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Rentenmarkt: In Südeuropa hat sich Corona erledigt

Am Anleihenmarkt in Italien, Spanien, Portugal ist von Krisenstimmung keine Spur mehr.

Zwar trifft Corona die spanische und italienische Wirtschaft hart. Im Zuge der zweiten Welle sind wieder fast alle Regionen zum Risikogebiet erklärt worden.

Doch die Finanzmärkte leihen den südeuropäischen Ländern Geld zu Konditionen, als habe es Corona nie gegeben. Mittlerweile nähern sich gerade die Renditen spanischer und portugiesischer Anleihen immer mehr der magischen Nulllinie, die in Deutschland schon lange unterschritten wurde.

Die Risikoprämie für die zehnjährigen Staatsanleihen hat sich gegenüber den deutschen Bundesanleihen halbiert. In Italien liegt sie nur noch bei 1,2 Prozentpunkten. Das ist der niedrigste Wert seit April 2018. Spanien und Portugal müssen lediglich nur rund 0,65 Prozentpunkte Aufschlag gegenüber den zehnjährigen deutschen Bundesanleihen zahlen und damit kaum mehr als vor dem Beginn der Corona-Krise in Europa Ende Januar.

EZB pumpte hunderte Milliarden in den Markt

Die Rendite der Bundesanleihe hat sich dagegen seit Mai nur wenig bewegt. Sie pendelt um das Niveau von minus 0,5 Prozent. Doch auch die Renditen, die Investoren von Italien, Spanien und Portugal verlangen, sind tief gefallen, seit die Europäische Zentralbank (EZB) hunderte Milliarden zusätzlich in Staatsanleihen der Euro-Länder pumpt. Zudem hat die Aussicht auf Anleihen der Europäischen Union die Sorge, der Währungsraum könnte auseinanderbrechen, zerstreut. Die ersten Zinspapiere mit gemeinschaftlicher Haftung sollen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Der akute Krisenmodus ist vorbei

An den Märkten hat sich daher Entspannung breitgemacht, sodass nicht einmal die EZB groß gegensteuern muss. Die Ankaufvolumina unter dem in der Krise aufgelegten Notankaufprogramm PEPP lassen vermuten, dass der akute Krisenmodus vorbei ist. Die Anleihekäufe richten sich nach dem Gewicht der Mitgliedsländer innerhalb der Währungsunion, dem sogenannten Kapitalschlüssel. In der Krise war die EZB vielfach davon abgewichen und hatte beispielsweise überproportional viele italienische Staatsanleihen gekauft, um zu verhindern, dass dort die Risikoaufschläge zu stark ansteigen. Inzwischen sind die Bondkäufe fast vollständig mit dem Kapitalschlüssel in Einklang.

Suche nach Rendite siegt über die Vorsicht vor Risiken

Zwar haben sich die Notenbanker zuletzt entschlossen gezeigt, dass sie den Ankaufsrahmen des PEPP von bis zu 1,35 Billionen Euro wenn nötig ausschöpfen, wie aus den Protokollen der EZB-Ratssitzung von September hervorgeht. Doch derzeit hält sich die EZB zurück, um größeren Handlungsspielraum zu haben, sollte erneut Nervosität am Markt aufkommen.

Der weitere Verlauf der aktuellen zweiten Corona-Welle, der noch nicht vollständig abgeschlossene US-Wahlausgang und das zähe Ringen um den Brexit bieten noch genug Risikofaktoren. Offensichtlich treten diese jedoch für Anleiheninvestoren derzeit in den Hintergrund. Die Suche nach Rendite, so hat es den Anschein, verfügt über mehr Gewicht als die Vorsicht vor Risiken.

Risikofreudige Anleger wurden belohnt

Allerdings: Längst nicht alle Investoren fühlen sich in dem aktuellen Rentenmarktumfeld wohl. Risikofreudige Anleger indes, die südeuropäische Anleihen in der ersten Corona-Welle aufgesammelt haben, wurden wieder einmal mit Kursgewinnen belohnt. Es bleibt jedoch ein Ritt auf der Rasierklinge. Da jeglicher Zinspuffer fehlt, steht und fällt der Ertrag mit Anleihen mit der Kursentwicklung. Dann lieber gleich Aktien.


Gastautor Dr. Marc-Oliver Lux ist Vermögensverwalter bei der Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München. Weitere Beiträge von ihm und anderen Vermögensverwaltern finden Sie auf www.v-check.de.