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EU-Sozialsysteme unter Demografidruck

Durch den demografischen Wandel werden die Sozialausgaben für Ältere in vielen Ländern der Europäischen Union in den kommenden Jahren enorm ansteigen, sofern keine rechtzeitigen Anpassungen an diese Entwicklung erfolgen. Da das Ausmaß der Alterung in den einzelnen EU-Staaten und der Umfang der Sozialausgaben allerdings unterschiedlich ausfallen, sind die Länder verschieden stark betroffen.

So zählt Italien im Jahr 2060 zu den ältesten Ländern in Europa und zahlt heute bereits die höchsten Leistungen an die ältere Bevölkerung. Deutschland, Griechenland, Spanien und Portugal werden zwar 2060 ebenfalls zu den ältesten europäischen Staaten gehören, weisen aber im EU-weiten Vergleich nur Ausgaben im Mittelfeld aus. Umgekehrt sind die Ausgaben pro Kopf in der Altersgruppe 65+ in Frankreich, Österreich, Schweden und Finnland heute vergleichsweise hoch, aber die Alterung in diesen Ländern schreitet nicht ganz so schnell voran. Zu diesen Einschätzungen gelangt die aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge „Zur Zukunftsfestigkeit der europäischen Sozialstaaten“, die vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut erstellt worden ist.



In der Analyse der Studie wurden mehrere Dimensionen aufgezeigt, die sozialstaatliche Ausgaben beeinflussen: die demografischen Kräfte der Bevölkerungsalterung, die über die europäischen Länder hinweg stark variieren, politische Präferenzen, die die Politiker innerhalb Europas in die unterschiedlichsten Richtungen treiben, und Anreizeffekte, die eine erweiterte Nachfrage nach Sozialausgaben wecken. Die Studie ging zudem der Frage nach, ob die zunehmenden Ausgaben für die Älteren andere Sozialausgaben für jüngere Menschen verdrängen. Für diese Annahme lieferten die Auswertungen der Daten aus 27 EU-Staaten, Kroatien als jüngstes EU-Mitglied wurde mangels ausreichender Daten noch nicht einbezogen, keinen Beleg. Stattdessen wurden die Ausgaben für beide Altersgruppen in Relation zur allgemeinen Größe des Sozialstaates parallel ausgeweitet beziehungsweise reduziert. Das impliziert jedoch nicht, dass eine solche Verdrängung auch für die Zukunft bei höheren Ausgabenniveaus ausgeschlossen werden kann. Ganz im Gegenteil: Es besteht eine starke Abhängigkeit der Sozialausgaben vom Anteil der Älteren an der gesamten Bevölkerung, was für die Zukunft auf zunehmende Finanzierungsprobleme schließen lässt.

Erwerbsquoten sind eine wichtige Stellschraube

Sollen die staatlichen Leistungen zur sozialen Sicherung der Älteren auch in Zukunft in ihrem heutigen Umfang erhalten bleiben, wird es in vielen europäischen Ländern zu erheblichen zusätzlichen Belastungen für die aktive Generation kommen, die diese Leistungen zu einem Großteil finanziert. Die Studie untersucht daher die Anpassungspotenziale auf dem Arbeitsmarkt. Eine zentrale Stellschraube sind dabei die Erwerbsquoten. Ihre Erhöhung kann dazu beitragen, die demografisch bedingten Belastungen abzumildern. Innerhalb der Europäischen Union streuen die Erwerbsquoten zwischen 60 und 80 Prozent, wobei die Unterschiede wesentlich durch die Differenzen zwischen den Erwerbsquoten der Älteren und der Frauen bestimmt werden. In Deutschland ist das Erwerbsverhalten von Frauen maßgeblich durch die Anwesenheit von Kindern geprägt. So ist die Erwerbsbeteiligung kinderloser Frauen im internationalen Vergleich hoch. Erst wenn Mütter mit Kindern betrachtet werden, fällt Deutschland im Ranking zurück. Die Differenz der Erwerbstätigenquoten von Frauen und Männern mit Vorschulkindern betrug 2012 in Deutschland 31 Prozentpunkte. Nicht nur die skandinavischen Länder, sondern auch Länder wie Polen, Österreich, Frankreich und Großbritannien kommen auf niedrigere Differenzen. Auch wenn die Kinder bereits im Teenager-Alter oder erwachsen sind, haben Väter in Deutschland noch eine um 11,7 Prozentpunkte höhere Erwerbstätigenquote als Mütter, während sich das Erwerbsverhalten in den meisten anderen Ländern mit zunehmendem Kindesalter weitaus stärker angleicht.

Effektives Renteneintrittsalter liegt deutlich niedriger

Die Studienautoren listen eine Reihe von Maßnahmen in der Rentenpolitik auf, die beitragen können, dass die Sozialsysteme in den europäischen Staaten zukunftsfester werden. Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Renteneintrittsalter ein. In der Mehrzahl der Länder liegt das gesetzliche Renteneintrittsalter für Männer bei 65 Jahren und für Frauen bei 60 Jahren. In einigen Staaten liegt allerdings auch das Eintrittsalter für Männer deutlich unter 65 Jahren, im Durchschnitt der EU-27 beträgt es 63,9 Jahre. Das effektive Renteneintrittsalter ist in den meisten Ländern allerdings nochmals deutlich geringer als die vorgeschriebenen gesetzlichen Regelaltersgrenzen. Einzig Irland (64,1), die skandinavischen Länder Schweden (63,8) und Dänemark (63,1), sowie Zypern (63,5) und die Niederlande (63,2) erreichen hier einen Wert über 63 Jahren.