korb sich wieder dem Wert angleicht, zu dem der ganze Korb gehandelt wird. Durch diese ständige Arbitrage kann es zu kurzzeitigen Verzerrungen der Bewertungen von Unternehmen kommen.

Ein Turbo für den Aktienhandel

Für die Arbitrageure, die von den Fondsgesellschaften beauftragten Spezialhändler, sind diese Preisverzerrungen der Aktien ihr Verdienst. Sie summieren sich am Ende auf Milliarden. Die ETFs wirken auf den gesamten Aktienhandel wie ein Turbo. Die Fondsanteile wechseln viermal so oft die Hände wie normale Aktien. Bereits 2015 belief sich das jährliche ETF-Handelsvolumen in den USA auf mehr als 18 Billionen Dollar. Dabei verdienten die Spekulanten rund neun Milliarden Dollar, mehr als die Herausgeber der ETFs, die „nur“ sechs Milliarden Dollar über Gebühren einnahmen.

Die Finanzindustrie ist sehr erfindungsreich und wirft immer neue ETFs und Variationen auf den Markt. Wall-Street-Tüftler konstruierten ETFs, mit denen Anleger in Öl, Gold oder Agrarprodukte investieren können. Der neuste Trend im Markt sind Multi-Faktor-ETFs oder Smart-Beta-ETFs. Solche Konstruktionen verstehen nur noch Fachleute und auch bei den Kosten unterscheiden sie sich kaum noch von „gewöhnlichen“ aktiven Fonds.

Anleger sollten nur in Dinge investieren, die sie verstehen. Finanzinnovationen gehören selten dazu. Der frühere Vorsitzende der Federal Reserve, Paul A. Volcker, wurde einmal nach einer nützlichen Finanzinnovation im letzten Vierteljahrhundert gefragt. Er konnte nur eine einzige nennen: den Geldautomaten.


Gastautor Markus Richert ist CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.