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Kleinanleger haben keinen sinnvollen Marktzugang mehr

Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdienstleistungen und Dekan der Wirtschafts- und Rechtsfakultät der Hochschule Aschaffenburg, über die unerwünschten Folgen gut gemeinter Regulierung.

Sind die neuen Regeln für den Finanzinstrumentemarkt ein Fortschritt?

Die Europäische Union wollte mit MiFID II den Anlegerschutz verbessern, allerdings habe ich da ein paar Zweifel, ob das tatsächlich funktioniert. Auf der einen Seite ist die verbesserte Transparenz gut, denn gerade auf dem niedrigen Zinsniveau ist der relative Anteil der Kosten bei Finanzprodukten bedeutender geworden. Deswegen ist es eine gute Sache, dass Kunden jetzt Gebühren, Provisionen und andere Kosten auf einen Blick erkennen können. Aber je höher die Auflagen für Beratungsprotokolle, Aufzeichnungspflichten usw. werden, desto weniger attraktiv wird es für die Finanzbranche, sich um Anlagesummen von 20.000 Euro oder weniger zu bemühen.

Wird damit das Ziel des Verbraucherschutzes verfehlt?

Der Markt wird immer stärker zweigeteilt. Die Reicheren gehen zum spezialisierten Vermögensverwalter. Die mit kleinerem Vermögen landen höchstens beim Online-Broker und handeln ohne richtige Beratung. Da dürfen wir uns dann nicht wundern, wenn trotz niedriger Zinsen noch immer der Großteil des deutschen Privatvermögens praktisch ohne Ertrag angelegt wird. Wir bräuchten dringend Regelungen, die es auch Kunden mit kleinerem Vermögen ermöglichen, preiswert an Informationen zu kommen und so sinnvoll am Kapitalmarkt zu investieren.

„Bessere Chancen auf dem angeblich so unsicheren Kapitalmarkt“

Warum ist der Schritt auf den Kapitalmarkt für Menschen mit kleinem Vermögen so wichtig?

Nehmen wir an, jemand hat seit 2008 einen Betrag von 1.000 Euro auf dem Girokonto gespart. Dann besitzt er heute noch immer 1.000 Euro und ist kein Risiko eingegangen. Aber die kumulierte Inflation lag in diesem Zeitraum bei etwa 15 Prozent, im Vergleich zu vor zehn Jahren liegt die Kaufkraft also nur noch bei circa 850 Euro. Beim Zinsniveau und bei der Inflation wird sich auf absehbare Zeit wohl kaum etwas grundsätzlich ändern. Das heißt, wer versucht, auf diese Art Altersvorsorge zu betreiben, verliert in 50 Jahren rund die halbe Kaufkraft seines Ersparten. Das werden gerade die weniger Vermögenden dann spüren.

Was wäre der bessere Weg?

Der angeblich so unsichere Kapitalmarkt bietet langfristig erheblich bessere Chancen als die auf den ersten Blick risikolosen klassischen Sparformen. Der Einstieg in die Aktienwelt ist auch mit wenig Geld möglich, etwa mit einem Fondssparplan ab 100 Euro im Monat. Da ist dann nur die Frage, welcher der über zehntausend in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Fonds ist denn der richtige? An dieser Stelle wäre Beratung nötig, die sich aber bei Kleinanlegern nicht mehr rechnet.

Welchen Rat haben Sie für den normalen Anleger für das Jahr 2018?

Achten Sie auf die Diversifizierung, also eine gute Verteilung Ihres Vermögens. Das klingt erst einmal banal, aber wenn man sich das Privatvermögen der Deutschen ansieht, ist es ein wichtiger Tipp. Von insgesamt 5.723 Milliarden Euro entfallen 2.248 Milliarden auf Bankeinlagen und 2.175 Milliarden Euro auf Versicherungsansprüche. Obwohl diese risikoarmen Anlageformen kaum mehr Erträge abwerfen. Nur etwa neun Millionen Bundesbürger besitzen überhaupt Aktien oder Fonds, die Mehrheit ist demnach überhaupt nicht wirklich diversifiziert.